Kreis Segeberg/Mittelerde. Tolkien-Fans behaupten, dass der Landstrich Teil von Mittelerde ist. Doch auch im Kreis Segeberg ist das Auenland zu finden.
Der Name deutet auf einen beschaulichen Landstrich hin, der von kleinen Gewässern durchzogen wird und mutmaßlich irgendwo im Norden liegt. Angeblich benötigt man, um von Westen bis an den Fluss Brandywein im Osten zu gelangen, etwa 40 Wegstunden (gute 200 Kilometer), und um den Landstrich von Süden nach Norden zu durchqueren, würde man etwa 50 Wegstunden (ca. 250 Kilometer) benötigen.
Gemeint ist das sagenumwobene Auenland, das der Schriftsteller J. R. R. Tolkien (1892-1973) in „Der Herr der Ringe“ beschrieben hat und das die Heimat der Hobbits ist. Die Landschaft ist hügelig, hier und da benetzt durch lichte Wälder und gesegnet mit fruchtbarem Ackerboden. Doch liegt dieser geheimnisvolle Ort wirklich in Mittelerde, wie Tolkien in seinem Buch, das seit Mitte der 50er-Jahre 150 Millionen Mal verkauft wurde, behauptet?
Im Kreis Segeberg gibt es das Auenland gleich zweimal
Fakt ist: Im Kreis Segeberg gibt es das Auenland mittlerweile gleich zweimal – und das in nächster Nachbarschaft. Das eine Auenland umfasst seit Jahren die Aktivregion Holsteiner Auenland in der Gegend von Bad Bramstedt und Kellinghusen. Ende des Jahres kommt nun voraussichtlich das Amt Auenland-Südholstein hinzu, das heute noch Amt Kaltenkirchen-Land heißt.
Der Amtsbereich mit der gemeinsamen Verwaltung der Dörfer Alveslohe, Hartenholm, Hasenmoor, Lentföhrden, Nützen und Schmalfeld und insgesamt 11.000 Einwohnern ist nicht identisch mit der Aktivregion, weder flächenmäßig noch in seiner Funktion. Auf die Idee einer Umbenennung kam das höchste Gremium des Amts, der Amtsausschuss, als feststand, dass die Verwaltung nach jahrelanger Enge und gravierenden baulichen Mängeln zu Beginn des Jahres 2022 in ein neues Gebäude umziehen kann.
Nur 70 Bürger beteiligten sich an der Befragung
Dann wird die Arbeit nicht mehr in Kaltenkirchen erledigt, das wie Bad Bramstedt einem Amt seinen Namen gab, ohne dazuzugehören. Der neue Standort liegt neben dem Versandhändler Amazon und der Autobahnmeisterei in Nützen, also in einer amtsangehörigen Gemeinde.
Damit lag es für den Amtsausschuss nahe, sich von dem „Kaltenkirchen“ im Namen zu verabschieden und darüber zu sinnieren, wie eine neue Bezeichnung lauten könnte. Der Entschluss lautete, dass die Bürger darüber entscheiden sollen. Alle 11.000 wurden angeschrieben und um Vorschläge gebeten. „Wir waren offen für alles und haben keine Vorschläge gemacht“, sagt Karsten Kohlmorgen von der sich noch in Kaltenkirchen befindenden Amtsverwaltung.
Das Ergebnis war ernüchternd: Gerade mal 70 Bürgern war die Namensfindung eine Antwort wert. Eine Mehrheit votierte für Auenland. Wie viele es genau waren, vermag Kohlmorgen nicht zu sagen. Sicher ist: „Es waren mehrere. Die Mehrheit hat entschieden.“ Einige Bürger sollen auch den nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag Brakel-Land notiert haben, der sich auf Nützens engagierten Bürgermeister Klaus Brakel bezieht und vermutlich als besondere Ehrung oder Verhohnepiepelung gemeint war.
92.000 Menschen leben im Holsteiner Auenland
Doch Brakel-Land setzte sich ebenso wenig durch wie Auenland ohne erläuternden Zusatz. Das Innenministerium in Kiel musste das Votum des Bürgers genehmigen und befand, der Begriff Auenland sei zu unspezifisch und könne zu Verwechslungen führen. Das Amt legte mit dem Vorschlag Auenland-Südholstein nach und wartet jetzt, ob das Ministerium damit einverstanden ist.
Dass die Umbenennung, die anscheinend kaum einen Bürger interessiert, auch Geld kosten könnte, wurde offenbar bislang nicht bedacht. „Das hat noch keiner ausgerechnet“, sagt Kohlmorgen. Er geht jedoch davon aus, dass die Beträge sehr überschaubar sein werden, weil die Verwaltung weitgehend elektronisch arbeite und damit beispielsweise auf neue Briefbögen verzichten könne. Außerdem will man weiterhin das alte Wappen nutzen.
Dass jetzt im Süden Holsteins zwei Auenländer nebeneinander existieren, dürfte in der gleichnamigen Aktivregion für Verwunderung sorgen. Das Holsteiner Auenland umfasst auf einer Fläche von 800 Quadratkilometern den östlichen Teil des Kreises Steinburg, den nördlichen des Kreises Pinneberg und den nordwestlichen Kreis Segeberg einschließlich der Segeberger Heide. Dort leben insgesamt 92.000 Menschen.
Gasthof Auenland war früher ein Publikumsmagnet
Die Aktivregion ist als Verein organisiert, versucht sich unter einer gemeinsamen Marke zu vermarkten und fördert mit EU-Mitteln ländliche Infrastrukturprojekte in Tourismus und Landwirtschaft. Auch die Aktivregion hat eine Namensänderung hinter sich. Früher hieß sie „Holsteins Herz“. Ebenfalls ein Name, der allzu beliebig erschien. Auch die Stadt Kaltenkirchen, der Namensgeber des neuen Amtes, will sich demnächst der Aktivregion anschließen.
Übrigens gibt beziehungsweise gab es im Kreis noch ein weiteres Auenland: Ältere Bewohner aus der Region werden sich an den Gasthof mit diesem Namen erinnern, der zwischen 1977 und 1987 einen Hauch von Woodstock nach Sülfeld holte und Fans aus ganz Norddeutschland anzog.
Ein weiteres Auenland ist Jahrtausende alt und wurde erst 1996 entdeckt. Dabei handelt es sich um den hintersten Teil der Riesending-Schachthöhle bei Berchtesgaden in rund 950 Metern Tiefe.