Norderstedt. Christian Leder bietet Tests in Norderstedt und Henstedt-Ulzburg an. Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten nehmen zu.

Christian Leder hätte nie gedacht, dass es in dieser Covid-19-Pandemie so weit kommen würde. Als er sich zu Beginn der Pandemie entschieden hatte, Testzentren in Norderstedt und in Henstedt-Ulzburg zu eröffnen, da sah er das als seinen Beitrag zur Bekämpfung des Virus und als ein solides Geschäftsmodell im Dienst der Allgemeinheit. Doch nun, in der vierten Welle der Pandemie, da ist die Arbeit in den Testzentren zu einer Art Fronteinsatz geworden – an der Trennlinie, die sich durch die Gesellschaft zieht. Zwischen jenen, die sich impfen lassen. Und jenen, die das verweigern.

Ob in Norderstedt im Rathaus oder am Kirchweg in Henstedt-Ulzburg – die Testzentren entwickeln sich zu Krisengebieten, zu den Hotspots für renitente Impfverweigerer, selbst ernannte Querdenker und schlichte Wirrköpfe. Sie eint die Wut auf das System. Das sie zwingt, Corona-Tests zu machen, um überhaupt noch am sozialen Leben teilzunehmen.

Aggressive Diskussionen enden mit Polizeieinsätzen

Zwar sind diese Menschen in der Minderheit, auch im Kreis Segeberg. Doch es sind genügend, um in den Testzentren in Norderstedt und Henstedt-Ulzburg für Volllast zu sorgen. „Wir werden buchstäblich überrannt. Es ist der Wahnsinn“, sagt Christian Leder. Natürlich gibt es in den Schlangen der Leute mit und ohne Test-Termin auch jene, die sich aus medizinischen oder anderen Gründen nicht impfen lassen können, die geduldig warten, höflich und dankbar für den Service sind. Doch die Impfverweigerer suchen ausgerechnet hier die Konfrontation mit dem „Corona-Regime“. Und werden aggressiv.

„Wir bieten den Leuten den Service an, um ihnen zu helfen. Und zum Dank werden wir als Arschlöcher beschimpft“, sagt Leder. Und das ist nur eines der gängigsten Schimpfwörter, die Leder und seine 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu hören bekommen. Schon in den Warteschlangen würden sich die Impfgegner heiß reden und Stimmung machen, sagt Leder. Entsprechend aufgeladen stünden sie dann vor den Testerinnen und Testern. „Die wollen dann über die Corona-Maßnahmen diskutieren, darüber, dass alles Blödsinn ist“, sagt Leder. Dann folgen Pöbeleien, Beschimpfungen, und in letzter Konsequenz wurde es sogar schon übergriffig.

Mehrfach musste Leder die Polizei rufen, um ausfällig gewordene Menschen entfernen zu lassen. „Da machen wir rigoros von unserem Hausrecht Gebrauch. Diese Leute werden bei uns registriert und dürfen nicht mehr zum Testen kommen.“ In Henstedt-Ulzburg sei die Lage nicht so prekär wie in Norderstedt. „Hier ist eine andere Klientel zu verzeichnen.“ Das Spektrum decke allerdings alle Teile der Gesellschaft ab. „Da sind der Anzugträger und der Handwerker dabei“, sagt Christian Leder. Aber auch Migrantinnen und Migranten. „Deren Beschimpfungen verstehen wir wenigstens nicht.“

Wie etwa jener Migrant, der am Dienstag in Norderstedt ohne Termin zum Testen auftauchte. „Man versuchte zu erklären, dass es ohne Termin auch mal bis zu eine Stunde dauern kann, ehe man drankommt“, sagt Leder. Grund genug für den Mann auszuticken. „Er spielte die rassistische Karte, beschimpfte uns alle als Nazis.“ Es wurde dann so schlimm, dass Leder die Polizei rufen musste. Mit dem Mitarbeiter einer Justizvollzugsanstalt hatte Leder morgens eine angestrengte Diskussion über die Corona-Maßnahmen. Der Mann wurde ausfällig, „Ich sagte: Sie können sich jetzt testen lassen, oder sie bekommen hier Hausverbot. Er wählte das Hausverbot. Und der Mann arbeitet in einer JVA – ich verstehe das alles nicht mehr“, sagt Leder.

„Die Stimmung hat sich so gewandelt. Früher konnte man beim Testen noch Witze machen. Jetzt sind die Leute müde von der Pandemie, es wirkt richtig bedrohlich.“ Und wenn den Menschen die Argumente ausgehen, werden sie handgreiflich. „Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden geschubst und am Kragen gepackt. Das ist eine enorme Belastung.“ Dass seine Leute den Job nicht hinwerfen, macht Leder am Team-Gedanken fest. „Ich stehe als Chef genauso in den Testlinien wie alle anderen im Team, das ist arbeiten auf Augenhöhe.“ Aufmunternde Worte und gemeinsame Mittagessen schweißen das Team zu einer Einheit zusammen.

In Norderstedt kommt jetzt die Security zum Einsatz

So lässt sich der Stress aushalten. Mit den kostenlosen Bürgertests filtern die Testzentren täglich um die 15 Corona-Positive aus der Menge der Kundinnen und Kunden. Auf positive Schnell- oder Selbsttests folgen im Testzentrum bis zu 80 PCR-Tests täglich.

Das bringt Christian Leder mittlerweile schon wieder in logistische Probleme. Der Nachschub an Tests fehlt. 50.000 Test-Kits, die Leder bestellt hatte, liegen im Hamburger Hafen und haben es noch nicht durch den Zoll geschafft. Unterdessen muss Leder sich auf dem leer gefegten freien Markt aushelfen. „Da kosten die Tests 7 oder 8 Euro, ich bekomme aber nur 2 oder 3 Euro erstattet vom Staat.“

Die Suche nach der heißen Ware Tests ist nur etwas für gut Vernetzte. „Über Kontakte habe ich von einem Mann in Frankfurt erfahren, der Tests zum guten Preis anbietet. Ich habe bestellt und zwei Mitarbeiter nach Frankfurt geschickt, um die Ware abzuholen. Während die beiden unterwegs waren, hat der Anbieter zweimal angerufen, um Preise nachzuverhandeln.“

Christian Leder kann nicht fassen, dass Deutschland in der vierten Welle wieder genauso dasteht, wie in der ersten Welle. „Wir haben keine Tests, und demnächst wird es auch wieder einen Mangel an Schutzkleidung und Masken geben. Die alten Fehler werden wiederholt“, betont er.

Das Geschäft hinzuwerfen – daran hat Leder auch schon gedacht. Aber für ihn sei das keine Option. „Ich will da nach wie vor meinen Beitrag leisten.“ Damit seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keine weiteren Übergriffe und Pöbeleien erdulden müssen, engagiert Leder nun einen Sicherheitsdienst, der im Norderstedter Rathaus für Ordnung sorgen soll.

Wie gesagt. Christian Leder hätte nie gedacht, dass es so weit kommen würde in der Corona-Pandemie.

Das Testzentrum von First and Safe in Henstedt-Ulzburg, Kirchweg 125b, ist montags bis freitags, von 7 bis 19 Uhr geöffnet, sonnabends von 9 bis 19 Uhr und sonntags von 9 bis 13 Uhr. Terminvergabe unter termin@corona-test-hu.de. Das Testzentrum In Norderstedt, Rathausallee 50, ist montags bis freitags von 7 bis 19 Uhr, sonnabends von 9 bis 19 Uhr, und sonntags von 9 bis 15 Uhr geöffnet.