Norderstedt. Zehn Jahre Kompetenzzentrum Demenz in Norderstedt: Betroffene und pflegende Angehörige finden hier Unterstützung.

Demenz ist eine furchtbare, meist altersbedingte Krankheit, für die es bislang keine Heilung gibt. Die Betroffenen vergessen ihr ganzes Leben, erkennen selbst ihre engsten Vertrauten nicht mehr, ihr Gedächtnis lässt immer mehr nach. Ihr Charakter verändert sich, manche hören auf zu sprechen. Sie sind oft unruhig, können nicht still sitzen bleiben und verlieren die Orientierung.

Demenz: In Norderstedt leben an die 1500 Demenzkranke

Alles Anzeichen und Symptome einer Demenzerkrankung, die, wenn sie einmal das Gehirn befallen hat, kaum noch aufzuhalten ist. Nur das Leben und Leiden der Betroffenen und ihrer Angehörigen, die sie meist rund um die Uhr betreuen und pflegen müssen, kann erleichtert werden. Dieser Aufgabe hat sich das Kompetenzzentrum Demenz in Norderstedt verschrieben, das seit nunmehr zehn Jahren besteht.

Sein Aufgabengebiet wächst täglich. Je älter die Bevölkerung wird, desto mehr Menschen leiden an Demenz, sagt Anna Jannes von der Alzheimer-Gesellschaft, die das Kompetenzzentrum betreibt und gegründet hat. Zurzeit gebe es 62.000 demenzkranke Menschen im Land, etwa 5500 im Kreis Segeberg und etwa 1500 in Norderstedt. Bis 2050 soll sich die Zahl der Dementen bundesweit von 1,6 Millionen auf drei Millionen verdoppeln. So wie sie sich bereits in den vergangenen 15 Jahren beinahe verdoppelt hat, als es noch 3000 Demenzkranke im Kreis und 1000 in Norderstedt waren.

Sehr viele der Betroffenen leben noch zu Hause mit ihren Partnern und Angehörigen, von denen sie ver- und umsorgt werden. Die Alzheimergesellschaft bietet für sie seit Jahren Angehörigenkurse an, um sie bei dieser oft aufopfernden Pflege zu unterstützen. Zudem hat der Landesverband zunächst im Hochhaus am Harksheider Markt und nun am Hans-Böckler-Ring eine Art Musterwohnung eingerichtet, in der demonstriert wird, wie der Alltag für die Betroffenen und ihre Angehörigen erleichtert werden kann.

Demenz: Vertrautheit, Farbgestaltung und Beruhigung

Dazu gebe es inzwischen immer mehr Wissen, Möglichkeiten und auch technische Hilfsmittel, erklärt Mitarbeiterin Jannes. Jeder einzelne Fall und Krankheitsverlauf sei speziell und anders, sagt sie. Darum gebe es auch kein Rezept, das für alle Demenzkranken gelte. Jede Hilfsmaßnahme müsse individuell auf die Bedürfnisse des einzelnen zugeschnitten sein. Aber das Kompetenzzentrum biete einen ganzen Strauß an Möglichkeiten, aus dem die Angehörigen für ihre erkrankten Väter, Mütter, Ehepartner oder Großeltern das für sie Passende auswählen oder sich Anregungen holen können.

Da geht es um Farbgestaltung. Demenzkranke können sich bei kontrastreichen Mustern und Farben besser orientieren. Da geht es um Vertrautheit. Das kann der alte Sessel sein, auf dem der Erkrankte viele Jahre gesessen hat und der ihm „ein Gefühl von Sicherheit und Wohlbefinden gibt“, erklärt Anna Jannes. Auch Bilder, Musik und Erlebnisse aus früheren, jüngeren Tagen können dem Betroffenen helfen, sich besser zurechtzufinden, sich an sein Leben und das mit seinen Angehörigen zu erinnern. Auch wenn es nur kurzfristig sei.

Dazu hätten vor allem Anbieter aus skandinavischen Ländern sehr innovative Ideen und Produkte auf den Markt gebracht. Ein Kissen, das wärmt und bei Berührung beruhigende Musik erklingen lässt. Ein Beamer, der die Erkrankten mit Filmen, die an Wand oder Decke geworfen werden, in frühere Zeiten versetzt, als sie sich an einem Ofen wärmten, Feuer machten oder mit ihrem Hund spazieren gingen. Oder ein Computer mit nur einem Knopf, der ganz individuell mit Fotos oder Filmen gespeist werden kann, die in Dauerschleife laufen. Und über den der Angehörige mit einer Smartphone-App jederzeit den Dementen anrufen kann, ohne dass dieser selbst den Hörer abnehmen muss.

Demenz: Technische Neuerungen können Betreuung nicht ersetzen

Technische Hilfsmittel werden im Kompetenzzentrum demonstriert.
Technische Hilfsmittel werden im Kompetenzzentrum demonstriert. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

All diese technischen Neuerungen sind im Kompetenzzentrum bei Führungen zu sehen und auszuprobieren. Sie müssen nicht so teuer sein wie der Beamer für etwa 6000 Euro oder der Ein-Knopf-Computer für etwa 800 Euro. Auch ein Schrank voller Vorschläge zur Anregung der Sinne hilft den allermeisten Patienten, ihre innere Einsamkeit und Unruhe für kurze Zeit zu vergessen. Darin ein Gummiball, der zum Anfassen und Tasten anregt. Das Parfüm, das besonders riecht. Ein bunt beleuchteter Faden, der Aufmerksamkeit erregt. Eine Rassel, die ein vertrautes Geräusch erzeugt, oder das Stofftier, das an die geliebte Hauskatze erinnert.

„Ein an Demenz erkrankter Mensch kann sich nicht allein beschäftigen“, sagt Anna Jannes. Alle Hilfsmittel, die hier nur gezeigt und nicht verkauft werden, seien dazu da, Erleichterung und Wohlbehagen zu schaffen, indem sie Sinne oder Gehirnregionen anregen, die noch intakt sind. „Sie ersetzen die Pflege und Betreuung nicht.“

Demenz: Vieles an der Alterskrankheit noch unerforscht

Neben den Führungen durch die Musterwohnung bietet das Kompetenzzentrum auch regelmäßige mobile Beratungen an. Zusammen mit der Landwirtschaftskammer hat es ein Projekt mit 16 Bauernhöfen aufgebaut, in dem demenzkranke Menschen Tiere streicheln und beim Melken zusehen können. Mit der Musikschule in Neumünster ist das Chorprojekt „die Herbstzeitlosen“ entstanden, bei dem die Demenzkranken vertraute Lieder aus ihrer Kindheit singen. Auch spezielle Wanderungen durch die Natur, Beratung von Migranten, Sprachförderung und Schulungen von Angehörigen, Pflegekräften und Kooperationspartnern gehören zum großen Angebot und Netzwerk.

Noch vieles sei unerforscht an dieser Alterskrankheit, sagt Anna Jannes. Aber wer sich viel bewege, spazieren gehe, sein Gedächtnis trainiere, ein Hobby ausübe, soziale Kontakte pflege und sich gesund ernähre, könnte zumindest sein Risiko, daran zu erkranken, senken.