Norderstedt. An diesem Sonnabend empfängt der Regionalligist im DFB-Pokal Zweitligist Hannover 96 – und rechnet sich durchaus Chancen aus.

Der 13. August 2017, ungefähr 16.45 Uhr im Edmund-Plambeck-Stadion – bei vielen im Umfeld von Eintracht Norderstedt ist dieser Moment immer noch im Gedächtnis. Es lief die 57. Minute des DFB-Pokal-Spiels gegen den VfL Wolfsburg, als Philipp Koch beim Stand von 0:0 zum Freistoß antrat, diesen über die Mauer schlenzte – und der Ball vom Pfosten zurückprallte. Der Rest ist bekannt: 120 Sekunden später gelang dem Bundesligisten das einzige Tor des Tages, die Eintracht verlor sehr unglücklich. Näher an einer Sensation waren die Garstedter Fußballer nie. Als der Club im letzten Jahr – coronabedingt auswärts – bei Bayer 04 Leverkusen spielte, hatte die Mannschaft vom Anpfiff weg nicht den Hauch einer Chance, das Ergebnis (0:7) war letztlich noch schmeichelhaft.

Die Heimfans sollen das Eintracht-Team beflügeln

An diesem Sonnabend, gegen Zweitligist Hannover 96 (Anstoß: 15.30 Uhr), soll es anders laufen. Und Trainer Jens Martens ist ziemlich guter Dinge, dass Norderstedt konkurrenzfähig sein kann. „Wir haben andere Rahmenbedingungen, spielen hier zu Hause. Und die Profimannschaft wird uns diesmal nicht so überlegen sein wie Leverkusen in den ersten 30 Minuten. Da standen damals 18 Nationalspieler auf dem Spielbogen.“

Der 65-Jährige geht davon, dass sein Team mit mehr Selbstbewusstsein antreten werde. „Wir haben den heimischen Grund, die heimischen Zuschauer, auch wenn es nicht so viele sind.“ Wenn die Familie, die Freundin oder die Kumpels im Publikum sitzen, es vielleicht hin und wieder Blickkontakt gibt, das soll beflügeln. „Ganz bestimmt. In Leverkusen waren wir ja auf uns allein gestellt.“

745 Zuschauer hat der Infektionsschutz letztlich genehmigt, sie sitzen auf der überdachten Tribüne oder stehen mit Abstand in den weiteren Blöcken. Es ist ausverkauft. Gerne hätte der Verein mehr Fans hineingelassen, am besten mit einem „3 G“-Konzept, doch das war hier nicht möglich. Anders übrigens als beim SC Weiche Flensburg 08, die gegen Holstein Kiel 1700 Zuschauer haben werden – alle geimpft, genesen oder getestet, es gibt dort aber nur Sitzplätze.

Eintracht-Präsident Reenald Koch mag das nicht mehr bewerten: „Flensburg ist eine kreisfreie Stadt, die haben einen eigenen Infektionsschutz. Ich hatte angefragt, aber leider hat es der Kreis Segeberg nicht erlaubt.“ Er ist überzeugt: „Ohne Corona wäre ausverkauft. Definitiv.“

Der Vereinschef war seinerzeit nach dem Leverkusen-Match sauer, weil man sich dem Favoriten zu sehr ergeben hatte. Vor dem vierten DFB-Pokal-Spiel seit Gründung der Eintracht im Jahr 2003 gibt er sich zurückhaltend. „Wenn wir das Spiel gewinnen wollen, muss Hannover einen sehr schlechten und wir einen sehr guten Tag haben. Wir brauchen einen richtig guten Torwart und ein bisschen Glück. Wenn das alles zusammenkommt, kann man so eine Mannschaft schlagen.“

Vermutlich wird Jens Martens bei der Aufstellung weitestgehend auf die Startelf setzen, die zuletzt im Lotto-Pokal beim Niendorfer TSV begann. „Die Härtefälle werden sich in Grenzen halten.“ Zwei, drei Positionen seien aus taktischen Gründen noch offen. Normalerweise sind Außenverteidiger Rico Bork und Flügelstürmer Nils Brüning – Schütze des 2:1-Siegtores in Niendorf – Alternativen für einen Einsatz von Beginn an. Der zuletzt mit einer Muskelverletzung ausgefallene Innenverteidiger Yannik Nuxoll könnte zumindest wieder auf der Bank sitzen.

Ausführliche Videoanalysen sollen Stärken und Schwächen der Hannoveraner aufzeigen. „In der zweiten Halbzeit in Bremen haben die richtig gut gespielt. Gegen Rostock war es andersherum, da hat es Hansa geschafft, ihnen mit Zweikampfhärte und Disziplin den Schneid abzukaufen.“ Für robuste Defensivarbeit ist die Eintracht jedoch nicht bekannt, zumal der etatmäßige zentrale defensive Mittelfeldmann Evans Nyarko ausfällt.

„Wir können nicht mauern. Das kann und will die Mannschaft nicht, wir können es ihr nicht vermitteln. Und ich als Trainer war auch immer für Offensivfußball. Wir werden eine Mitte finden, das eigene Tor zu verteidigen, aber auch Akzente nach vorne zu setzen.“ Er fordert Mut. „Gerade die Offensivspieler – ich werde einem Elias Saad nicht sagen, dass er kein Dribbling machen kann. Im Gegenteil: Das ist seine Stärke.“

Der Zweitligist wird mit seiner Top-Elf spielen

Sein 96-Kollege Jan Zimmermann, selbst jahrelang Regionalligatrainer mit Germania Egestorf-Langreder und dem TSV Havelse, kündigte in der Pressekonferenz bereits an, „mit der bestmöglichen Mannschaft“ zu spielen. Man werde Norderstedt mit Sicherheit nicht unterschätzen. „Wenn es ein unangenehmes Spiel wird, müssen wir trotzdem in der Lage sein, es für uns zu entscheiden.“ Der 41-Jährige wurde sogar gefragt, ob sich seine Angreifer in Norderstedt nicht „einschießen“ könnten. Zimmermann entgegnete, dass Hannover zwar die Qualität habe für einen klaren Sieg. „Aber wir müssen den Gegner erst einmal bearbeiten, bevor wir darüber nachdenken, wie viele Tore wir schießen.“

Übrigens haben die Niedersachsen in der 2. Bundesliga schon drei Gegentreffer nach Standardsituationen kassiert. Womit wir wieder bei der Freistoßchance von Philipp Koch vor vier Jahren wären. „Sonntagsschuss“ heißt passenderweise die Stadionzeitung. Und Coach Martens deutete an, dass man die ruhenden Bälle „extra trainiert“ habe. „Lasst uns mal einen Sahnetag haben und dann - wer weiß...“

Der Bezahlsender Sky überträgt die Partie live (Sky Sport 10 HD), die Übertragung beginnt um 15.15 Uhr. Highlights zeigt die ARD-Sportschau in der Sendung ab 18 Uhr.