Henstedt-Ulzburg. Modellversuch: Gemeinde bekommt ein On-Demand-System. Kleinbusse können künftig per Handy bestellt werden.
Moderne Kleinbusse, die sich per Handy zu einem bestimmten Ort bestellen lassen, werden wohl schon in einigen Monaten zum Straßenbild in Henstedt-Ulzburg gehören. Die Gemeinde soll, zunächst im Rahmen eines zweijährigen Modellversuchs, als erste im Kreis ein sogenanntes On-Demand-Bussystem bekommen. Der Planungs- und Bauausschuss hat jetzt die notwendigen finanziellen Eigenmittel bereitgestellt. Formell zuständig ist der Kreis Segeberg, mehrere Fachausschüsse haben schon grünes Licht gegeben. Stimmt der Kreistag am morgigen Donnerstag zu, werden die Kleinbusse in Henstedt-Ulzburg Anfang Dezember eingeführt. Die Busse sollen mit einem regulären VHH-Ticket genutzt werden können, zusätzlich ist von einem Beitrag von einem Euro pro Fahrt die Rede.
„Wenn wir das Mandat des Kreistags erhalten, werden wir unseren Vertragspartner VHH offiziell mit der Umsetzung beauftragen“, sagt Claudius Mozer. Er ist Leiter der Südholstein Verkehrsgesellschaft mbH (SVG), einer Verwaltungsgemeinschaft der Kreise Segeberg, Pinneberg und Dithmarschen, die für den öffentlichen Nahverkehr zuständig ist. Im Kreis Segeberg fahren Busse der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH), diese sind damit auch für das Zukunftsprojekt zuständig.
Das On-Demand-Bussystem ist das Kernstück eines millionenschweren Gesamtpakets, mit dem der öffentliche Nahverkehr in Henstedt-Ulzburg gestärkt werden soll. Die Gemeinde arbeitet seit Jahren daran, Grundlage ist ein Gutachten der Firma Interlink Consulting, dessen Umsetzung die Gemeinde nach einer Überarbeitung im vergangenen Jahr beschlossen hatte. Die Freigabe der finanziellen Eigenmittel war nun, aufseiten der Gemeinde, der letzte Schritt zur Realisierung. Henstedt-Ulzburg wird demnach in diesem Jahr 67.000 Euro für das Verkehrsprojekt bezahlen, 2023 455.000 Euro und 2024 350.000 Euro. Einen ebenso hohen Anteil trägt der Kreis. Den größten Anteil, etwa 2,6 Millionen Euro, machen Fördergelder des Bundes aus.
On-Demand-Busse sollen flächendeckend zur Verfügung stehen
Finanziert werden damit, neben den On-Demand-Bussen, zwei reguläre neue Buslinien. Eine Linie mit der Nummer 893 soll ab Dezember das Gewerbegebiet Harkshörn, die Paracelsus-Klinik und den Ortsteil Rhen mit dem AKN-Halt Meeschensee verbinden. Die Linie wird auf den Berufsverkehr und insbesondere auf die Schichten im Paracelsus-Klinikum ausgerichtet. Die neue Linie 296 soll Wohngebiete im Norden mit dem Zentrum verbinden. Außerdem sind viele Änderungen im Fahrplan der schon existierenden Linien 293, 196 und 7141 vorgesehen. Hauptziel ist, dass der öffentliche Nahverkehr in Henstedt-Ulzburg attraktiver wird. Denn bisher nutzt ein sehr hoher Anteil der Henstedt-Ulzburger vor allem das eigene Auto.
Die neuen On-Demand-Busse sollen flächendeckend in ganz Henstedt-Ulzburg zur Verfügung stehen und täglich in der Zeit von etwa 4.30 Uhr bis Mitternacht fahren. Vorgesehen sind Minibusse in der Größe eines Mercedes-Sprinters, die etwa 25 Plätze bieten. Es soll feste Haltestellen geben, aber auch eine große Anzahl von sogenannten „virtuellen Haltestellen“, bei denen es sich etwa um eine Straßenecke oder einen Laternenmast handeln kann. Dazu Claudius Mozer: „Das hat mit genehmigungsrechtlichen Aspekten zu tun“, der neue Dienst dürfte nicht wie eine Taxizentrale arbeiten. Es werde aber ein „sehr dichtes Netz“ dieser virtuellen Haltestellen geben, Fahrdienste wie Moia in Hamburg arbeiten laut Mozer nach einem ähnlichen Muster.
Zunächst sollen Kleinbusse mit Benzinmotor genutzt werden
Als Referenzmodell führt er aber nicht Moia, sondern die Plattform „Ioki“ an. Diese ist bereits in Hamburg im HVV-Verbund im Einsatz, On-Demand-Fahrzeuge verkehren etwa in Lurup und Osdorf. Einen Ioki-Fahrdienst gibt es seit 2020 auch in Ahrensburg. Hier sind weiße E-Autos unterwegs, die baulich einem Londoner Taxi nachempfunden sind. Das zunächst zu 100 Prozent mit Fördergeld finanzierte Projekt wurde von der Ahrensburger Politik schon zweimal verlängert, unter Verwendung von städtischen Eigenmitteln läuft es jetzt erst einmal bis Ende 2024. Die Nutzerzahlen stiegen seit der Einführung mit jedem Monat, mittlerweile fahren die Ioki-Fahrzeuge auch bis Lütjensee und Trittau. Ioki kommt „auch für Henstedt-Ulzburg als Plattform infrage“, sagt Claudius Mozer.
Zunächst sollen Kleinbusse mit Benzinmotor genutzt werden, erst in einem späteren Schritt sind dann E-Fahrzeuge vorgesehen. „Das ist natürlich schade, aber wir machen einen Schritt nach dem anderen“, sagt dazu Verena Grützbach von der Grünen-Fraktion. Jens Iversen, Vorsitzender der BfB-Fraktion, sieht in dem On-Demand-Angebot einen „Riesenfortschritt auf dem Weg zur Mobilitätswende“. Und Horst Ostwald, Fraktionschef der SPD, sagt: „Das ist schon ein sehr großer Schritt, was den ÖPNV in Henstedt-Ulzburg angeht. Man wird für den Einkauf nicht mehr ins eigene Auto steigen müssen.“