Henstedt-Ulzburg. Roza Saribekjan floh aus Charkiw – nur mit einem alten Ausweis in Kyrillisch. In Henstedt-Ulzburg wurde der nicht akzeptiert.

Ein Dokument, das zwar offiziell ist, aber von niemandem gelesen werden kann, ist zunächst einmal wenig wert. Diese Erfahrung hat die Ukrainerin Roza Saribekjan in den letzten Tagen machen müssen. Die 36 Jahre alte promovierte Neuropathologin stammt aus Charkiw, sie ist mit ihren Zwillingstöchtern Rozalina und Monika (9) geflohen, während ihr Mann Suren („Er kämpft“) zurückgeblieben ist. Über Dnipro, Lemberg, Warschau, Frankfurt/Oder und Hamburg sind sie in Henstedt-Ulzburg gelandet. „Meine Frau und ich hatten bei uns im Reihenhaus zwei Zimmer frei“, sagt Holger Kurz. Der Kontakt sei über die Jüdische Gemeinde in Bad Segeberg zustande gekommen.

Möglichst schnell wollte Saribekjan sich bei den Behörden melden: Den Asylantrag in Bad Segeberg bei der Ausländerbehörde stellen, parallel sich in Henstedt-Ulzburg beim Einwohnermeldeamt registrieren. Dafür hätte sie zwar drei Monate Zeit gehabt, doch wer möchte, kann dies eben sofort tun. Und die Verwaltungen wollen ja auch wissen, wer neu in einen Ort gekommen ist. Doch im Rathaus der Gemeinde wurde es dann kompliziert. „Ich hatte einen alten ukrainischen Pass. Sie wollten meine Dokumente nicht akzeptieren.“

Denn der Ausweis ist in kyrillischer Schrift, dazu handgeschrieben. Ihren biometrischen Pass hatte sie in der Hektik zurücklassen müssen. Holger Kurz begleitete sie auf das Amt. „Wir dürfen das nicht annehmen“, das sei ihnen gesagt wurden. Er verstand das nicht. „Sie ist mit dem Pass doch in die EU eingereist. Er ist unbegrenzt gültig. Die waren im Rathaus nicht vorbereitet darauf, dass jemand mit einem handgeschriebenen Pass kommt.“

Und eine Arbeitsgenehmigung, dazu die finanzielle Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, genauso der Schulbesuch der Kinder, all das benötigt eben eine Meldebestätigung.

Eine Übersetzung war vor Ort nicht möglich. Sie fuhren zur Ausländerbehörde nach Bad Segeberg. „Den Asylantrag können Sie hier stellen“, teilte ein Sachbearbeiter mit. Aber die Meldung könne nur die Gemeinde Henstedt-Ulzburg vornehmen. Dort blieb man hart: Saribekjan müsse dann eben ins Hamburger Generalkonsulat, sich ihre Identität beglaubigen und übersetzen lassen.

Die Gastfamilie bezahlte die Übersetzung selbst

Sachlich entspricht das durchaus der üblichen Praxis. „Sollten Urkunden nicht lesbar oder identifizierbar sein, können sich die Personen an ihre zuständigen Auslandsvertretungen im Bundesgebiet wenden, zum Beispiel das Generalkonsulat in Hamburg“, teilt etwa der Kreis auf Nachfrage mit. Ähnlich verfährt auch Norderstedt, das im Vergleich kreisweit die meisten Geflüchteten aufnimmt. Meist seien es kleine Kinder oder Senioren, die keinen biometrischen, also maschinenlesbaren Pass hätten, so Fabian Schindler, Sprecher der Stadtverwaltung. „Wir reden hier von einer wirklich kleinen Zahl von Ausweisdokumenten.“ Auch Norderstedt verweist dann an das Generalkonsulat.

Holger Kurz findet das falsch. „Ich würde der Verwaltung raten, Dolmetscher einzukaufen, das alles hier zu machen. Aus meiner Sicht müssen das die Rathäuser leisten. Das nützt doch nichts, wenn wir das auf zig Stationen verteilen. Es geht darum, Menschen, die Hilfe brauchen, ein bisschen Ruhe zu geben.“ Er hat privat eine Übersetzerin gefunden, die Roza Saribekjans Pass beglaubigt vom Russischen ins Deutsche übertragen hat. Kurz hat die Kosten selbst übernommen. Und tatsächlich: Diese Möglichkeit wurde dann vom Einwohnermeldeamt akzeptiert, sodass am Freitagvormittag zunächst die Meldebestätigung erfolgen konnte und auch das Sozialamt nun den Antrag bearbeitet.

Die Zwillinge von Roza Saribekjan könnten bald die Grundschule Ulzburg besuchen – nur die Bestätigung über eine Masern-Impfung durch eine Titerbestimmung fehlt noch. Denn die Impfausweise sind ebenso in der Ukraine geblieben. Und die Mutter? Am liebsten würde sie in ein paar Monaten nach Charkiw zurück. „Wenn ich bleiben muss, möchte ich natürlich in meinem Beruf arbeiten.“ Eine Möglichkeit hat sich bereits aufgetan, berichtet Holger Kurz: „Ein Kinderarzt hier würde sie sofort einstellen.“