Norderstedt. Innovativ: Norderstedt installiert das digitale Messsystem Plantobelly für die Stadtbäume und will dadurch Wasser sparen.

Das Zitronenbäumchen hat den Winter nicht überlebt. Nicht der Frost hat die Pflanze das Leben gekostet und die Besitzer um die Zitrusfrüchte mit dem speziellen Geschmack gebracht. Das Bäumchen ist vertrocknet. „Das wollten wir nicht noch mal erleben“, sagt Bastian Klemke, der mit seinem Freund und Nachbar Christian Hahn grübelte, wie das Vertrocknen verhindert und der Fingertest ersetzt werden können. Schließlich sei die Kontrolle per Hand nicht zuverlässig und nicht möglich, wenn Hausbesitzer oder Mieter im Urlaub sind.

Digitales System misst die Feuchtigkeit im Boden

Wie so oft, wurde das persönliche Missgeschick zur Initialzündung für eine Neuheit mit Potenzial: Plantobelly heißt das digitale System, das die Feuchtigkeit im Boden misst und so darüber informiert, ob die Pflanzen neues Wasser brauchen. Und innovativ, wie Norderstedt gern ist, hat die Stadt gleich zugegriffen. Sieben Sensoren stecken in der Erde, verteilt auf das Stadtgebiet. Damit zählt Norderstedt zu den Pionieren einer Technologie, die sich rasant steigender Nachfrage erfreut.

„Wir sind für mehr als 25.000 Stadtbäume zuständig und erhoffen uns von der neuen Technik ein besseres Wassermanagement“, sagt Christoph Lorenzen, im Rathaus zuständig für die Bäume auf öffentlichem Grün. Mit Blick auf den Klimawandel werde ein sparsamer Umgang mit Wasser immer wichtiger.

Die Feuchtigkeitsfühler sind an der Lawaetzstraße in Friedrichsgabe aktiv, an der Helgolandstraße und der Rathausallee in Norderstedt-Mitte, an der Horst-Embacher-Allee und der Friedrich-Ebert-Straße in Garstedt sowie an der Poppenbütteler Straße und am Großen Born in Glashütte. „Die Messergebnisse lassen sich auf die Bäume in der jeweiligen Umgebung übertragen“, sagt Christoph Lorenzen.

Der Sensor kann komplett von Erde bedeckt werden

Wird ein Baum frisch gepflanzt, kommt der Sensor gleich mit in den Boden. „Mit ein bisschen Schaufeln kann er aber auch nachträglich installiert werden“, sagt Klemke, der mit Christian Hahn in Stockelsdorf bei Lübeck das Zwei-Mann-Start-up Plantobelly gegründet hat. Wirtschaftsingenieur Klemke ist für den Vertrieb zuständig, Softwareentwickler und Hobby-Elektroniker Hahn kümmert sich um die Technik.

Der Standort der Bäume und die Feuchtigkeitskurve lassen sich auf den Displays ablesen. Die Messgeräte zeigen ihre Ergebnisse auf dem Handy an.
Der Standort der Bäume und die Feuchtigkeitskurve lassen sich auf den Displays ablesen. Die Messgeräte zeigen ihre Ergebnisse auf dem Handy an. © Michael Schick | Michael Schick

Der Sensor kann komplett von Erde bedeckt werden. Tatsächlich ist bis auf das wenige Millimeter aus der Erde ragende Ende der Messschleife beim Baum an der Rathausallee nichts von der modernen Messtechnik zu sehen. „So ist das System vor Vandalismus geschützt“, sagt Klemke. Der Fühler misst die Feuchtigkeit im Boden. Die Daten werden mittels LoRa-Funktechnik, ein drahtloses, batteriebetriebenes Übertragungssystem für geringe Datenmengen, an den Web-Service von Plantobelly weitergeleitet und dort grafisch dargestellt.

„Diese Funktechnik ist für unsere Zwecke und Datenmengen von wenigen Bits besser geeignet als Wlan. Zumal die Sensoren keine Sim-Karte benötigen“, erklärt Klemke. Diese Technologie passe zudem prima zu den Smart-City-Konzepten, die in vielen Städten wie in Norderstedt gerade aufgebaut werden.

Ist der Feuchtigkeitspegel niedrig, schlägt das System Alarm

Norderstedts Baumingenieur Lorenzen kann sich auf der Homepage von Plantobelly einloggen, sich die Daten für die sieben Bäume ansehen, und beispielsweise feststellen, dass die große Eiche am Betriebshof an der Friedrich-Ebert-Straße bis zum Beginn der Vegetationsperiode kaum Wasser gebraucht hat. Die heißen Tage vor Kurzem haben ihr aber erheblich zugesetzt, der Starkregen half wenig.

„Durch die vielen versiegelten Flächen läuft das Wasser in die Kanalisation und kommt nicht zu den Baumwurzeln“, sagt Lorenzen, der in Norderstedt mit einem weiteren Problem zu kämpfen hat: Das Wasser rauscht durch den sandigen Boden durch, die Bäume haben wenig Zeit, Flüssigkeit aufzunehmen.

Lorenzen hat eine Warnschwelle eingebaut: Erreicht der Feuchtigkeitspegel die kritische Marke von 40 Prozent, schlägt das Messsystem Alarm. Bei drohender Trockenheit bekommt der Baumingenieur eine E-Mail oder Push-Meldung. Die digitale Technik gibt auch Auskunft über den Verlauf, der in Feuchtigkeitskurven dargestellt wird, und das dazugehörige Wetter.

Norderstedt zahlt 15 Euro im Monat pro Sensor

15 Euro pro Monat kostet ein Sensor, Service und Austausch von defekten Sensoren eingeschlossen. „Wenn die Stadt zweimal das Wässern spart, hat sie die Investition mit Sicherheit wieder raus“, sagt Klemke, der den Spareffekt von Plantobelly durch das kontrollierte Bewässern hervorhebt. Berlin beispielsweise gebe jährlich etwa zwei Millionen Euro für eine sogenannte Notbewässerung aus, 2000 Bäume sollen dort jedes Jahr wegen Trockenheit gefällt werden. Jeder gefällte Baum schade aber der CO2-Bilanz.

Auch Baustellenbereiche, wo man es oft mit Grundwasserabsenkungen zu tun hat, seien für Stadtbäume schwierig. „Und Neubepflanzungen sind dann teuer. Städte pflanzen in der Regel zwischen 180 bis 300 Bäume pro Jahr. Durch unser System sehen die Kommunen genau, wo gegossen werden muss, bevor es zu spät ist.“ Auf der anderen Seite könne man aber durch Plantobelly nun auch sehen, wo der Boden noch feucht genug ist, wo man also sogar Wässerungen einsparen könnte.