Norderstedt. Bildungsministerin legt Konzept für Unterricht nach den Ferien vor – Hunderte Schüler holen im Urlaub Corona-Defizite auf.
Masken und Tests – das ist Schulalltag, und der wird auch nach den Sommerferien so bleiben. Mindestens für die ersten zwei Wochen. Davon geht Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) in ihrem Rahmenkonzept für das neue Schuljahr aus – und trifft damit auf Zustimmung der Schulen. „Wegen der Urlaubsrückkehrer halte ich es für sinnvoll, weiterhin vorsichtig zu sein“, sagt Carsten Apsel, Leiter des Lessing-Gymnasiums in Norderstedt.
Corona-Pandemie erzeugt Ungleichheit und Lernrückstände
Zwei Wochen vor dem Ferienende will Prien endgültig entscheiden, wie der Start ins neue Schuljahr unter den dann herrschenden Corona-Bedingungen verlaufen soll. Klar hingegen ist schon, dass die Pandemie Lernrückstände erzeugt hat.
„Im Homeschooling lässt sich einfach nicht so schnell und so tief lernen wie im Unterricht in der Schule. Dafür haben die Schüler andere Kompetenzen erworben, Videokonferenzen wurden für sie Schulalltag“, sagt Apsel.
Und: Die Bildungsschere ist weiter auseinandergeklappt, nicht alle Schüler konnten gleichermaßen auf Laptop, Tablet oder PC und das Internet zugreifen, nicht alle konnten beim Lernen zu Hause von den Eltern unterstützt werden.
Schüler können Stoff in den Ferien betreut nachholen
Nun will die Ministerin die Wissenslücken schließen: Mit dem Programm „Lernchancen:SH“ können die Schulen auf externe Fachkräfte zurückgreifen und den Schülern Bildungsangebote während der Sommerferien ermöglichen. Die Teilnahme ist freiwillig. Etwa 100 Anmeldungen verzeichnet der Leiter des Lessing-Gymnasiums. „Mit dieser hohen Zahl habe ich nicht gerechnet.“
„Wir haben auch etwa 100 Anmeldungen für die letzten beiden Ferienwochen“, sagt Rainer Bülck, der die Gemeinschaftsschule Harksheide leitet. Rein rechnerisch würde gut jeder fünfte Schüler das Angebot nutzen, allerdings hätten sich Schüler auch für mehrere Kurse angemeldet.
Am Coppernicus-Gymnasium liegt die Auffrischungswoche am Ende der Sommerferien, Abiturienten helfen den anderen Jahrgängen auf die Sprünge. Nach den Ferien geht das Aufholen weiter, zusätzlich zum Regelunterricht bietet die Schule Förderkurse an. „Die Eltern der schwächeren Schüler haben wir per Brief über das Angebot informiert, die Teilnahme ist aber freiwillig“, sagt Schulleiterin Heike Schlesselmann. Allein für Mathe hätten sich an die 100 Kinder und Jugendliche angemeldet.
Viel Lob für die Stadt und die digitale Ausstattung
Auch an den Grundschulen hat die Pandemie verhindert, dass der Lehrplan komplett abgearbeitet wurde. „Wir haben uns auf Lesen, Schreiben und Rechnen konzentriert, anderes musste hinten runterfallen“, sagt Angelika Aust, Leiterin der Grundschule Lütjenmoor und kommissarische Leiterin der Grundschule Harksheide-Nord.
Die Kollegien hätten sich bemüht, die Lernrückstände so klein wie möglich zu halten. Neben der normalen Notbetreuung wurde eine pädagogische Betreuung für die Kinder angeboten, die zu Hause nicht die nötige Ruhe oder Unterstützung durch die Eltern hatten.
„Ich war bei den Zeugniskonferenzen erfreut, dass wir mit den Schülern doch so viel erreicht haben. Damit hätte ich nicht gerechnet“, sagt Ingke Rehfeld, die die Grundschule Heidberg leitet. Die Eltern hätten toll mitgearbeitet, sie schätzt, dass etwa jeder Zehnte unter den etwa 375 Schülerinnen und Schülern speziellen Förderbedarf hat.
Quantensprung beim digitalen Lernen durch Covid-19
Auch die Grundschulen greifen ein weiteres Angebot des Bildungsministeriums auf, das landesweit 20.000 Bildungsgutscheine zur Verfügung stellt, damit Schüler Wissenslücken schließen. Eltern können in Absprache mit den Lehrkräften auf die Gutscheine zugreifen und sie bei externen Institutionen wie den Nachhilfeinstituten oder der Volkshochschule einlösen.
„Covid-19 hat uns einen Quantensprung beim digitalen Lernen beschert“, sagt Schulleiterin Rehfeld und drückt aus, was ihre Kollegen und Kolleginnen bestätigen. Die sparen nicht mit Lob für die Stadt, die die Schulen mit Laptops, Tablets und WLAN ausgestattet habe.
„Unsere Lehrkräfte haben sich schulintern weitergebildet und sind jetzt fit für den digitalen Unterricht“, sagt Heike Schlesselmann vom Copp. Die Pädagogen wollen die digitalen Vermittler zwar zunehmend integrieren, sie werden aber nur ein Baustein des Lehrens und Lernens sein.
„Videokonferenzen können den Präsenzunterricht niemals ersetzen“, sagt Carsten Apsel vom Lessing-Gymnasium. Mimik und Gestik der Schüler seien am Bildschirm nicht zu erkennen – ein wichtiger Faktor, um zu kontrollieren, ob die Infos der Lehrkräfte angekommen sind oder nur Fragezeichen im Gesicht stehen.
Maskenpflicht auf dem Schulhof aufgehoben
Dennoch werden Internet, Tablet, Laptop und Clouds mehr Raum einnehmen. „In der Oberstufe verzichten wir auf Papier“, sagt Apsel. Auch Kollegin Schlesselmann braucht keinen Kopierer mehr für die Tablet-Klassen. Das klassische Lehrbuch hat ausgedient, die Schüler lesen elektronische Bücher.
„Itslearning“ heißt die zentrale Lernplattform für den Norden und andere Bundesländer. „Der Vorteil ist, dass sowohl die Abgabefrist als auch die Aufgaben sofort zu sehen sind, die Schüler sich also nicht mühselig durch Dateien klicken müssen“, sagt Apsel, der sich freut, dass auch ein zweiter, enorm wichtiger Aspekt von Schule wieder zurückkehrt, wenn auch nur langsam: der Kontakt zu den Mitschülern.
Draußen sind die Masken jetzt überflüssig. „Es ist doch herrlich zu sehen, wie auf dem Schulhof wieder die Fußbälle rollen“, sagt der Schulleiter. Eine Schülerin der Grundschule Lütjenmoor hat es gegenüber ihrer Schulleiterin so ausgedrückt: „Bitte Frau Aust, nie wieder Quarantäne!“