Kreis Segeberg. Schleswig-Holsteins Verkehrsminister spricht im Interview über regionale Bahnverbindungen im Kreis Segeberg und die A 20.

Mit dem Wachstum der Metropolregion Hamburg nimmt auch die Bedeutung des Verkehrs weiter zu. Viele Projekte im Kreis Segeberg kommen seit Jahren nicht voran. Das Hamburger Abendblatt hat darüber mit Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) gesprochen.

Hamburger Abendblatt: Norderstedts Oberbürgermeisterin möchte für 100 Millionen Euro die U-Bahn von Norderstedt-Mitte nach Henstedt-Ulzburg verlängern, die AKN plant dagegen eine neue und schnelle Eisenbahnverbindung von Norderstedt nach Neumünster ohne zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur. Welche Variante favorisiert das Land?

Bernd Buchholz: Wir bevorzugen einen Ausbau der Strecke mit längeren Bahnsteigen, was zugleich den Einsatz von doppelt so vielen Wagen wie derzeit auf der AKN-Linie ermöglicht. Zusätzlich wäre eine stündlich verkehrende Expresszug-Verbindung zwischen Norderstedt und Neumünster und perspektivisch sogar eine Weiterführung nach Kiel denkbar. Unser Ziel ist es, mit der Bereitstellung von mehr Kapazitäten und der Verringerung von Reisezeiten den Nahverkehr in der Region insgesamt attraktiver zu machen. Die Aufnahme der Planungen für den Expresszug bedarf allerdings noch der Zustimmung der Parlamente.

Wann sind Modernisierungen auf der AKN-Linie von Norderstedt nach Ulzburg-Süd zu erwarten? Noch fahren dort fast 40 Jahre alte Dieseltriebwagen, die weder barrierefrei sind noch über Klimaanlagen verfügen.

Buchholz: Wenn – wie geplant – Ende 2025 die S-Bahn nach Kaltenkirchen fährt, dann werden die modernen Dieseltriebwagen vom Typ LINT 54 frei, die dann zwischen Norderstedt, Kaltenkirchen und Neumünster zum Einsatz kommen. Sie sind barrierefrei und verfügen über Klimaanlagen.

Die Menschen in Bad Bramstedt und den umliegenden Gemeinden beklagen, dass die AKN zu selten fährt. Wann dürfen sie mit einem dichteren Takt im Fahrplan rechnen?

Buchholz: Es existiert ab Bad Bramstedt bereits heute ein sehr gutes Angebot in Form eines Stundentakts, der in der Hauptverkehrszeit durch zusätzliche Fahrten verdichtet wird. Die Inbetriebnahme der S21 nach Kaltenkirchen böte Chancen, die Verkehre auf dem Netz der AKN neu zu ordnen. Ab Bad Bramstedt könnte nach Inbetriebnahme der S21 bis Kaltenkirchen auch das Angebot der AKN verdichtet werden. Wie gesagt: Es gibt Überlegungen, von Bad Bramstedt neben dem stündlich überall haltenden Grundangebot auch einen Expressszug einzuführen.

Immer wieder kommt es bei der Planung der S-Bahn nach Kaltenkirchen zu weiteren Verzögerungen. Wo liegt das Problem?

Buchholz: Vor allem die Umplanungen im Bereich Ellerau haben den Ablauf des Planfeststellungsverfahrens in Schleswig-Holstein verzögert.

Wann fährt die erste S-Bahn auf der Strecke?

Buchholz: Die Inbetriebnahmne der S 21 erwarten wir für Ende 2025.

Auch die Planungen bei der Autobahn 20 stocken immer wieder. Wie ist der aktuelle Stand?

Buchholz: Die A 20 wird von der Projektgesellschaft Deges im Auftrag der Autobahn GmbH des Bundes geplant. Erstes Baurecht erwarten wir im kommenden Jahr im Bereich des geplanten Elbtunnels. Im Abschnitt rund um Bad Segeberg, wo seit Jahren bereits am Fledermaus-Schutz nachgebessert wird, sollen die vom Bundesverwaltungsgericht 2013 kassierten Pläne Mitte dieses Jahres neu ausgelegt werden. Für den ebenfalls vom Gericht gerügten Planfeststellungsbeschluss für den Bereich zwischen Segeberg und der A 7 soll die sogenannte Planergänzung im kommenden Jahr erfolgen. Entscheidend ist, dass mit der Planung die verkehrlichen Ziele der A 20 ebenso erreicht werden wie die besonderen umweltfachlichen Anforderungen. Denn unstreitig ist: Die A 20 ist unter ökologischen Aspekten aktuell das anspruchsvollste Infrastrukturprojekt bundesweit. Leider ist es nicht gelungen, die Naturschutzverbände bei der Planung mit an den Tisch zu bekommen, weil sie fürchten, sich damit ihre Klage-Chancen zu verbauen.

S-Bahn nach Kaltenkirchen, A 20 – hat das Land ein Planungsproblem?

Buchholz: Nein, nicht das Land hat ein Planungsproblem, sondern Deutschland insgesamt. Die Umsetzung von Infrastrukturvorhaben läuft äußerst schleppend, weil unzählige Schleifen gedreht werden müssen, um etwa Planfeststellungsunterlagen rechtssicher zu machen. Selbst kleinere Maßnahmen, wie etwa die Elektrifizierung der Bahnstrecke nach Kaltenkirchen, erfordern eine kaum vorstellbare Flut von Unterlagen wie Gutachten. Das ist auch in Berlin längst angekommen – und darum bemühen wir uns auch auf Länderebene intensiv, ein neues Planungsrecht auf den Weg zu bringen, bei dem etwa Umweltverbände aktiv in die Planungen mit einbezogen werden, später dann aber nicht pauschal alles wieder erneut beklagen können.

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Der Bund hat Zuschüsse für die Elektrifizierung von Eisenbahnstrecken bewilligt, die Nordbahn-Linie von Bad Oldesloe über Bad Segeberg nach Neumünster wurde jedoch nicht berücksichtigt. Woran ist das Projekt gescheitert?

Buchholz: Die Entscheidung ist für mich in der Tat nicht nachvollziehbar und falsch. Die Strecke zwischen Hamburg, Elmshorn und Neumünster ist ein Flaschenhals des Schienengüterverkehrs von Skandinavien nach Mitteleuropa. Wenn es hier zu komplexeren Problemen kommt – und dazu kommt es bedauerlicherweise immer mal wieder – dann fährt kein Güterzug mehr. Für diese Fälle brauchen wir im Land dringend eine Ausweichstrecke. Der Bund hat in einem ersten Schritt für ein Programm „Elektrische Güterbahn“ Strecken ausgewählt, die eine besondere Bedeutung für den Güterverkehr haben. Dazu können auch Strecken gehören, die die Resilienz des Systems fördern, indem sie bei Streckensperrungen als Ausweichrouten genutzt werden können. Dies wird zwischen Neumünster und Bad Oldesloe bereits heute zeitweise praktiziert, allerdings mit Dieselloks, die im Fall einer Streckensperrung beispielsweise zwischen Neumünster und Elmshorn aber erst einmal aus anderen Teilen Deutschlands herangebracht werden müssen und zusätzlich ein Umspannen der Züge in Neumünster und Hamburg erfordern. Die Elektrifizierung der Strecke hätte viele Vorteile. Gescheitert ist das Projekt an einer zu niedrigen Streckenklasse, die die Strecke derzeit offenbar nicht vollumfänglich nutzbar für alle Güterzüge macht. Dass dieses Kriterium so entscheidend ist, wurde vom Bund nicht kommuniziert. Das Erlangen einer anderen Streckenklasse wäre vermutlich mit geringen Kosten möglich.

Das Land will verstärkt Züge mit Akkus auf Strecken einsetzen, die nicht elektrifiziert sind. Fahren auf den AKN-Linien und der Nordbahn künftig Triebwagen mit Speicherstrom?

Buchholz: Die neuen Akku-Züge werden ab Ende 2023 auf den Nordbahnstrecken zwischen Neumünster und Bad Oldesloe und Neumünster und Heide eingesetzt. Wie sich langfristig der Fahrzeugeinsatz auf den verbliebenen AKN-Strecken gestaltet, ist heute noch nicht zu sagen, Möglichkeiten werden geprüft. Moderne Mobilitätsangebote sollten emissionsarme Technologien nutzen. Vieles spricht daher dafür, dass über kurz oder lang elektrische Züge auch auf den verbliebenen AKN-Strecken zum Einsatz kommen.