Tangstedt. Der verstorbene Franz Beckenbauer hat sich in seiner Zeit als HSV-Spieler in der Region viele Freunde gemacht. Eine Spurensuche.

Der Tod von Franz Beckenbauer, der am Sonntag in Salzburg nach langer Krankheit im Alter von 78 Jahren gestorben ist, hat weltweit Bestürzung ausgelöst. Doch nicht nur die Fußballszene trauert um Deutschlands wohl besten Kicker aller Zeiten. Auch die älteren Mitglieder des Tennisclubs Tangstedt, die 1982 an einem denkwürdigen Tag in der Tangstedter Mühle anwesend waren, nahmen die traurige Nachricht bewegt zur Kenntnis.

Damals öffnete sich plötzlich die Tür zum Restaurant. Und kein Geringerer als der 103-fache Fußball-Nationalspieler, der das Spielgerät auf dem Platz so elegant wie kein anderer zu behandeln wusste, betrat lächelnd den Raum – und wurde mit lautem Hallo begrüßt.

Franz Beckenbauer: 33 Bundesligaspiele für den HSV

Der „Kaiser“, der in seiner einmaligen Karriere unter anderem Welt- und Europameister wurde, bestritt von 1980 bis 1982 unter der Regie des legendären Trainers Ernst Happel insgesamt 33 Bundesligapartien für den HSV. Und war nun gekommen, um die Siegerehrung der Jugend-Clubmeisterschaften vorzunehmen. Die Überraschung gelang.

Dank des Kontakts von Beckenbauers Geschäftspartner Wolfgang Müller-Michaelis vom Öl-Konzern BP, zu jener Zeit Clubmitglied, stattete der gebürtige Münchener dem zwischen dem Tangstedter Ortsteil Wilstedt und Wakendorf II beheimateten Dorfverein an einem herrlichen Sommerabend einen Besuch ab.

Überraschungsgast beim Tennisclub Tangstedt

1985 gewann Boris Becker als 17-Jähriger erstmals das Wimbledon-Turnier. Zu diesem Zeitpunkt war der Tennis-Boom im TC Tangstedt schon längst ausgebrochen. Und weil die Begeisterung auf den sechs Courts (drei davon mit Flutlicht) schon immer groß war, wurden auch die Jubiläumsfeste auf der Anlage am Sommerwiesendamm gefeiert, wie sie fielen.

„Damit alles nicht überhandnahm, waren es natürlich nur die runden Geburtstage“, sagte der heutige Vorsitzende Jörn Schulz. Er wurde im Jahr 2010 Präsident des TC Tangstedt. Der Vereinsboss und seine Vorstandskollegen sehen ihr Ehrenamt als einen wichtigen sozialen Beitrag. „In keiner Sportgemeinschaft habe ich mich wohler gefühlt als beim TCT“, so der am Gründungstag, dem 23. Dezember 1972, gerade mal sieben Jahre alte Schulz.

Der „Kaiser“ hält Hof in der Tangstedter Mühle

Im vergangenen Jahrhundert ist rund um die Anlage am Sommerwiesendamm viel passiert. Und zu den Höhepunkten in der Vereinshistorie gehört mit Sicherheit der Überraschungsbesuch von Franz Beckenbauer in der Tangstedter Mühle. Schließlich verfügte der charismatische Kosmopolit als Sportler, später aber auch als Teamchef der Nationalmannschaft und als Fußballfunktionär, über eine immense Strahlkraft.

Reenald Koch, im Dezember 2023 zurückgetretener Präsident des Fußball-Regionalligisten Eintracht Norderstedt, wird seine einzige Begegnung mit Franz Beckenbauer nie vergessen. „Damals befanden wir uns mit Aktenkoffern bewaffnet im Wartebereich des Flughafens Köln-Bonn, Franz trug einen Kamelhaarmantel. Ich bin damals mit einem Stift und einem Zettel in der Hand spontan auf ihn zugegangen und habe ihn um ein Autogramm für meinen gerade erst geborenen Sohn Philipp gebeten.“

„Der Typ war als Fußballer und als Mensch einfach Weltklasse“

Was Koch damals sehr beeindruckte: „Er war superfreundlich, hatte nicht einmal den Ansatz von Starallüren. Der Typ war als Fußballer und als Mensch einfach Weltklasse.“

Die 90-minütige Dokumentation in der ARD der Autoren Philipp Grüll und Christoph Nahr über Franz Beckenbauer sah Reenald Koch mit großem Interesse. Dort ordneten die früheren Spitzenpolitiker Wolfgang Schäuble, Otto Schily und Joschka Fischer ihre Begegnungen mit Franz Beckenbauer ein: persönlich, aber auch in die politische und gesellschaftliche Geschichte der Bundesrepublik. Außerdem ließen die einstigen Mannschaftskollegen Günter Netzer und Paul Breitner sowie der deutsche Rekordnationalspieler Lothar Matthäus diverse Phasen in Beckenbauers Karriere noch einmal Revue passieren.

2016 erhält das makellose Image der Lichtgestalt einige Kratzer

Auch Horst Plambeck, der die Geschichte des 2003 gegründeten Fußballclubs Eintracht Norderstedt zusammen mit Reenald Koch geprägt hat, machte Bekanntschaft mit der Lichtgestalt des deutschen Fußballs, deren ansonsten makelloses Image lediglich durch die 2016 erhobenen Bestechungsvorwürfe bei der Vergabe der WM 2006 einige Kratzer erhielt.

„Das war vor vielen Jahren in München, im Edelrestaurant Käfer“, erinnert sich Plambeck, „wir haben nur ein paar Sätze miteinander gesprochen, das war eigentlich nicht der Rede wert. Ich weiß aber noch, dass er ganz normal rüberkam. Meine Eltern Edmund und Anneliese haben ihn gut gekannt, er war für mich ein ganz toller Typ als Fußballer und nicht ohne Grund ein Idol. “

Franz Beckenbauer: Zuschaueransturm beim ersten Training in Hamburg

Eddy Münch, der als Sponsorenbeauftragter von Eintracht Norderstedt und Ex-Mitglied im Kuratorium der Sepp-Herberger-Stiftung des Deutschen Fußball-Bundes Gott und die Welt kennt, hat die Laufbahn von Franz Beckenbauer interessiert und begeistert verfolgt. Er gehörte zu den Zuschauern, die 1980 zur Paul-Hauenschild-Anlage an der Ochsenzoller Straße pilgerten, um nach Beckenbauers sensationellem Wechsel von Cosmos New York zum Hamburger SV dessen erste Übungseinheit live zu verfolgen.

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„Das war damals in Norderstedt und Hamburg eine Riesensensation“, so Münch, „die Zuschauer standen so dicht am Spielfeldrand, dass Ernst Happel mächtig losgrantelte. Leider hatte ich nie persönlichen Kontakt zu ihm“, so Münch, der dafür jahrelang ein freundschaftliches Verhältnis zum Hamburger Fußball-Idol Uwe Seeler pflegte.