Bad Segeberg. Durch das Sammeln von Speichel wollen die Wissenschafter mehr über das Leben der Tiere erfahren. Warum sind einige Arten ausgestorben?

Wie haben Fledermäuse früher gelebt, wie leben sie im Vergleich dazu heute, welche Schlüsse können daraus für ihr künftiges Leben gezogen werden? Kann es sein, dass früher ganz andere Arten in den Kalkberghöhlen gelebt haben? Fragen dieser Art stellen sich Fledermauswissenschaftler seit Langem, jetzt soll Licht in das Dunkel gebracht werden – und zwar mit Methoden, die auch in der Kriminalistik angewendet werden. Damit könnten wertvolle Einblicke in die Vergangenheit des Fledermaus-Winterquartiers in der Segeberger Kalkberghöhle möglich und wertvolle Hinweise für den Schutz streng geschützter Fledermausarten im Einzugsbereich der Segeberger Kalkberghöhle geliefert werden. Möglicherweise lässt sich auch klären, warum bestimmte Fledermausarten vor vielen Jahren ausgestorben sind.

25.000 Fledermäuse überwintern in der Höhle

Noctalis-Mitarbeiterin Patricia Bulang studiert in Hamburg Biologie
Noctalis-Mitarbeiterin Patricia Bulang studiert in Hamburg Biologie © HA | Anna Schnee

Das Fledermaus-Zentrum Bad Segeberg und ForGen (Forensische Genetik und Rechtsmedizin am Institut für Hämatologie GmbH in Hamburg) wollen gemeinsam die Erbsubstanz prähistorischer Fledermausknochen aus der Segeberger Kalkberghöhle untersuchen. Gleichzeitig sollen dabei minimal invasive Techniken zur Gewinnung genetischen Materials lebender Fledermäuse erprobt werden. Die Kooperation ist durch die Noctalis-Mitarbeiterin Patricia Bulang zustande gekommen. Sie studiert in Hamburg Biologie und absolviert ein Praktikum bei ForGen. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass mit Hilfe eines neuartigen Verfahrens den wahrscheinlich viele Hundert Jahre alten Fledermausknochen ein Teil ihrer geheimnisvollen Geschichte entlockt werden kann. Dazu werden ähnlich wie zur Analyse von Vaterschaftsfällen und Spuren beim Menschen nur geringste Mengen von Erbmaterial benötigt.

Warum interessieren sich Spurenanalytiker aus dem Labor für Fledermäuse? „Als gebürtiger Segeberger ist es etwas ganz Besonderes für mich, unsere rechtsmedizinisch-genetische Kompetenz für die Segeberger Fledermäuse einsetzen zu können“, sagt Jan-Hendrik Modrow, Tierexperte von ForGen, der die Geheimnisse rund um die Vorfahren der heute rund 25.000 in der Höhle überwinternden Fledermäuse erforschen möchte.

Neben dem fossilen Knochenmaterial sollen auch die lebenden Fledermäuse ähnlich wie bei einem Massengentest zur Täteridentifizierung beim Menschen untersucht werden. Dabei dient das Sammeln von Speichel zur Gewinnung genetischen Materials mit einem speziellen Wattestäbchen als Methode für populationsgenetische Untersuchungen bei den Fledermäusen.

Zurzeit hängen in den Höhlen 25.000 Tiere ab

Die Entnahme einer Speichelprobe ist für Fledermäuse absolut harmlos und ermöglicht den Fledermausforschern durch die im Speichel enthaltenen Mundschleimhautzellen die Gewinnung des genetischen Fingerabdrucks verschiedener Fledermausarten
Die Entnahme einer Speichelprobe ist für Fledermäuse absolut harmlos und ermöglicht den Fledermausforschern durch die im Speichel enthaltenen Mundschleimhautzellen die Gewinnung des genetischen Fingerabdrucks verschiedener Fledermausarten © HA | Floria Glza-Rausch

Auf diese Weise sollen Vergangenheit und Gegenwart der Tiere miteinander verglichen werden. Die für die Untersuchung nötigen Reagenzien (so nennen sich die spezifischen „Fledermaus-Primer“), ohne die die genetischen Analysen im Labor nicht durchgeführt werden können, werden durch einen Spender finanziert.

„Ich bin begeistert von dem großen Engagement, das alle Beteiligten in dieses Vorhaben einbringen und sehe den ersten Ergebnissen voller Spannung entgegen“, sagt Florian Gloza-Rausch, Ausstellungsleiter und wissenschaftlicher Geschäftsführer der Fledermaus-Zentrum GmbH.

Von den 15 in Schleswig-Holstein beheimateten Fledermausarten überwintern sieben in den Kalkberghöhlen von Bad Segeberg. Zurzeit hängen dort rund 25.000 Tiere ab – sie überwintern unterhalb der Höhlendecken.