Norderstedt. Max Krause hat noch keine Erfahrung als Coach im Herrenbereich. Warum er sich den Job in der Regionalliga Nord trotzdem zutraut.
Das Kapitel Olufemi Smith ist abgeschlossen, das Kapitel Max Krause hat begonnen: Der 33 Jahre alte B-Lizenz-Inhaber, bislang Co-Trainer mit dem Schwerpunkt Athletik, wird die Fußballer von Eintracht Norderstedt am Sonntag um 14 Uhr gegen den FC St. Pauli II zum ersten Mal in einem Regionalliga-Punktspiel coachen. Im Abendblatt-Interview verrät der neue Übungsleiter, wie er tickt und was er mit dem Team vorhat.
Hamburger Abendblatt: Herr Krause, am vergangenen Montag sind Sie vom Vereinspräsidium nach Absprache mit dem Sportlichen Leiter Denny Schiemann vom Co-Trainer mit dem Schwerpunkt Athletikbereich zum Chefcoach von Eintracht Norderstedt befördert worden, Mal ehrlich, wie viele Stunden haben Sie seitdem geschlafen?
Max Krause: So genau kann ich das nicht sagen. Aber ich habe definitiv weniger als sonst üblich geschlafen. Natürlich kreisen einem nach dem, was zu Wochenbeginn bei Eintracht Norderstedt passiert ist, viele Gedanken im Kopf herum. Es gibt in einem solchen Fall ja nicht nur die sportliche, sondern auch die menschliche Perspektive, wenn man sich beispielsweise in die Situation von Olufemi Smith hineinversetzt. Außerdem war ich als Co-Trainer ja nicht unbeteiligt an dem, was in der alten Konstellation passiert ist.
Was haben Sie gedacht, als der Verein auf Sie zugekommen ist? Wer hat Sie informiert? Waren Sie überrascht?
Überrascht war ich schon, ich hatte mir eigentlich einen ganz anderen Tagesplan zurechtgelegt. Doch dann hat mich unser Sportlicher Leiter Denny Schiemann kontaktiert und mir gesagt, dass es etwas zu besprechen gebe. Später hat dann auch noch Vereinspräsident Reenald Koch angerufen und mich gefragt, ob ich mir zutrauen würde, bei Eintracht Norderstedt künftig einerseits als Speerspitze, andererseits aber auch als Bindeglied zu fungieren. Und ob ich mir den Job des Cheftrainers zutrauen würde. Ich musste das alles erst einmal für mich ordnen, habe dann meine Lebensgefährtin Marieke und meine Mutter, die überhaupt nicht fußballbegeistert ist, aber einen klaren Blick auf die Welt hat, nach ihrer Meinung gefragt. Und bin zum Entschluss gekommen, dass ich das, was ich als Teil des bisherigen Trainerteams mit aufgebaut habe, weiterführen und vorantreiben möchte.
Was waren Ihrer Meinung nach die entscheidenden Gründe, mitten im Fluss das Pferd zu wechseln? Der Tabellenstand, Rang sechs mit 16 Punkten, ist nach zehn Punktspielen ja durchaus respektabel...
Über die Gründe können Denny Schiemann und Reenald Koch viel besser als ich Auskunft geben. Und ja, wir befinden wir uns in einer ungewöhnlichen sportlichen Situation, es gibt aus Vereinssicht einiges, was ich nachvollziehen kann. Meiner Meinung nach ist sehr wichtig, das es einen gewissen Rahmen gibt, an dem sich die Mannschaft orientieren kann. Diesen Rahmen vorzugeben haben wir zuletzt nicht besonders gut hinbekommen – und damit meine ich ausdrücklich das gesamte Trainerteam.
Haben Sie schon mit Ihrem Vorgänger Olufemi Smith gesprochen?
Ja, wir haben miteinander geredet – worüber, das behalte ich für mich. Es ist doch klar, dass das, was bei mir zurzeit Euphorie auslöst, bei ihm völlig anders ankommt. Ich habe ein Riesenverständnis dafür, wie es einem hochgeschätzten Menschen wie Femi in diesem Moment geht.
Wie lange läuft Ihr Vertrag mit Eintracht Norderstedt?
Ich habe in diesem Sommer bis zum 30. Juni 2024 unterschrieben, daran hat sich nichts geändert.
Und was wird aus dem bisherigen Trainerstab?
Marius Ebbers bleibt Co-Trainer, und Fabian Lucassen kümmert sich auch weiterhin um die Torhüter. Darüber freue ich mich sehr.
Sie arbeiten als Product Manager Online bei der Firma Tchibo, verantworten zusammen mit zwölf Mitarbeitern einen Teil des Webshops des Unternehmens. Wie lässt sich dieser Job zeitlich mit der neuen Aufgabe bei Eintracht Norderstedt vereinbaren?
Das Gute ist, dass ich bei Tchibo sehr flexibel arbeiten kann. Das war ja auch bisher schon so und hat hervorragend geklappt.
Olufemi Smith hat die Mannschaft seit April 2018 gecoacht, etwas mehr als drei Jahre zusammen mit Jens Martens, danach als Chef. Sie haben noch nie eine Herrenmannschaft in verantwortlicher Position trainiert, weder alleine noch zu zweit – und starten sofort in der Regionalliga. Was prädestiniert Sie dafür, warum sind Sie in der jetzigen Situation der richtige Mann für Eintracht Norderstedt?
Dass ich noch keine Erfahrung als Coach habe, kann eine Chance sein, in der sicherlich auch ein Risiko liegt – aber das ist im Leben doch immer so. Wenn das neue Modell funktioniert, gibt uns das möglicherweise einen Schub, mehr Dynamik. Ich bin fest davon überzeugt, dass ich zusammen mit meinen Kollegen Gutes für Eintracht Norderstedt bewirken kann, habe klare persönliche Überzeugungen. Für mich macht der Mensch das Konstrukt. Mit diesem Schwerpunkt bin ich als Oberliga-Fußballer, im Job, aber auch im Privatleben stets gut gefahren. Ich habe deshalb keine Angst, die Trainerstelle in der Regionalliga Nord anzutreten.
Wie erklären Sie die absurden Leistungsschwankungen der Mannschaft in den vergangenen Wochen, warum kann das Team sein großes Potenzial nicht konstant abrufen, kickt mal auf Welt-, mal auf Kreisklassenniveau?
Fußball ist ein sehr komplexes Thema, manchmal aber auch ganz einfach. Und da bin ich wieder bei den Begriffen Rahmen und Orientierung. Die brauchen auch Weltstars. Wir müssen für Eintracht Norderstedt möglichst schnell den passenden Rahmen finden. Wenn jemand aus diesem Rahmen fällt, färbt das sofort ab. Als Beispiel nenne ich da mal die Körpersprache: Wenn jemand mit hängenden Schultern über den Platz schlurft, hat das sofort auch negative Auswirkungen auf die Mannschaftskollegen.
Was wollen Sie anders machen als Ihr Vorgänger, was waren Ihre ersten Maßnahmen in dieser Woche? Und an welchen Stellschrauben werden Sie drehen?
In den ersten Tagen kann man natürlich nicht sofort alles von links auf rechts drehen, und das wollte ich auch nicht. Ich habe aber versucht, auf dem Trainingsgelände stets der Erste und der Letzte zu sein, wollte so den Spielern, aber auch den Personen aus dem Umfeld der Mannschaft signalisieren, dass ich immer ein offenes Ohr für sie habe.
Es gab in dieser Saison bislang keinen offiziellen Mannschaftskapitän, diesen Posten haben sich Ersin Zehir, Juri Marxen und Philipp Koch geteilt. War das ein Fehler, braucht es in einem Fußballteam diesbezüglich nicht eine klare Hierarchie?
Ich möchte jetzt nicht bewerten, ob das richtig oder falsch war. Aber ich selbst war lange Kapitän beim USC Paloma, und es hat immer gut funktioniert, wenn es einen Menschen auf dem Platz gab, an dem sich die Teamkollegen orientieren konnten. Bei uns wird das jetzt erst einmal Ersin Zehir sein. Die Frage, wer die Binde trägt, wird sich in den kommenden Wochen eh nicht stellen, da Ersins Vertreter Juri Marxen mit einem Muskelbündelriss im Oberschenkel länger ausfällt.
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In Ihrem ersten Regionalliga-Match als verantwortlicher Coach treffen Sie mit Eintracht Norderstedt am Sonntag um 14 Uhr im Edmund-Plambeck-Stadion auf die U-23-Mannschaft des FC St, Pauli. Was ist die Marschroute für dieses Spiel?
Wir wollen Klarheit haben, wir wollen die Fragezeichen zu Ausrufezeichen machen. Dazu gehören fußballerische Dinge, dazu gehören menschliche Dinge nach so einer Woche. Die Köpfe werden am Sonntag so frei sein, dass wir ein gutes Spiel machen und etwas Gutes kreieren können