Norderstedt. 2500 Tests die Woche allein im Kulturwerk. Erste Apotheke bietet Service in Norderstedt-Mitte an.

Nein, wirtschaftlich sei es nicht, was er vorhabe, sagt Nicolas Ahlers, Inhaber der Moorbek-Apotheke. „Wir machen es aus Überzeugung. Es ist wichtig, dass man sich im Moment testen lässt.“ Er hat sich als erster Apotheker in Norderstedt entschieden, kostenlose Corona-Schnelltests für die Bevölkerung anzubieten. „Wir haben hier eine zentrale Lage. Die Zentren sind am Stadtpark und in Garstedt, aber in Norderstedt-Mitte gab es bisher nichts.“

Zwei- bis dreimal pro Woche wollen er und sein Team jeweils rund zwei Stunden testen. „30 bis 35 Leute“ schaffe man in 60 Minuten. Das gehe nur mit telefonischer Anmeldung (040/522 75 52), die Listen füllen sich bereits. „Die Tests sind zu 98, 99 Prozent zuverlässig, es gibt einen relativ geringen Anteil falsch negativer oder falsch positiver Ergebnisse“, so Ahlers, der zudem seit drei Wochen auch Kitas und Schulen betreut – mittlerweile 14 Einrichtungen. Nur einen PCR-Test könne er nicht durchführen.

Betreiber der Testzentren überrascht vom Andrang

Das Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit ist groß. Das Testzentrum am Kulturwerk werde inklusive Sonnabend in dieser Woche etwa 2500 Abstriche vornehmen, sagt Geschäftsführer Christian Leder. „Wir hätten nicht gedacht, dass es so viel wird. In Henstedt-Ulzburg ist es mit 1800 ähnlich, und da haben wir auch noch die mobilen Teams draußen.“

In der Schule Aurikelstieg gebe es täglich über 100 Buchungen, sagt Blall Shirdel von „deincoronatest.com“, die Tendenz sei steigend. Auch positive Tests habe es gegeben. Sein Eindruck: „Viele haben Angst – nicht vor dem Test, sondern vor den Konsequenzen, falls dieser positiv ist.“ Man müsse die Menschen sensibilisieren.

Das ist beim Impfen nicht anders. Nicolas Ahlers war am Freitagmorgen erleichtert, seinen Termin in der „TriBühne“ wahrnehmen zu können, nachdem der Wirkstoff von AstraZeneca tags zuvor wieder freigegeben worden war. „Ich hätte auch unterschrieben, dass ich mich trotzdem impfen lasse. Wir haben so viele Medikamente, bei denen viel mehr Nebenwirkungen auftreten können. Ich habe ein gutes Gefühl, wenn der Schutz jetzt langsam aufgebaut wird.“

Johanna Krassel aus Rellingen hat sich vorher Rat geholt, ob sie sich mit AstraZeneca impfen lassen sollte.
Johanna Krassel aus Rellingen hat sich vorher Rat geholt, ob sie sich mit AstraZeneca impfen lassen sollte. © Christopher Herbst | Christopher Herbst

Vor dem Eingang zum Impfzentrum bildeten sich im Laufe des Vormittags sogar Warteschlangen. Johanna Krassel (29) aus Rellingen hatte nicht damit gerechnet, dass die Impfungen so schnell wieder losgehen würden. Am Donnerstagabend um 20.44 Uhr war eine E-Mail in ihrem Postfach aufgeploppt. Das Sozialministerium hatte ihr geschrieben: „Ihr Impftermin findet wieder statt.“ Nur drei Tage also, nachdem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am Montag einen vorsorglichen Impfstopp verhängt hatte, weil bei einem kleinen Teil der Geimpften seltene Hirn-Thrombosen aufgetreten waren. Nach einer erneuten Prüfung des Vakzins kam die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) jedoch weiterhin zu dem Schluss, dass dieses „sicher und wirksam“ sei. Krassel hat dieses Hin und Her verunsichert. Vor allem hat sie Bedenken, weil die Blutgerinnsel überwiegend bei Frauen unter 55 aufgetreten sind – zu dieser Gruppe gehört auch sie.

Noch am Vorabend ihres Impftermins telefonierte die junge Frau Freunde, die im Krankenhaus arbeiten, ab und fragte um Rat: Soll sie sich mit AstraZeneca impfen lassen – ja oder nein? „Mein Ehemann hat mich gebeten, es nicht zu machen“, sagt Krassel, die im Außendienst für Medizinprodukte tätig ist und engen Kontakt zu chronisch kranken Patienten hat. „Letztendlich habe ich aber entschieden, mich impfen zu lassen – damit der ganze Scheiß ein Ende hat.“ Krassel möchte ihre Eltern und Großeltern wieder normal treffen können, im Oktober ihre Hochzeit groß feiern, deswegen ist sie am Freitag nach Norderstedt gekommen.

Sibylle und Tim Herzog aus Henstedt-Ulzburg wollen sich vor einem schweren Covid-19-Verlauf schützen.
Sibylle und Tim Herzog aus Henstedt-Ulzburg wollen sich vor einem schweren Covid-19-Verlauf schützen. © Christopher Herbst | Christopher Herbst

Sibylle und Tim Herzog warteten gut gelaunt vor dem Eingang. „Wir hätten uns auch in den vergangenen Tagen impfen lassen“, sagt das Ehepaar. Befürchtungen hat es nicht. „Ich glaube fest daran, dass uns die Impfung vor einem schweren Verlauf schützt. Und das ist ein beruhigendes Gefühl“, sagt Sibylle Herzog. Warum die beiden Henstedt-Ulzburger schon an der Reihe sind, dahinter steckt eine besondere Geschichte: Sibylle Herzog hat ihrem Mann eine Niere gespendet.

Zehn Prozent der Impftermine wurden nicht wahrgenommen

Für Corinna Hildebrandt stand von Anfang an fest, dass sie sich impfen lassen will. Die 39-Jährige ist Fachkraft für Intensivmedizin und Anästhesie. Weil sie in Kliniken aber als Zeitarbeiterin tätig ist, bekam sie im Unterschied zum festangestellten Personal keine Corona-Impfung gespritzt – obwohl sie sich ebenso aufopfernd um Covid-19-Patienten kümmerte und mit dem Risiko lebte, sich zu infizieren. „Wir sind keine Menschen zweiter Klasse“, stellt Hildebrandt klar.

In Norderstedt sowie den Zentren in Kaltenkirchen und Wahlstedt hätten etwa zehn Prozent der AstraZeneca-Impflinge ihre Termine am Freitag nicht wahrgenommen, teilte Sabrina Müller, Sprecherin des Kreises Segeberg, mit. Möglich gewesen wären 330 Termine. „Der Bedarf nach einer ärztlichen Beratung war erhöht, zu großen Diskussionen ist es aber nicht gekommen“, berichtet Müller. Insgesamt sei der Tenor so gewesen, dass die Impflinge froh waren, dass es weitergeht. Personen, deren Impfungen vom 16. bis 18. März ausgefallen sind oder die ihren Termin am Freitag nicht wahrnehmen konnten, werden laut Sozialministerium per Mail neue Termine in den jeweils gewählten Impfzentren erhalten – primär zwischen dem 29. März und dem 11. April. Wer den Ersatztermin nicht wahrnehmen kann, wird per E-Mail über eine telefonische Umbuchungsmöglichkeit informiert.

Die aktuellen Corona-Zahlen im Kreis Segeberg

Der Inzidenzwert im Kreis Segeberg ist am Freitag leicht gesunken und lag bei 99,2 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner – am Vortag hatte die Sieben-Tage-Inzidenz noch den kritischen Wert von 100 (105,3) überschritten. „Ich bin froh, dass die Inzidenz bei uns im Kreis Segeberg vorerst nicht noch weiter gestiegen ist und für den Moment wieder unter 100 liegt – wenn auch nur sehr knapp. Aber genau deswegen müssen wir weiter achtsam und vorsichtig bleiben“, sagte Landrat Jan Peter Schröder.

Das Land festgelegt hat, dass in Kreisen und kreisfreien Städten bei einer Überschreitung der 50er-Marke ergänzende Maßnahmen getroffen werden müssen. Der Kreis Segeberg hat daher eine neue Allgemeinverfügung erlassen. Sie gilt ab Montag, 22. März, bis zunächst einschließlich Sonntag, 28. März – kann aber je nach Infektionsgeschehen verlängert, widerrufen oder abgeändert werden.

Einzelhandel darf ab Montag nur noch „Click & Meet“ anbieten

Der Einzelhandel darf ab der kommenden Woche nur noch Kunden nach vorheriger Terminvereinbarung („Click & Meet“) in die Geschäfte lassen. Die Ladenbesitzer müssen Kontaktdaten erfassen und dafür sorgen, dass wartende Kunden vor den Geschäften die Abstandsregeln einhalten können. Von den neuen Vorgaben sind Angebote des täglichen Bedarfs ausgenommen. Lebens- und Futtermittelangebote, Wochenmärkte, Getränkemärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Tankstellen, Poststellen, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Zeitungsverkauf, Tierbedarfsmärkte, Blumenläden, Gärtnereien, Gartenbaucenter, räumlich getrennte Gartenabteilungen von Baumärkten, Buchläden sowie Lebensmittelausgabestellen (Tafeln) dürfen wie bisher öffnen.

Die Betreiber von Einkaufszentren und Outlet-Centern mit jeweils mehr als zehn Geschäftslokalen müssen sicherstellen, dass wartende Kunden die Abstandsregelung einhalten können und Besucherströme getrennt werden. Innenbereiche von Freizeit- und Kultureinrichtungen, wie zum Beispiel Museen oder Zoos, dürfen nur nach vorheriger Terminreservierung betreten werden.

Derzeit wird vom Land ein weiterer Erlass erarbeitet, der die Maßnahmen in Kreisen und kreisfreien Städten bei Überschreitung der Sieben-Tage-Inzidenz von 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern regeln wird. So ist vorgesehen, dass beispielsweise der Einzelhandel in diesen Fällen in den „Click & Collect“-Modus wechseln wird, das heißt: Bestellte Waren können nach Terminvereinbarung abgeholt werden. Bei der abschließenden Entscheidung ist die Bewertung der Gesamtlage von Bedeutung. Wenn zum Beispiel das Ausbruchsgeschehen eingegrenzt werden kann oder der Anteil der Neuinfizierten, die bereits durch Quarantänemaßnahmen abgesondert waren, sehr hoch ist, kann auch bei Inzidenzüberschreitungen in einem gewissen Rahmen von verschärfenden Maßnahmen abgesehen werden.

„Die Entscheidungen, die im vergangenen Jahr getroffen werden mussten und leider immer noch müssen, sind jedes Mal eine Gratwanderung. Ein Spagat zwischen Infektions- und Gesundheitsschutz auf der einen Seite sowie den negativen Auswirkungen auf Schule, Familien, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur auf der anderen“, so Landrat Schröder. Die jetzt getroffenen Maßnahmen hält er für angemessen und notwendig, „um zu versuchen, die dritte Welle so flach wie nur irgendwie möglich zu halten“.

Der Kreis hat am Freitag 31 per PCR-Test nachgewiesene Corona-Neuinfektionen gemeldet. Darunter sind 14 Kontaktpersonen bereits positiv Getesteter. Die Gesamtzahl aller bisher nachgewiesenen Infizierten beträgt jetzt 4862. Insgesamt 155 Infektionen davon sind auf die britische Virusvariante B.1.1.7 zurückzuführen (+ 6). Wieder als genesen gelten 3995 Menschen. Aktuell sind 732 Personen mit Corona infiziert. Verstorben sind 135 Menschen im Kreis.