Sülfeld. Nach 24 Jahren gibt Gero Storjohann den Kreisvorsitz ab. CDU diskutiert Situation der Partei nach der Bundestagswahl.
Gero Storjohann schmunzelte kurz. „Normalerweise wird die Aussprache nie genutzt.“ Doch der Kreisparteitag der CDU in der Sülfelder Sporthalle war für die Mitglieder nicht nur ein Termin, um mit Ole-Christopher Plambeck einen neuen Vorsitzenden zu wählen – Storjohann gab das Amt nach 24 Jahren ab –, sondern wenige Tage nach der verlorenen Bundestagswahl auch einmal Dampf abzulassen.
CDU-Mitglieder machen ihrem Ärger Luft
So wie Roswitha Strauß. Die 75 Jahre alte frühere Landtagsabgeordnete aus Alveslohe redete ihrer Partei ins Gewissen. „Wir haben bei katastrophalen Ergebnissen immer gesagt: Das muss aufgearbeitet werden. Aber nicht jetzt. Der Zeitpunkt passt nicht. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die letzten 20 Jahre.“ Oder der Sievershüttener Ortsvorsitzende Jürgen Sievers. „Dieser Wahlkampf war eine Vollkatastrophe, wie ich ihn in Jahrzehnten noch nicht erlebt habe.“ Er forderte mehr Dialog. „Nehmen Sie die Orts- und Kreisverbände mehr mit, trauen Sie den Mitgliedern mehr zu.“
Storjohann, seit 2002 Bundestagsabgeordneter, antwortete vom Rednerpult. „Wir müssen auf junge Leute zugehen. Wir haben allen Ortsverbänden ein fertiges Konzept zur Mitgliederwerbung angeboten. Manchmal waren wir überrascht, wie wenige darauf reagiert haben. Es gibt Ortsverbände, die kümmern sich nur um Kommunalpolitik.“ Sein Credo: „Uns bleibt nur wenig Zeit. Wir sollten uns nicht mit uns selbst beschäftigen, sondern wissen, wo wir programmatisch hinwollen.“
Landtags-Fraktionschef Tobias Koch spricht Klartext
Eigentlich hätte Ministerpräsident Daniel Günther diese Debatte verfolgt, doch der CDU-Landeschef musste absagen, er fuhr nach Berlin, um die Chancen für eine „Jamaika“-Koalition zu sondieren. Sein „Vize“ Tobias Koch, zugleich Fraktionschef im Kieler Landtag, vertrat ihn. „Wenn jemand das Desaster in Berlin noch irgendwie retten kann, dann unser Ministerpräsident.“ Der Ahrensburger fand klare Worte. „Das war der schlechteste Wahlkampf, den wir je geführt haben, wenn man sich die Plakatierung und die Organisation der Wahlkampftermine anguckt.“
Er nannte „fehlende Geschlossenheit und fehlende Solidarität“ als Hauptprobleme, verwies auf das schlechte Image vieler Spitzenpolitiker. „Keine wollte die Minister im Wahlkampf hier haben. Aber wenn wir sie nicht verteidigen, tut es keiner. Und das Gleiche haben wir mit unserem Kanzlerkandidaten gemacht. Als die Angriffe begannen, haben wir den Kopf eingezogen.“
Generationenwechsel bei der CDU im Kreis Segeberg
Doch es muss ja weitergehen. Für die CDU im Kreis bedeutet das, einen Generationswechsel einzuleiten. Dieser ist keine Überraschung, Ole-Christopher Plambeck der logische Nachfolger für Gero Storjohann. Der 35 Jahre alte Henstedt-Ulzburger, der weiterhin auch als Steuerberater arbeitet, ist seit 2017 Landtagsabgeordneter, ist dort unter anderem finanzpolitischer Fraktionssprecher. Die 133 anwesenden Christdemokraten wählten ihn mit 94,7 Prozent, also 125 Ja-Stimmen, zum Vorsitzenden – und den 63-jährigen Storjohann per Akklamation zum Ehrenvorsitzenden.
1997, als Gero Storjohann die Segeberger CDU übernahm, hieß der Bundeskanzler noch Helmut Kohl. Plambeck war da elf Jahre alt. „Mit Politik hatte ich nicht viel zu tun.“ Nun trägt er die Verantwortung für 58 Ortsverbände mit etwas mehr als 1800 Mitgliedern. Diese sind laut Geschäftsbericht im Schnitt 62,51 Jahre alt und seit seit 24,1 Jahren in der Partei.
Nur 4,9 Prozent der Christdemokraten sind 30 Jahre oder jünger – und 74,4 Prozent sind Männer. All diese Zahlen sind auf Landesebene ähnlich. Auch eine weitere Zahl ist ein Indikator für die Altersstruktur: Nur 66,6 Prozent der Mitglieder können per E-Mail erreicht werden, wobei diese Quote in den letzten zwei Jahren um zehn Prozent gesteigert werden konnte.
Mitglieder sollen sich inhaltlich mehr einbringen
Plambeck sagte, er plane als Ergänzung ein Print-Magazin. Grundsätzlich will er die Partei in der Region moderner machen, aber mit „christlichen Werten“. „Ich bin hoch motiviert, die CDU in die Zukunft zu führen. Die Bundestagswahl ist eine Zäsur, darf aber nicht dazu führen, dass wir aufgeben.“
Er setzte drei Schwerpunkte. So möchte er die Verbandsarbeit reformieren. „Wir müssen mehr diskutieren, müssen jedes Mitglied einladen, sich inhaltlich einzubringen, müssen wieder mehr raus an die Menschen. Wir brauchen Leute, die kritisch hinterfragen, mit denen wir diskutieren können. Nur so werden wir besser.“ Bei der Landtagswahl wolle man die drei Wahlkreise gewinnen – neben ihm selbst kandidieren der Norderstedter Patrick Pender sowie Sönke Siebke aus Schmalensee. Und auch die Kommunalwahl 2023 müsse vorbereitet werden – hierfür kündigte der neue Vorsitzende einen Programmprozess an. Der 20-köpfige Vorstand ist mit zehn Frauen und zehn Männern besetzt. „Wir haben es ohne Quote geschafft“, sagte Plambeck. Stellvertretende Vorsitzende sind Melanie Bernstein, Melanie Haak, Ursula Michalak, Katja Rathje-Hoffmann und Sönke Siebke.