Norderstedt. Anwohner des Eschenkamps fühlen sich vom Vonovia-Konzern im Stich gelassen. Der gelobt nach vier Wochen endlich Besserung.

Mit der Übernahme der Deutschen Wohnen, die das Kartellamt bereits genehmigt hat, wird der Vonovia-Konzern mit Sitz in Bochum bald mit einer halben Million Wohnungen der größte Vermieter in Deutschland sein. Auch in der Stadt Norderstedt gehören dem Unternehmen immerhin 779 Wohnungen.

Dass Größe nicht unbedingt mit Service und Qualität gleichzusetzen ist, mussten jetzt einige Mieter am Norderstedter Eschenkamp erfahren: Seit einem Monat haben sie keine Gasversorgung mehr und können nicht mehr kochen; die Warmwasserversorgung ist nicht betroffen.

„Ich bin auf 180. Ich bin richtig in Rage“, ärgert sich Mieterin Melanie Clausen. „Ich kann seit Wochen für meine Kinder nicht mehr richtig kochen.“ Vermieter Vonovia entschuldigt sich über die Abendblatt-Anfrage bei seinen Mietern für die Unannehmlichkeiten und gelobt baldige Erneuerung der Gasleitung. Die Mieter hatten zuvor wochenlang nichts vom Vermieter gehört.

Techniker der Stadtwerke fand mehrere undichte Stellen

Angefangen hat das Malheur Mitte Juni. Mieter Holger Schubbert stellte eines Morgens plötzlich unangenehmen Gasgeruch in seiner 2,5-Zimmer-Wohnung fest, in der er seit fünf Jahren lebt. „Ich dachte sofort, das geht doch gar nicht. Das ist ja richtig gefährlich“, sagt der 44-Jährige, der sofort die Norderstedter Stadtwerke alarmierte. Ein Hinweisschild an seinem Gaszähler fordert „bei Gasgeruch“ ausdrücklich dazu auf, sofort die Notrufnummer 52104-112 bei Tag und Nacht anzurufen, die Fenster zu öffnen und bloß keine Lichtschalter oder Feuerzeuge anzumachen.

Das Hinweisschild der Norderstedter Stadtwerke mit der Notrufnummer.
Das Hinweisschild der Norderstedter Stadtwerke mit der Notrufnummer. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Ein Service-Mitarbeiter der Stadtwerke sei auch schnell gekommen und habe ihm gesagt, dass er genau richtig gehandelt habe, berichtet Schubbert.

„Oh, oh, oh, das Gerät schlägt ja ordentlich aus“, habe der Techniker gestaunt, als er an den Gasleitungen im Haus mehrere undichte Stellen am Gaszähler, im Keller und an den Steigleitungen feststellte. Daraufhin sperrte der Stadtwerke-Mitarbeiter den Haupthahn der Gasversorgung „aus Sicherheitsgründen“, heißt es auf einem knallroten Schild daneben. „Die Plombe darf nur nach Beseitigung des Mangels vom Vertragsinstallateur entfernt werden“, lautet eine weitere Warnung.

Anlage hat mehrere Mängel, ist „nicht gebrauchsfähig“

Stadtwerke-Sprecher Oliver Weiß bestätigt auf Nachfrage dieses Vorgehen: „Die Hausanlage im Eschenkamp weist Mängel auf, aufgrund derer wir den Hausanschluss außer Betrieb nehmen mussten. Sobald diese vom Betreiber behoben wurden, können wir die Anlage wieder in Betrieb nehmen. Bisher ist dies nicht der Fall.“

Auf dem „Störungsprotokoll Gas“, das dem Abendblatt in Kopie vorliegt, notierte der Stadtwerke-Mitarbeiter noch, wo genau er „mehrere Undichtigkeiten“ festgestellt habe und dass er die „Anlage gesperrt“ habe. Zudem kreuzte er auf dem Mängelbericht an, dass die Anlage „nicht gebrauchsfähig“ und „aus sicherheitstechnischen Gründen gesperrt“ sei und durch ein ausgewiesenes Fachunternehmen „instand gesetzt werden muss“.

Vonovia sagt, das Problem sei intern als erledigt abgehakt

Noch am selben Tag hat Mieter Schubbert den Vermieter Vonovia per Fax auf diese gravierenden Mängel hingewiesen, dass die „Gasleitung undicht“ und sein „Gasherd nicht benutzbar“ sei. Er bitte darum, diesen Schaden bis zum 30. Juni zu beheben, schrieb er an Vonovia.

Gehört habe er seitdem nichts von seinem Vermieter. Als er dort in der Bochumer Zentrale nachfragte, bekam er nur die Antwort, das Problem sei intern als erledigt abgehakt. Doch das sei mitnichten der Fall, ärgert sich Mieter Schubbert. „Die Gasleitung ist noch nicht wieder intakt.“

Melanie Clausen mit ihren beiden Kindern Anastasia und Nikita Alexej.
Melanie Clausen mit ihren beiden Kindern Anastasia und Nikita Alexej. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Auch die anderen Mieter in dem Haus ohne Gasversorgung sind genervt. „Ein Monat ist vergangenen, ohne dass ich für meine Kinder kochen kann. Das ist untragbar“, schimpft Melanie Clausen, die mit ihren Beschwerden ebenfalls beim Vermieter nicht durchgekommen sei. Erst vor wenigen Tagen erfuhr sie von der Hausverwaltung, dass die Gasleitung bald repariert werden solle.

Bewohner können nicht kochen, müssen Alternativen finden

„Dass wir wochenlang praktisch keine Informationen dazu vom Vermieter erhalten haben, ist nicht in Ordnung“, findet sie. Mit ihren Kindern sei sie jetzt häufiger bei der Großmutter in Henstedt-Ulzburg, damit sie dort zumindest wieder etwas Ordentliches zu essen bekommen. „Der Backofen geht ja auch nicht, und ständig Pizza bestellen, das kann ich auch nicht“, klagt sie.

Auch ihr Nachbar Mahmut Asif fragt sich: „Wann haben wir endlich wieder Gas zum Kochen?“ Und Safai Abdul Jalil sagt, dass das elektrische Kochgerät, das er sich für seine dreiköpfige Familie ersatzweise beschafft habe, keine gute Alternative sei: „Allein das Eierkochen dauert drei Stunden.“

Auch Mieter Schubbert hat sich einen kleinen E-Herd mit zwei Kochplatten besorgt. „Ich muss ja für meine Tochter etwas Warmes zu essen auf dem Tisch haben.“

Reparatur verzögert, weil Schaden größer als angenommen

Vonovia-Sprecherin Panagiota-Johanna Alexiou sagt zu dem Gasschaden im Mehrfamilienhaus am Eschenkamp: „Nach Feststellung der undichten Stellen in den Gasleitungen sind wir direkt tätig geworden und haben ein Angebot zur Behebung der Schäden eingeholt. Leider hatte sich die Reparatur verzögert, weil der Schaden doch größer war als zunächst angenommen, und es Verzögerungen in unseren Abläufen gab.“

Im Keller des Hauses haben die Stadtwerke aus Sicherheitsgründen das Hauptrohr zur Gasleitung abgeschaltet.
Im Keller des Hauses haben die Stadtwerke aus Sicherheitsgründen das Hauptrohr zur Gasleitung abgeschaltet. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Voraussichtlich in der nächsten Woche sollen die neuen Gasleitungen eingebaut werden, kündigt sie an. „Die Kolleginnen und Kollegen vor Ort arbeiten mit Hochdruck daran, dass wir die Arbeiten schnell abschließen können. Bei unseren Mieterinnen und Mietern entschuldigen wir uns für die Verzögerungen – auch wir möchten, dass sie ihre Küchen wieder wie gewohnt nutzen können.“

Um die Zeit bis dahin zu überbrücken, statte Vonovia die Mieter jetzt ersatzweise mit Elektrokochgeräten aus, sagt Panagiota-Johanna Alexiou und verspricht: „Selbstverständlich erhalten sie nach Abschluss aller Arbeiten eine angemessene Mietminderung.“