Kreis Pinneberg. Fast 75.000 Fotos entlarven Verkehrssünder und führen zu Millioneneinnahmen. Warum für den Kreis trotzdem nur wenig Geld übrig bleibt.
Die Zahl der erwischten Temposünder ist 2020 im Kreis Pinneberg gestiegen. Möglicherweise wurden nie zuvor so viele Raser zur Kasse gebeten. Denn was die Polizei der Kreispolitik am kommenden Dienstag im zuständigen Verkehrsausschuss vorlegt, ist ein beeindruckendes Zahlenwerk: 74.148 Temposünder wurden demnach binnen eines Jahres auf den Straßen des Kreises erwischt. Gut 10.000 mehr als im Jahr zuvor, als die Blitzerfallen 63.290 Raser entlarvten.
Einen wesentlichen Anteil an der Steigerung hat die dreimonatige Testphase eines Blitzeranhängers zwischen Mai und August 2020, die 12.385 Fälle beisteuerte. Knapp 1,4 Millionen Euro mussten insgesamt von Tempo- und Rotlichtsündern gezahlt werden. Dementsprechend sind auch die Einnahmen im Vergleich zum Jahr 2019 gestiegen – zumindest leicht.
Kreis Pinneberg: Radarfallen erwischen so viele Raser wie nie
2020 erwischten die Kreisbediensteten mit der mobilen Anlage namens Vitronic 27.115 Temposünder. Zum Vergleich: 2019 schoss dieses Modell 26.124 Fotos von Rasern. Eine leichte Steigerung – trotz weniger Einsätze. „Technische Schwierigkeiten mit der Ende 2017 eingeführten mobilen Geschwindigkeitsmessanlage haben dazu geführt, dass die Messzeiten deutlich geringer ausgefallen sind als in den Jahren zuvor“, sagt Katja Wohlers, Sprecherin des Kreises. Die Probleme hätten jedoch im Laufe des Jahres behoben werden können.
Die festinstallierten Blitzer (Starenkästen), die zweite Säule der Verkehrsüberwachung, haben 2020 einwandfrei funktioniert. An den sechs Standorten des Modells Traffipax erfassten die Kameras 23.266 Fahrzeugführer, die zu schnell unterwegs waren – 2193 mehr als 2019. In Schenefeld, wo an der LSE auf Höhe des Stadtzentrums beidseitig das neuere Modell Vitronic steht, wurden 11.382 Fotos geschossen – 2019 waren es noch 16.093. Ein deutlicher Rückgang, der offenbar darauf zurückzuführen ist, dass sich die Autofahrer an die Existenz der Blitzer gewöhnt haben.
Blitzeranhänger des Kreises: Göttervater Zeus jagt Raser
Die Rotlichtüberwachung, die an diesem Standort in Richtung Pinneberg installiert ist, erwischt im Durchschnitt zwei bis drei Rotlichtsünder pro Tag. Die Geräte in Schenefeld und die der älteren Generation an den weiteren sechs Standorten sind laut Polizei inzwischen häufig das Ziel von Sachbeschädigungen.
Der Blitzeranhänger, den der Hersteller „Anton“ getauft hatte, war vom 20. Mai bis zum 14. August 2020 an den Kreis ausgeliehen – und machte aus Sicht von Polizei und Politik Werbung in eigener Sache. In dieser Zeit stand Anton in 17 Kommunen des Kreises und schoss 12.385 Fotos von Temposündern. Als Konsequenz entschied sich die Politik, ein dauerhaftes Gerät anzuschaffen. Dieses wurde Zeus getauft, die sogenannte SemiStation mit zwei verbauten Messsystemen des Modells „TraffiStar S350“ steht seit 1. Juli 2021 in Diensten des Kreises.
Das Projekt zur Verkehrsüberwachung, das der Kreis seit Juli 2005 gemeinsam mit der Polizei absolviert, erbrachte im Jahr 2020 Einnahmen in Höhe von 1,347 Millionen Euro. Demgegenüber stehen Aufwendungen für Personal und Geräte in Höhe von 1,15 Millionen Euro. Macht unter dem Strich einen Gewinn von 197.000 Euro, der unter den Kooperationspartnern aufgeteilt wird.
Mehr Raser, weniger Geld: Warum immer weniger übrig bleibt
Zum Vergleich: 2019 lag der Aufwand bei 1,172 Millionen Euro, die Einnahmen betrugen 1,289 Millionen Euro. Macht ein Plus von 117.000 Euro. Das war schon einmal anders. 2013 etwa „spielten“ die Blitzer 1,92 Millionen Euro ein, damals wurde ein Überschuss von von knapp 820.000 Euro erzielt. 2014 lag der Gewinn bei etwas mehr als 700.000 Euro.
Warum sich Einnahmen und Ausgaben immer mehr angleichen? Laut Kreissprecherin Wohlers hat dies verschiedene Ursachen. Der Kreis habe in den Jahren 2019 und 2020 fortlaufend investiert, etwa eine neue Kamera für die Anlage in Schenefeld angeschafft und verschiedene Zubehör-Teile aufgrund von Verschleiß ersetzt. Wohlers: „Zu den laufenden Kosten, die hinzugekommen sind, gehören die Mietkosten für den Anhänger „Anton“ und höhere Mietkosten für das neue Gebäude des Straßenverkehrsamts. Erhöhte Portokosten sind ein Posten, der ebenfalls eine Rolle spielt.“
Das Ziel, das der Kreis mit dem Projekt verfolge, laute „mehr Verkehrssicherheit und nicht mehr Einnahmen“. Für das Jahr 2020 sei festzuhalten, dass sich die Corona-Pandemie auch auf den Verkehr ausgewirkt habe, besonders zu Beginn des ersten Lockdowns sei es zu einem deutlich niedrigeren Verkehrsaufkommen und damit einhergehend weniger Geschwindigkeitsverstößen gekommen.
Jetzt geht es auch rasenden Motorradfahrern ans Portemonnaie
Welchen Einfluss der neue Blitzeranhänger Zeus als dauerhafte Säule der Verkehrsüberwachung auf die Zahlen haben werde, lasse sich nicht prognostizieren. Mit „Zeus“ sollten zunächst weitere Erfahrungen gesammelt werden. Dann obliege es der Politik zu entscheiden, ob weitere Blitzeranhänger beschafft werden sollten. Ein entsprechender Antrag der Grünen war zunächst zurückgestellt worden.
Der Kreis beschäftigt fünf Angestellte im Messdienst sowie 13 Mitarbeiter in der Bußgeldstelle. Weil nach der Verschärfung des Bußgeldkataloges ein erhöhter Arbeitsaufwand anfallen wird, haben die Kreisgremien eine weitere halbe Stelle für die Sachbearbeitung genehmigt. Im nächsten Jahr soll der Einsatz des Blitzeranhängers noch häufiger erfolgen. Zudem müssen Motorradfahrer aufpassen. Das mobile Messgerät Vitronic ist nach einer Aufrüstung jetzt in der Lage, auch rasende Zweiradfahrer gerichtsfest zu überführen. Und ab Januar werden mit der mobilen Anlage auch die Nachteinsätze verstärkt.