Kreis Segeberg. Rund 1000 Schüler haben ihr Abitur im Kreis Segeberg gemacht. Fünf Abiturienten sprechen über das Corona-Abi.
Schluss! Aus! Ende! Die mündlichen Abi-Prüfungen sind abgelegt und die Abschluss-Zeugnisse der Abiturienten geschrieben. Und jetzt? Die Frage treibt in diesen Tagen viele von ihnen um. Denn viele Pläne lassen sich wegen Corona derzeit nicht realisieren. Au-Pair-Stellen im Ausland werden abgesagt, Work-and-Travel-Reisen auf Eis gelegt. Fünf Abiturienten sprechen über das Stigma Corona-Abi, ausgefallene Abschluss-Bälle, zerplatzte Träume und verpasste Chancen.
Lilly Krückmann (17) vom Norderstedter Lessing-Gymnasium: „Das schriftliche Abitur war doppelt aufregend für uns – meine komplette Klasse hat sich vor den Prüfungen auf Corona testen lassen. So hatten wir nicht nur Respekt vor den Klausuren, sondern haben auch gezittert, ob alle Testergebnisse negativ ausfallen. Zum Glück ist alles gut gegangen. Unseren Abiball in der ,TriBühne‘ mussten wir leider absagen. Aber immerhin durften wir eine Mottowoche durchführen, es hat sehr viel Spaß gemacht, sich zu verkleiden.
Einfach raus. Etwas von der Welt sehen. Menschen kennenlernen. So hatte ich mir die Zeit nach meinem Abi vorgestellt. Im Sommer wäre ich gern zwei bis drei Monate mit einem Interrail-Zugticket durch Europa gereist. Am liebsten wäre ich in die wärmeren Länder gefahren – nach Frankreich, Spanien, Portugal und Italien. Aber die Corona-Situation macht das Reisen nach wie vor schwierig. Mit dem Zug durch Deutschlands Nachbarländer zu fahren, die zum Teil noch als Risikogebiete eingestuft werden, halte ich noch für keine gute Idee. Das ist natürlich sehr schade.
Schon in meinen letzten Sommerferien wollte ich mit meiner Mutter in Kanada zelten und wandern gehen – aber auch diesen Urlaub mussten wir pandemiebedingt absagen. Dafür möchte ich zum Studieren in eine andere Stadt ziehen. Gerne in eine Studentenstadt wie Göttingen, Kiel oder Marburg. Erst einmal muss mich eine Universität allerdings annehmen. Ich möchte Psychologie studieren – der NC ist sehr anspruchsvoll.
Nur wenige meiner Mitschüler wollen wie ich von zu Hause ausziehen, das hat mich schon überrascht. Wegen der unsicheren Lage bleiben sie erst einmal bei ihren Eltern wohnen. Wenn ich in eine neue Stadt ziehe, möchte ich in einer WG leben, um Anschluss zu finden. Dann wäre ich nicht so alleine. Aber ich hoffe, dass bis zum Herbst genügend Leute geimpft sind und die Uni normal in Präsenz stattfinden kann.“
Daniel Mendes Jenner
(18) vom Norderstedter Coppernicus-Gymnasium: „Ich habe früh befürchtet, mein Abi wegen Corona nicht richtig feiern zu können. Ich bin zwar drüber hinweg – schade ist es trotzdem. Immerhin unsere Abientlassung kann deutlich normaler stattfinden als bisher gedacht. Beide Elternteile dürfen an der Veranstaltung teilnehmen. So können wir uns wenigstens zusammen an so einen besonderen Moment erinnern. Sollten sich das derzeitige Infektionsgeschehen und das Wetter so gut halten, sehe ich großes Potenzial für schöne Gartenpartys.
Ich versuche, das Positive an Corona zu sehen – so hatte ich wenigstens mehr Zeit, um für die Abiprüfungen zu lernen. Normalerweise bin ich in meiner Freizeit sehr verplant. Ich spiele Handball in der Oberliga, trainiere drei- bis viermal die Woche und treffe häufig meine Freunde. All das ging wegen Corona nicht. Meine mündliche Prüfung in Geschichte habe ich übrigens an meinem 18. Geburtstag abgelegt.
Während der Pandemie hat sich mein Wunsch gefestigt, an der Leuphana Universität in Lüneburg Global Environmental and Sustainability Studies zu studieren. Ich merke, dass die Bereitschaft, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen, immer größer bei den Menschen wird. Auch ich möchte mich für unseren Planeten einsetzen. Ob ich nach Niedersachsen ziehe oder erst einmal zu Hause wohnen bleibe, das entscheide ich kurzfristig – je nachdem, ob das Semester online oder als Präsenzveranstaltung stattfindet. Wenn ich ausziehe, möchte ich schließlich Kontakte knüpfen.“
Lisa Schröder (18) vom Coppernicus-Gymnasium in Norderstedt: „Schon als ich klein war, wollte ich immer Kinderärztin werden. Ich finde es toll, anderen Menschen zu helfen. Der Wunsch hat sich die letzten Jahre über verstärkt. Im August beginne ich ein dreimonatiges Praktikum am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Wegen Corona wurde es um ein paar Wochen verschoben. Die ersten eineinhalb Monate verbringe ich in der Unfallchirurgie, die zweite Hälfte in der Kinder- und Jugendmedizin und der Geburtshilfe. Ich freue mich sehr auf die Zeit.
Anschließend möchte ich Medizin studieren – aber erst im Wintersemester des kommenden Jahres. Ich werde mich in ganz Deutschland auf einen Studienplatz bewerben. Erst hatte ich überlegt, in der Zwischenzeit eine Ausbildung zur Rettungssanitäterin zu machen. Den Plan habe ich allerdings wieder verworfen. Die Ausbildung ist teuer, kostet mindestens 2000 Euro, das rechnet sich für mich nicht.
Lange Zeit sah es nicht danach aus, als könnte man in diesem Sommer wieder reisen. Nun sinken die Inzidenzen aber. Eine Bekannte von mir hat Kontakt zu einer Kinderärztin in Südafrika. Falls es möglich ist, würde ich gern ein Praktikum bei ihr absolvieren, oder eine Art Minijob übernehmen.
Erst einmal hoffe ich nun aber auf gutes Wetter: Bei Sonnenschein findet unsere Abi-Entlassung nächste Woche im Freien statt. Dann dürften wir bis zu vier Angehörige mitnehmen und könnten mit dem gesamten Jahrgang unser Abitur feiern. Das wäre wirklich toll.“
Nico Sonnenschein (19) vom Lise-Meitner-Gymnasium in Norderstedt: „Irgendwie fühlt es sich komisch an, jetzt durch zu sein. Fast ein bisschen irreal. Ich bin stolz, diese Hürde gemeistert zu haben und mag es nicht, wenn einige meinen, ein Corona-Abi sei weniger wert.
Ich denke, es ist eher das Gegenteil der Fall: Wir mussten den gleichen Stoff wie andere Jahrgänge lernen, hatten aber nur halb so viel Unterricht. Da war enorm viel Eigenmotivation gefragt. Mir ist es zum Glück leicht gefallen, mich gut zu organisieren. Dass wir keinen richtigen Abschluss haben mit Abiball und großer Verabschiedung ist zwar kein Drama – aber schade. Ich glaube, das würde den Abschied leichter machen. Trotzdem oder gerade deswegen: Ich freue mich auf das, was kommt.
Eigentlich wollte ich nach dem Abi ein Jahr ins Ausland gehen und Work-and-Travel machen. Aber bis jetzt steht immer noch nicht fest, ob und in welchen Ländern das überhaupt möglich ist. Ständig ändern sich Einreisebestimmungen etc. Ich werde die Entscheidung vermutlich davon abhängig machen, ob ich selbst geimpft bin. Dann würde ich mich schon sicherer fühlen, wenn ich ins Ausland gehe. Ein Auslandsaufenthalt wäre einfach eine große Chance – wer weiß, wann man so was wieder machen kann, wenn nicht direkt nach dem Abi. Ich glaube, dass man sich da persönlich enorm weiterentwickelt und würde nur ungern darauf verzichten.
Sollte es aber gar nicht klappen, würde ich mich für ein Studium bewerben – Politik, Philosophie und Wirtschaft. Leider gibt es nur eine Handvoll Unis, an denen man das studieren kann – Hamburg gehört leider nicht dazu. Hier wäre ich sonst am liebsten hingegangen. Bis Juli muss man sich an den Unis bewerben – und das werde ich auch tun. Aber ich hoffe immer noch, dass es mit dem Auslandsaufenthalt doch noch klappt. Das wird sich in den nächsten Wochen entscheiden.“
Nikola Makuszewska (18) vom Coppernicus-Gymnasium in Norderstedt: „Irgendwie hat sich das letzte Schuljahr nicht wie unser Abschlussjahr angefühlt. Nicht so, als würden wir nie wieder zur Schule gehen. Manchmal habe ich mich schon gefragt: Warum hat es uns getroffen? Warum nimmt uns Corona unseren Abiball? Nach dem ganzen Hin und Her habe ich irgendwann akzeptiert, wie es ist. Gott sei Dank konnten wir eine Mottowoche veranstalten und uns jeden Tag anders verkleiden. Aber so einen Abiball kann man nicht nachholen.
Einige Unterrichtsfächer wie Mathe waren im Distanzlernen sehr herausfordernd. Dem Matheunterricht online zu folgen, war schwieriger als erwartet. Hinzu kam, dass wir uns wegen Corona nicht in Lerngruppen treffen konnten, ich hätte gern gemeinsam für die Abiprüfungen gelernt.
Ich bin mir ziemlich unsicher, was ich jetzt nach dem Abitur machen möchte. Auf jeden Fall will ich direkt anfangen zu studieren – aber welche Richtung ich einschlagen möchte, das weiß ich noch nicht genau. Vielleicht etwas Kreatives wie Webdesign? Oder ich gehe auf Nummer sicher und studiere BWL mit dem Schwerpunkt Marketing? Mir fehlten im letzten Schuljahr die Ausflüge, die man als Schüler normalerweise zu den Unis unternimmt, um sich zu orientieren. Das hätte mir sehr geholfen.
Wenn ich anfange zu studieren, hoffe ich jedenfalls, dass das erste Semester nicht online stattfindet. Das wäre ziemlich traurig. Gerade am Anfang lernt man andere Studenten kennen, es bilden sich Gruppen, und man lebt sich ein.“