Kreis Segeberg. Standorte in Schleswig-Holstein sollen deutlich länger zur Verfügung stehen. Auch die Kapazitäten sollen erweitert werden.
Der entscheidende Satz verbirgt sich am Ende des „Impf-Updates“, so nennt die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVHS) ihren wöchentlichen Newsletter. „Das Land teilt mit, dass die Impfzentren landesweit bis mindestens zum 30. September 2021 ihren Betrieb fortsetzen.“
Das ist eine Neuigkeit, die in dieser Klarheit zuvor weder vom Gesundheitsministerium noch vom Kreis Segeberg kommuniziert worden war. Vermutungen hatte es immer wieder gegeben, dass die landesweit 28 Standorte über den bislang angesetzten 31. Juli hinaus am Laufen gehalten werden, darunter die Impfzentren in Norderstedt, Kaltenkirchen und Wahlstedt. Allerdings ist der Betrieb weitaus teurer, als die Impfkampagne über Arztpraxen und Betriebsärzte durchzuführen – auf Bundesebene hatte es vereinzelt Forderungen von Politikern gegeben, aus Kostengründen im Sommer anders zu agieren.
Finanzierung über den Bund muss gesichert sein
Davon ist im nördlichsten Bundesland keine Rede. Auf Nachfrage bestätigt Marius Livschütz, Sprecher des Gesundheitsministeriums: „Ursprünglich wurde als frühestmöglicher Zeitpunkt zum Auslaufen der Impfzentren Ende Juli genannt. Es zeichnet sich aber jetzt schon ab, dass die Impfzentren auch weiterhin mindestens bis Ende September neben den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sowie den Betriebsärztinnen und Betriebsärzten im Betrieb sein werden.“ Die entscheidende Voraussetzung: Der Bund stelle weiterhin die Belieferung mit Impfstoff für die Zentren sowie die mobilen Teams sicher, beteilige sich zudem an der Finanzierung. Letzteres war im März in einer Konferenz der Bundesregierung mit den Ländern vereinbart worden – eben bis 30. September. Livschütz: „In Schleswig-Holstein werden die Impfzentren unter den genannten Voraussetzungen solange weiter betrieben werden, solange sie erforderlich sind.“
Und das sind sie. Längst zeichnet sich ab: Die Impfzentren mit den bestehenden Kapazitäten zu betreiben und alles, was darüber hinaus geliefert wird, an Arztpraxen – und ab Juni wohl auch an Betriebsärzte – zu geben, wird nicht ausreichen. Ein Beispiel: In den letzten beiden Maiwochen werden in den Praxen so gut wie keine Biontech-Erstimpfungen durchgeführt werden können, da fast überall Zweitimpfungen anstehen.
Ab Juni soll es laut KVSH eine höhere Gesamt-Impfstoffmenge geben. Nikolaus Schmidt, Sprecher der KVSH, verweist in diesem Zusammenhang aber auf einen weiteren Aspekt. „Alle Ärzte haben eine Kapazitätsgrenze. Und die Praxen haben ja auch noch die Regelversorgung.“ Auch der Sommerurlaub müsse einkalkuliert werden. Allgemein sei die Bürokratie „ein großes Hindernis“. Und: „Gerade beim Astrazeneca-Impfstoff müssen die Ärzte viele Gespräche führen.“ Also gerade jenes Mittel, das vergleichbar einfach zu bekommen ist – Ärzte können dieses im 100er-Pack bestellen. In der letzten Woche wurden auf diese Weise 23.000 Impfdosen geordert.
Generell sollen die Lieferungen gerade der mRNA-Impfstoffe in den nächsten Wochen sukzessive steigen. Möglicherweise geht auch das Mittel von Johnson & Johnson an die Impfzentren. Aber all das trifft auf eine mittlerweile sehr hohe Nachfrage, was die Anmelderunde am vergangenen Donnerstag mit mehreren Hunderttausend Personen bzw. Geräten in der Warteschleife für 65.000 Termine verdeutlichte. Diese Situation könnte sich verschärfen, wenn die Priorisierung komplett wegfällt, was im nächsten Monat der Fall sein soll. Auch die Ankündigung, dass Schülerinnen und Schüler während der Sommerferien geimpft werden sollen, wird das System strapazieren. Und niemand will ein Sommer-Szenario mit hoher Impfbereitschaft, gut gefüllten Lagern, aber mangelnder Impf-Infrastruktur.
Katja Rathje-Hoffmann, für die CDU im Landtag, hatte sich im Dezember dafür eingesetzt, dass Norderstedt, die größte Stadt in ihrem Wahlkreis, nachträglich ein eigenes Impfzentrum bekam. „Es ist vernünftig, die Impfzentren solange laufen zu lassen, wie wir sie brauchen. Wir müssen die Hausärzte entlasten. Es ist eine besondere Zeit. Die Prognose bis Ende September teile ich. Irgendwann werden sich die Nachfrage und die vorhandenen Impfdosen anpassen.“ Sie vergewisserte sich noch einmal bei Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) – der versicherte, dass die Zentren auch im September noch offen sein werden. Und: „Ab Juni ist mit einer Kapazitätserweiterung zu rechnen.“
Kreis bestätigt Gespräche über längeren Betrieb der Zentren
7461 Impfungen fanden in der letzten Woche zusammengerechnet in Norderstedt, Kaltenkirchen und Wahlstedt statt. Sabrina Müller, Sprecherin des Kreises Segeberg, bestätigt, dass der Betrieb über den Juli hinaus gehen könnte. „Es liegt eine Anfrage vom Land vor. Derzeit wird geprüft, ob es umsetzbar ist.“ Dazu müssten die Bedingungen vor Ort geklärt sein, also etwa in Bezug auf die Nutzung der „TriBühne“ in Norderstedt. Allerdings gilt es als machbar, tagsüber zu impfen und abends Veranstaltungen stattfinden zu lassen.
Der Norderstedter Hausarzt Guido Reisewitz ist auch einer der Koordinatoren für die drei Segeberger Impfzentren. Er sagt, dass die Option für einen Betrieb bis Ende September immer bestanden habe. „Die Bereitschaft der Ärzte, den Dienst zu tun, ist weiterhin enorm hoch. Es ist eine Aufgabe, die wir für die Gesellschaft erfüllen können – und mit gut gelaunten Patienten.“ Reisewitz mahnt aber: Eine Fortführung und Erweiterung beansprucht gerade im Sommer mehr Personal. Das seien nicht nur die Ärztinnen und Ärzte, sondern auch die medizinischen Assistenten und das nichtmedizinische Personal.
Infektionsgeschehen im Kreis schwächt sich weiter ab
Mit 18 weiteren, per PCR-Test nachgewiesenen Corona-Fällen schwächt sich das Infektionsgeschehen im Kreis Segeberg weiter ab. Zum Vergleich: Eine Woche vorher waren es 29. Nachdem die Sieben-Tages-Inzidenz am Dienstagfrüh mit 41,9 angegeben wurde, könnte diese nun sogar unter die 40er-Marke sinken. Insgesamt sind aktuell 447 Infektionen bekannt, 916 Menschen halten sich in häuslicher Quarantäne auf. 17 Covid-19-Erkrankte werden in einem Krankenhaus versorgt, sechs davon auf einer Intensivstation.
Unterdessen hat die Landespolizei eine verstärkte Präsenz am Himmelfahrtswochenende angekündigt und will 450 Beamte zusätzlich einsetzen. Demnach würden zusätzliche Streifen vor allem an touristisch interessanten Orten, in den Naherholungsgebieten und in Bereichen mit hoher Inzidenz eingesetzt. Vorrangig zuständig seien jeweils die kommunalen Behörden. „Wichtig ist, dass weiterhin Ansammlungsverbote und Kontaktbeschränkungen zu beachten sind“, heißt es. „Die Polizistinnen und Polizisten werden mit Augenmaß und dem nötigen Fingerspitzengefühl vorgehen und dabei auf den Dialog mit der Bevölkerung setzen, wo nötig aber auch konsequent durchgreifen.“ Klassische Bollerwagentouren im Freundeskreis und exzessiver Alkoholkonsum seien „nicht mit den geltenden Regeln vereinbar“.
Im Kreis Segeberg ist es momentan erlaubt, sich sowohl im öffentlichen wie auch im privaten Bereich mit maximal fünf Personen aus zwei Haushalten zu treffen – Kinder unter 14 Jahren werden nicht mitgezählt. Erst ab 17. Mai gilt, dass sich bis zu zehn Menschen treffen dürfen – unabhängig der Haushalte.