Norderstedt. In der Diskussion über Sanierung des Rathausmarktes melden sich die zu Wort, die für Planung und Gestaltung verantwortlich waren.

Die politische Entscheidung ist noch nicht gefallen. Erst Ende April, Anfang Mai beraten die Gremien darüber, ob das kleinteilige Granitpflaster auf dem Norderstedter Rathausplatz für eine Viertelmillion Euro durch ein farb- und musterloses Rechteckpflaster ausgetauscht werden soll. Damit soll das zurzeit holperige und löchrige Kleinsteinpflaster verschwinden und der Platz begehbar gemacht, „in einen akzeptablen Zustand versetzt werden“, begründet die Verwaltung ihren Vorschlag.

CDU und FDP haben sich bereits gegen eine solche provisorische Maßnahme ausgesprochen, wenn kurz darauf ohnehin der gesamte Rathausplatz neu gestaltet werden soll. CDU-Fraktionschef Peter Holle sagt: „Jetzt haben wir 50 Jahre mit dem Marktplatz in dieser Form gelebt. Da sehe ich keinen Sinn darin, für zwei Jahre diese Hauruck-Aktion zu realisieren.“ (siehe Artikel rechts)

Jetzt melden sich zwei Beteiligte, die die sich grundsätzlich gegen den Austausch des Kleinsteinpflasters auf dem 65 mal 35 Meter großen Platz vor dem Rathaus aussprechen. „Norderstedt würde mit dem Rathauspflaster sein historisches Erbe verlieren“, sagt Walter Thomsen, ehemaliger Leiter des Hochbauamtes der Stadt Norderstedt, inzwischen 90 Jahre alt. „Ich habe kein Verständnis dafür. Jede andere Stadt ist stolz auf ihre Altstadt und versucht, sie zu erhalten.“ Thomsen war es, der den 1984 fertiggestellten Rathausbau fachlich geleitet hat.

Und auch das ehemalige Garten- und Landschaftsarchitekturbüro Hess, das den Rathausplatz mit dem Brunnen und seinen Pavillons damals gestaltet hat, lehnt diese Sanierungspläne der Stadt entschieden ab. „Norderstedt ist so arm an sichtbarer Historie. Nun beseitige man bitte nicht auch noch die wenigen Reste“, appelliert Ernst-Dietmar Hess, der Gestalter des Rathausplatzes, an die heutigen Entscheidungsträger.

Wer nicht über den Rathausplatz laufen kann, könne doch die flachgepflasterten Flächen entlang der Rathausarkaden nutzen, sagt Walter Thomsen.
Wer nicht über den Rathausplatz laufen kann, könne doch die flachgepflasterten Flächen entlang der Rathausarkaden nutzen, sagt Walter Thomsen. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Der Oberamtsrat im Ruhestand, Thomsen, der von 1970 bis 1993 das Hochbauamt der Stadt Norderstedt geleitet hat, erinnert daran, warum überhaupt damals das Kleinsteinpflaster auf den Marktplatz kam. „Das ist das historische Pflaster der Straße Ochsenzoll in Garstedt“, erklärt er. Das sei noch vor der Stadtgründung Norderstedts in den 1960er-Jahren abgetragen und durch eine Asphaltdecke ersetzt worden. Das historische Pflaster sei aber von der Gemeinde nicht etwa entsorgt, sondern jahrelang auf dem Gelände des Garstedter Bauhofes gelagert worden, erzählt Thomsen. Dort sei es praktisch wiederentdeckt worden, als Anfang der 1980er-Jahre das Rathaus in Norderstedt-Mitte gebaut werden sollte. „Es gab ja nichts Historisches in Norderstedt“, sagt Thomsen. So schlug er den politischen Gremien damals vor, das alte, ungenutzte Kleinpflaster für den Rathausplatz zu nehmen, damit zumindest etwas an die Vergangenheit der jungen Stadt erinnern würde, die ja 1970 aus den Gemeinden Garstedt, Harksheide, Fried­richsgabe und Glashütte gegründet worden ist. „Das war ja sogar umsonst. Es lag ja da“, betont Thomsen. Der Bauausschuss der Stadtvertretung stimmte seinem Vorschlag damals einstimmig zu, erinnert er sich. „Damals fragte kein Mensch, ob man da mit dem Kinderwagen oder auf Hackenschuhen laufen kann.“

Diesen letzten Hinweis an die Vergangenheit einer ihrer Gründergemeinden jetzt so mir nichts dir nichts verschwinden zu lassen, würde Thomsen das Herz brechen. „Wir haben doch sonst nichts Historisches in der Stadt!“ Er wundert er, dass darüber überhaupt nachgedacht wird. Nur noch ganz wenige alte Katen und Bauernhäuser erinnerten heute noch an die Vorgeschichte der heute größten Stadt im Kreis Segeberg, mahnt der frühere Bauamtsleiter die heutigen Stadtväter. „Ich habe dafür kein Verständnis. Jede Stadt ist stolz, die so ein altes Pflaster hat. Nur in Norderstedt nicht.“

Das Problem seien ja nicht die kleinen Pflastersteine, sondern die großen Kehrmaschinen, die nach dem Wochenmarkt die Fugen aufreißen würden, erklärt Thomsen. So entstünden die Stolperfallen, die jetzt mit einem Federstrich beseitigt werden sollen. „Dabei könnten die historischen Pflastersteine neu verlegt und die Fugen ausgebessert oder auf die Kehrmaschinen verzichtet werden.“ Es gebe Lösungen, wie man das historische Pflaster erhalten könnte.

Ohnehin könnten die Fußgänger jederzeit problemlos entlang der Fassaden laufen – auch mit Stöckelschuhen und Kinderwagen, ob gehbehindert oder im Rollstuhl, betont der frühere Landschaftsarchitekt Ernst-Dietmar Hess. Dafür seien damals eigens die breiten Wege an den Rändern des Platzes direkt am Rathaus – also an der Hopfenliebe, dem Standesamt und der Verbraucherzeile vorbei – angelegt worden. Dort sind großflächige Platten verlegt, die überhaupt keine Probleme zum Laufen darstellten. Nur die historische Mitte des Rathausplatzes sollte unbedingt erhalten bleiben, so der Planer des Platzes. „Das alte Natursteinpflaster jetzt durch Betonplatten zu ersetzen, wäre ein Grauen.“ Und ein ignorantes Verhalten gegenüber der eigenen Stadtgeschichte und ihrer Gründerväter, mahnen Thomsen und Hess.