Kaltenkirchen. Storchenmutter Hanni starb, als sie ihre Küken schützte. Nachbarn wurden Augenzeugen. Ein kleines Wunder hilft, den Schock zu ertragen.

Der Horst und die Störche gehören zur Familie bei Hans-Peter Lehmann in Kaltenkirchen. Er baute den Brutplatz vor knapp zwei Jahren unweit seines Hauses. Es war ein Gemeinschaftsprojekt mit seiner Nachbarin Frauke Möckelmann. Seither kümmert er sich um die Bewohner der Brutstätte in luftiger Höhe. Er nennt sie Hanni und Hanjo. Auch in diesem Jahr saß das Storchenpaar obenauf. Es ist ein gutes Storchenjahr. Es ist nicht zu trocken, es gibt genug Futter. Und ausgerechnet jetzt dieses furchtbare Drama. „Ich hätte nicht gedacht, dass mich das emotional so mitnimmt“, sagt Lehmann.

Die Gewitterzelle zog am vergangenen Donnerstagabend, 27. Juni, über den Kreis Segeberg hinweg. „Es wurde auf einen Schlag ganz dunkel“, sagt Lehmann. Blitze, Donner und unwahrscheinlich viel Regen. „Die Gewitterzelle stand über uns, extrem viel Wasser kam aus den Wolken. Und das Unwetter kam in Wellen, die zweite war noch heftiger.“

Tier-Drama in Kaltenkirchen: Storchenmutter wird vom Blitz getroffen

Da war alles noch gut: Hanni und Hanjo sitzen im Horst an Hans-Peter Lehmanns Haus in Kaltenkirchen.
Da war alles noch gut: Hanni und Hanjo sitzen im Horst an Hans-Peter Lehmanns Haus in Kaltenkirchen. © privat | Hans-Peter Lehmann

Hans-Peter Lehmann stand am Schreibtisch in seinem Haus, mit direktem Blick auf den Horst. Weil er sich angesichts des Unwetters natürlich Gedanken machte um Hanni und Hanjo und deren Familie. Die beiden hatten fünf Jungen zur Welt gebracht. Zwei davon schubste die Mutter aus dem Horst. „Sie waren zu schwach“, sagt Lehmann. Eines überlebte den Sturz nicht. „Das andere brachte ich in die Auffangstation Hitzhusen, zum Aufpäppeln.“ Im Nest verblieben drei Junge, die von den Alten aufopferungsvoll umsorgt und gefüttert wurden.

„Und dann gab es plötzlich diesen riesigen Knall“, sagt Lehmann. Ein Blitz zuckte, Lehmann sah, wie der Pfahl, auf dem der Horst sitzt, förmlich explodierte und splitterte. „Mutter Hanni hatte zuvor die Flügel ausgebreitet und ihre Kleinen geschützt. Nun sah ich, wie sie taumelte, ihr Flügel brannte und sie fiel um.“

Der Blitz hatte durch ihren Körper hindurch in den Pfahl eingeschlagen. Lehmann war am Boden zerstört. „Ich dachte, dass die bestimmt alle tot sind. Das können die Kleinen nicht überlebt haben. Und dann geschah das Wunder.“ Storchenvater Hanjo kam angeflogen, Futter im Schnabel. „Und dann sah ich, wie die drei kleinen Köpfe aus dem Horst hochkamen und wie die Jungen begierig das Futter aufnahmen.“

Das Wunder: Storchenvater Hanjo und die Kleinen leben

Zerrupft, nass, aber lebendig: Storchenvater Hanjo mit den drei Kleinen nach dem Gewitter.
Zerrupft, nass, aber lebendig: Storchenvater Hanjo mit den drei Kleinen nach dem Gewitter. © privat | Hans-Peter Lehmann

Das Glück im Unglück: für den alleinerziehenden Hanjo mit den drei Kindern geht das Leben weiter. Und sein bester Freund Hans-Peter-Lehmann kümmerte sich um die Beerdigung seiner Hanni. „Ich besorgte einen Hubsteiger und holte die tote Mutter aus dem Horst.“ Nach Rücksprache mit dem Storchenvater und Weißstorch-Gebietsbetreuer Horst Möckelmann vom Naturschutzbund (nicht verwandt oder verschwägert mit Lehmanns Nachbarin), entnahm Lehmann auch eines der drei Küken.

„Drei Junge sind zu viel für den Storchenvater. Ich habe das Junge zur Auffangstation gebracht. Dort hat es dann sein Geschwisterchen wiedergetroffen, das zuvor aus dem Nest gestoßen worden war. Das Tolle: Beide sind jetzt wohlauf und fressen. Es geht ihnen gut. Wenn wir Glück haben, bekommen wir diesen Sommer also vier Jungstörche großgezogen.“

Lehmann kümmert sich nach Kräften auch darum, dass der Storchenvater in seiner neuen Solo-Rolle zurechtkommt. „Ich stelle im Futter unter den Horst und Wasser. Aber er ist eben ein Wildtier und nimmt das noch nicht so an. Es ist wohl aber auch so, dass er eben genug Futter findet.“

Tier-Drama Kaltenkirchen: Kinder reagieren rührend

Durch den Blitzeinschlag splitterte der Mast unter dem Horst.
Durch den Blitzeinschlag splitterte der Mast unter dem Horst. © privat | Hans-Peter Lehmann

Man merkt Hans-Peter Lehmann an, wie sehr ihn das Erlebte mitnimmt. „Das war ja eigentlich so eine Schnapsidee von mir, dass ich den Horst mit Frauke Möckelmann gebaut habe. Aber ich bereite den Menschen in unserer Siedlung damit offenbar echt eine riesige Freude. Das glaubt man gar nicht, wie sehr einen diese Tiere faszinieren und wie sehr sich alle Leute hier an ihnen erfreuen.“

Und deswegen schießen ihm auch gleich wieder die Tränen in die Augen, als er von der Begebenheit erzählen will, die sich kurz nach dem Blitzschlag an seiner Haustür ergab. „Es klingelte, ich machte die Tür auf – und dann standen da Kinder aus der Nachbarschaft, die Geld für einen neuen Horst gesammelt hatten. Das war wunderschön!“

Nachbarin Sorika Kahrau erzählt: „Für den Erhalt des Nestes und die Futterkosten haben meine Tochter (15) und ihre beiden gleichaltrigen Freunde viele Stunden lang in der gesamten Nachbarschaft geklingelt, von dem Unglück berichtet und mehr als 700 Euro gesammelt.“ Der Horst mache sehr vielen Menschen Freude. Spaziergänger kämen regelmäßig vorbei und schauten nach den Tieren. Und die Altenheime im Ort steuerten den Horst gerne als Ziel der kleinen Fahrradtouren mit den Seniorinnen und Senioren an, berichtet Sorika Kahrau. „Vielleicht können noch mehr Menschen spenden, denn das bisher gesammelte Geld reicht leider noch nicht für den Neuaufbau aus.“

Storchennest Kaltenkirchen: Ein neuer Mast muss her

Hanni und Hanjo paaren sich im April 2024.
Hanni und Hanjo paaren sich im April 2024. © privat | Hans-Peter Lehmann

Noch scheint der alte zu halten. Hans-Peter Lehmann rechnet damit, dass die Jungstörche in ein paar Wochen flügge sind. „Dann müssen wir schauen, wie standfest der gesplitterte Mast noch ist.“ Der Blitz hat nicht nur den Horst schwer getroffen. Auch die Storchenkamera, die Lehmann am Horst befestigte, ist kaputt. „Und bei mir im Haus hat es den Router erwischt und die Heizungssteuerung.“, sagt Lehmann.

Wie der neue Mast mit dem Horst gestaltet sein muss, da will sich Hans-Peter-Lehmann beraten lassen. „Blitzableiter gibt es für die Horste nicht. Die ziehen ja auch die Blitze an.“ Vielleicht lasse ich etwas auf meinem Haus anbringen, das wäre dann höher als der Horst.“

Wie auch immer: Der alleinerziehende Storchenvater kann getrost im kommenden Jahr mit einer neuen Partnerin nach Kaltenkirchen zurückkehren. Hans-Peter Lehmann und die vielen Menschen in seiner Nachbarschaft werden erneut dafür sorgen, dass das Paar beste Brutbedingungen vorfinden wird.

Wer zum Bau des neuen Mastes beitragen will, kann über PayPal spenden