Bad Segeberg. Von Winnetou bis Old Shatterhand: Aufführungen begeistern an Festspielorten in Europa. Warum Bad Segeberg am erfolgreichsten ist.
Die Karl-May-Spiele in Bad Segeberg sind für viele eingeschworene Fans das Maß aller Dinge. Tatsächlich sind es die erfolgreichsten Spiele, aber längst nicht die einzigen: In Deutschland, Österreich und Tschechien gibt es weitere Karl-May-Aufführungen. In 12 Festspielorten dreht sich alles um Winnetou und Old Shatterhand. Das Hamburger Abendblatt gibt einen Überblick.
Daran hat der deutsche Autor vor 150 Jahren, als er mit der Schriftstellerei begann, vermutlich nicht gedacht: Im Jahre 2024 hat sein Werk immer noch eine große Anhängerschaft – und es hat immer noch einen enormen wirtschaftlichen Stellenwert. Das liegt nicht nur an seinen Büchern, die mittlerweile eine Gesamtauflage von über 200 Millionen verkauften Exemplaren erreicht haben, sondern auch an den diversen Festivals, mit denen alljährlich ein Millionenpublikum erreicht wird.
Karl-May-Spiele in Europa: Bad Segeberg ist am erfolgreichsten
„Die Szene ist sehr vielfältig“, sagt Nicolas Finke aus Baldham bei München. Er ist ein Kenner der Karl-May-Szene, war Chefredakteur der Zeitschrift „KARL MAY & Co. Das Karl-May-Magazin“ und Autor von Büchern, in denen er sich überwiegend zu Aspekten von Karl May auf der Bühne beschäftigt. Aktuell gibt Finke zusammen mit Reinhard Marheinecke die vierbändige Buchreihe „Karl May auf der Bühne“ im Bamberger Karl-May-Verlag heraus; drei Bände sind bereits erschienen, der vierte folgt Ende des Jahres. Es gibt also kaum jemanden, der einen so guten Überblick hat. Er weiß: „Jeder Festspielort macht ein eigenes Ding daraus, aber im Laufe der Karl-May-Theatergeschichte wurden viele Bühnen von Bad Segeberg beeinflusst.“
Dabei unterscheiden sich die Karl-May-Spiele in Bad Segeberg gründlich von denen in andere Orten. Hier wird schon seit vielen Jahren eine Art Startheater geboten. Beliebte Darsteller, die durch ihre Mitwirkung in TV-Serien bekannt geworden sind, sollen Publikum anziehen. Mit Erfolg, wie auch in diesem Jahr wieder festzustellen ist: Die Segeberger Spiele eilen von Rekord zu Rekord. Dahinter steckt ein ausgeklügeltes System, das von Profis auf einem hohen Niveau gehalten wird. 1952 gab es am Kalkberg erstmals die „Winnetou-Festspiele“, wie sie damals noch genannt wurden.
Winnetou in Elspe: Mit den Darstellern wird keine Werbung betrieben
Auch die anderen Freilichtbühnen beschäftigen für ihre Karl-May-Spiele Profi-Darsteller, aber große Namen sind darunter selten zu finden. Nach Bad Segeberg sind die Karl-May-Festpiele Elspe im Sauerland am bekanntesten. Das Konzept dieser Spiele, die 1958 erstmals stattfanden, unterscheidet sich deutlich von den Segeberger Spielen. In den 1980er-Jahren wurde den Karl-May-Festspielen in Elspe ein Rahmenprogramm aus Musik- und Akrobatikshows gegeben, das Gesamtangebot wird seit 1989 unter dem Begriff Elspe Festival präsentiert. Das geht so weit, dass echte Informationen über die Karl-May-Aufführungen auf der Elspe-Website fast versteckt sind. Nach den Namen der Darsteller zum Beispiel muss lange gesucht werden, Werbung wird mit ihnen nicht gemacht.
Ein großes Zelt ermöglichte es, auch Shows im Vorprogramm zu präsentieren. Besucher können also einen ganzen Tag lang in die Zeit des Wilden Westens abtauchen und als Höhepunkt das aktuelle Stück „Winnetou und das Halbblut – Ein Kampf auf Leben und Tod“ ansehen. 180.000 bis 200.000 Besucher kommen jedes Jahr, als Pierre Brice dort in den 1980er-Jahren als Winnetou in Erscheinung trat, kamen bis zu 400.000 Besucher. Aber die Karl-May-Festspiele selbst erwirtschaften heute nur noch knapp 50 Prozent des Umsatzes, die andere Hälfte kommt aus Merchandising, Betriebsveranstaltungen, Messen und Incentives.
Mike Dietrich aus Klein Rönnau ist Karl-May-Autor und -Regisseur im Freizeitpark Pullman City
Ein Konzept, das in Bad Segeberg übrigens auch möglich wäre: Das Westerndorf Indian Village direkt neben dem Freilichttheater könnte zum Beispiel attraktiver gestaltet und mehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Der große Karl-May-Platz daneben bleibt ungenutzt, könnte aber zu einer Art Erlebniswelt umgestaltet werden. Überlegungen in diese Richtung gibt es bei der Kalkberg GmbH aktuell jedoch nicht.
Die Karl-May-Festspiele in Burgrieden (Baden-Württemberg) wurden 2014 von Mike Dietrich aus Klein Rönnau ,itgegründet. Der hauptberufliche Unternehmensberater war von 1999 bis 2001 Statist bei den Spielen in Bad Segeberg und verwirklichte seinen Lebenstraum auf der Freilichtbühne Burgrieden. Bis 2017 blieb er dort als Autor, Regisseur und Darsteller aktiv. In diesem Jahr wird auf der Freilichtbühne „Unter Geiern – der Geist des Llano Estacado“ gespielt. Im vergangenen Jahr kamen 22.000 Besucher. „Weil sich sehr eng an die Romanvorlage gehalten wird, genießen die Spiele in Burgrieden in der Karl-May-Szene einen guten Ruf“, sagt Nicolas Finke.
Ex-Winnetou Gojko Mitic ist Schirmherr der Kinder-Karl-May-Spiele in Bischofswerda
Im Freizeitpark Pullman City im bayrischen Eging am See wird in diesem Jahr „Der Ölprinz“ gespielt – und wieder ist Mike Dietrich aus Klein Rönnau im Einsatz: Er ist Autor und Regisseur. Seit 2020 gibt es die Karl-May-Spiele Pullman City Bayern. Jährlich kommen rund 40.000 Besucher.
Eine Besonderheit sind die Karl-May-Spiele im sächsischen Bischofswerda. die unter der Schirmherrschaft des langjährigen Segeberger Winnetous Gojko Mitic stehen. Die Spielgemeinschaft „Gojko Mitić Bischofswerda e.V.“ veranstaltet die Spiele seit 1993 auf der dortigen Waldbühne. In den jährlichen Neuinszenierungen wirken mehr als 80 Kinder und Jugendliche sowie zahlreiche Tiere mit. Neben bis zu zehn Pferden spielten in den vergangenen Jahren schon Esel, Bärenkinder, Ziegen, Hunde, Tauben, Hühner, eine Riesenschlange und Greifvögel mit.
Auf der Felsenbühne Rathen geht es vor allem um die positiven Botschaften Karl Mays
Seit 2002 gibt es auch eine Erwachsenenbesetzung mit ehemaligen Kinderdarstellern und Eltern. Jährlich kommen etwa 12.000 Besucher. Im Juni wurde „Winnetou II“ gespielt, 2025 kommt „Winnetou III“ (15. bis 29. Juni) auf die Bühne. Sachbuchautor Nicolas Finke bezeichnet die Karl-May-Spiele Bischofswerda in der Oberlausitz als Vorreiter in Sachen kultursensible Vermittlung.
Nach den öffentlichen „Winnetou-Diskussionen“ um kulturelle Aneignung und rassistische Stereotype konzentriert sich die Felsenbühne Rathen in diesem Jahr komplett auf die positiven Botschaften Karl Mays von Frieden und Freundschaft. Das eigens dafür von Holger Kahl geschriebene Stück „Shatterhand“ wird noch am 6., 7. und 8. September aufgeführt. Old Shatterhand wird von einem alten Bekannten gespielt: Sascha Gluth hatte in Bad Segeberg 2019 und 2022 diese Rolle übernommen.
12.300 Besuher haben in Mörschied „Der Schatz im Silbersee“ gesehen
Auf der Freilichtbühne Mörschied (Rheinland-Pfalz) haben in diesem Jahr vom 29. Juni bis 4. August 12.300 Zuschauer das Stück „Der Schatz im Silbersee“ gesehen. Seit 1990 wird die Bühne auf dem Gelände eines Reiterhofes bespielt, seit 1992 mit Karl-May-Stücken. 2025 steht „Unter Geiern – der Geist des Llano Estacado“ auf dem Programm.
In Pluwig (Rheinland-Pfalz) präsentieren die Karl-May-Freunde Pluwig e. V. auf einer in Eigenarbeit angelegten großen Bühne alle zwei Jahre ein neues Karl-May-Stück. Zuletzt 2023 „Der Schatz im Silbersee“ – alle Veranstaltungen waren ausverkauft. Der Spielplan für 2025 wurde noch nicht veröffentlicht. Rund 12.000 Besucher kommen pro Jahr.
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Eine Besonderheit sind die Karl-May-Spiele in Twisteden (Nordrhein-Westfalen). Seit 24 Jahren wird dort an einem Tag jeweils ein selbstgeschriebenes Stück gespielt, das sehr frei an die Karl-May-Bücher angelehnt ist. Die Inszenierungen sind eher Komödien und Hommages an die Geschichten Mays. Pferde werden in der Regel nur zu Anfang eingesetzt, danach benutzen die Darsteller Steckenpferde. Die Motivation ist nur der Spaß an der Sache, der veranstaltende Sportverein DJK SW Twisteden verfolgt keinerlei kommerziellen Absichten. Der Besuch der Vorstellungen ist kostenlos, Spenden sind willkommen. In diesem Jahr wurde am 30. Mai Jahr „Unter Geiern – Die Geschichte von Bloody Fox“ vor rund 2000 Besuchern gespielt.
Auch in Österreich die Karl-May-Spiele viele Zuschauer an
Vom 3. bis 18. August wurde im Action-Theater im Steinbruch Exel im österreichischem Winzendorf (Bezirk Wiener Neustadt-Land) „Winnetou I“ gespielt. Seit 1994 wird dort in jedem Jahr ein Stück aufgeführt. Seit 2012 heißen die Spiele offiziell „Karl May Festspiele Winzendorf“, sie faszinieren jährlich etwa 15.000 Besucher.
In Kirchberg am Wagram (Niederösterreich) werden auf der Freilichtbühne seit 2017 die „Winnetou-Spiele“ veranstaltet. In diesem Jahr „Winnetou & Old Shatterhand – Der Schatz im Silbersee“. Premiere war am 3. August, am 25. August endet die Saison. Die Tribüne fasst 1328 Zuschauer, wobei die Vorstellungen oft ausverkauft sind. Genaue Zuschauerzahlen werden nicht bekanntgegeben.
Richard „Mörtel“ Lugner stand auch mal auf einer Karl-May-Bühne
Die beiden österreichischen Festspielorte sind aus den Karl-May-Spielen in Gföhl hervorgegangen, die es seit 2017 nicht mehr gibt. Eine Besonderheit der Spiele in Gföhl: 2010 stand dort der kürzlich verstorbene Bauunternehmer Richard „Mörtel“ Lugner in dem Stück „Der Schatz im Silbersee“ als Farmer Jake Buttler auf der Bühne.
In Boskovice, eine Kleinstadt in Tschechien, 33 km nördlich der mährischen Landeshauptstadt Brünn, gibt es die einzige Karl-May-Bühne im nicht-deutschsprachigen Raum. Die etwa 500 Zuschauer fassende Freilicht-Arena ist in das Areal der Western City integriert. Dabei handelt es sich um einen Wild-West-Themenpark mit einer Gesamtfläche von 170.000 Quadratmetern. Mit Unterbrechungen werden dort seit 2008 Karl-May-Stücke nach dem Vorbild der bekannten Pierre-Brice-Filme inszeniert. Bis zum 31. August ist noch „Der Schatz im Silbersee“ zu sehen.. Über die Besucherzahlen ist nichts bekannt.