Itzstedt. Pächterpaar von “Juhls Gasthof“ gibt auf. Auch Restaurantkritiker Rach hatte sich den Itzstedter Betrieb angesehen. Die Hintergründe.
Das war’s: 15 Monate haben Kerstin und Georg Weiß durchgehalten, nachdem sie „Juhls Gasthof“ in Itzstedt mit Beginn des ersten Lockdowns übernommen hatten. Jetzt, wo das Schlimmste überstanden zu sein scheint und Lockerungen einen halbwegs normalen Gastronomiebetrieb wieder möglich machen, ziehen sie die Reißleine. Und das liegt nicht an Corona, sondern am blauen Dunst!
In der vergangenen Woche hat die Itzstedter Gemeindevertretung alle Kompromissvorschläge der Pächter Kerstin und Georg Weiß abgelehnt und ein generelles Rauchverbot für „Juhls Gasthof“ beschlossen. Für Pächter und Stammgäste war das gleichbedeutend mit einem Todesstoß für den Gasthof. Das Paar gibt nicht nur den Betrieb auf, sondern will sich aufgrund einer kurzfristigen Mieterhöhung für die Wohnung darüber auch eine neue Bleibe suchen. Etwa 60 Stammgäste kamen am vergangenen Sonntag, um sich von den Pächtern und dem Traditionsgasthof zu verabschieden. Und dabei wurde auch ordentlich gequarzt.
Das Wetter meinte es gut mit dem Pächterehepaar und seinen Gästen, die allesamt vor dem Gasthof saßen und – bei einer Zigarette – die warmen Sonnenstrahlen genossen. So gut die Stimmung auch war, konnte sie nicht über den Frust und das Unverständnis über den Nichtraucher-Beschluss der Gemeindevertretung hinwegtäuschen. Für diese Entscheidung fanden die Gäste deutliche Worte. „Unglaublich, was hier abgeht. Rauchverbot – und der Saal soll moderner werden. Alle Geweihe an den Wänden mussten abgeholt werden. Der ganze Charme geht verloren. Die Gemeinde richtet den Krug zugrunde“, schimpft der Vorbesitzer Peter Tanner.
Rauchverbot: "Juhls Gasthof“ schließt
Er hatte den Gasthof, Nebengebäude und umliegende Grundstücke, darunter der Bolzplatz, im Jahr 2017 für 1,06 Millionen Euro an die Gemeinde verkauft. Über den Kauf hatte die damalige Gemeindevertretung die Itzstedter per Bürgerentscheid befinden lassen. Mit 62,7 Prozent der Wahlberechtigten hatte sich eine große Mehrheit für den Kauf und den Erhalt des Gasthofes ausgesprochen. Im Vorfeld des Entscheids hatte die Diskussion über die Zukunft des Gasthofs für tiefe Gräben in der Gemeinde, vor allem in der Politik, gesorgt.
„Über den Kauf durften die Bürger abstimmen, das Rauchverbot aber hat die Gemeindevertretung einfach so in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen“, sagt Dorfpolizistin Tatjana Schlicker verärgert, für die der Gasthof als sozialer Treffpunkt eine wichtige Funktion in der Gemeinde hat.
„Beim Bürgerentscheid wurde damit geworben, dass man die Kultur erhalten wolle und dass alles so bleiben solle, wie es ist. Und jetzt wird alles kaputt gemacht“, sagt Gast Sandra Przygodda nicht minder empört. „Eine Familie derart im Regen stehen zu lassen und rauszumobben, das geht gar nicht.“ Ein Gast sprach gar von einer seiner Meinung nach nie zuvor dagewesenen „Selbstherrlichkeit der handelnden Personen“.
Itzstedts Bürgermeister Helmut Thran verteidigte die Entscheidung der Gemeindevertretung: „Der weit überwiegende Teil der Itzstedter geht nicht mehr in den Gasthof, weil dort so viel geraucht wird. Das geht nicht, wir haben schließlich Steuergelder für den Gasthof ausgegeben.“ Er habe noch versucht, auf einen Kompromiss hinzuwirken und das Rauchen im Schankraum mit guter Lüftung zu erlauben, sei aber überstimmt worden.
Restaurantkritiker Christian Rach hat sich Gasthof angesehen
Lutz Frank, Kreisvorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), hatte sich den Gasthof vor mehreren Wochen zusammen mit dem in Hamburg lebenden Restaurantkritiker Christian Rach angesehen. Der Gastronom wurde durch die RTL-Doku-Soap „Der Restauranttester“ bekannt, in der Rach pro Folge ein Restaurant, das Probleme hat, besucht, um ein Konzept für die Rettung des Lokals auszuarbeiten. Doch viel gebracht hat der Besuch offensichtlich nicht.
Dehoga-Chef Frank kann die Aufregung der Raucher zwar verstehen, gibt aber zu bedenken: „Früher haben sich Raucher nach dem Essen eine Kippe angesteckt. Was noch vor mehr als einem Jahrzehnt selbstverständlich war, ist heute kaum noch vorstellbar. Selbst Genussraucher gehen nach dem Essen zum Rauchen vor die Tür oder in einen separaten Raum.“
Es gebe nur noch wenige Gaststätten, in denen geraucht werden dürfe, sagt Frank. „In einen Bad Segeberger Pub gehe ich selbst vielleicht dreimal im Jahr, weil mir die Stimmung und die Leute dort gefallen. Aber dann weiß ich auch, dass nach fünf Minuten meine Klamotten nach Rauch stinken.“
Überrascht seien er und Christian Rach von der Größe der Räume in „Juhls Gasthof“ gewesen. „Bei der Beurteilung sind wir einer Meinung gewesen: Mit einer kleinen, überschaubaren Speisekarte mit acht bis zehn Gerichten, einer großen Portion Kreativität und Fleiß, öffentlichen Veranstaltungen, Grünkohlessen und Familienfeiern könnte man den Gasthof durchaus wieder zum Laufen bringen. Dafür allerdings braucht es ein großes Mitarbeiterteam und Spielregeln für Raucher, die heute selbstverständlich sein sollten.“
Familie Weiß sucht eine neue Wohnung
Auf ein Einlenken der Gemeinde hoffen Kerstin und Georg Weiß, der im Homeoffice als technischer Berater für ein Unternehmen für Zerspanungstechnik tätig ist, nicht mehr. „Der Saal wird umgebaut, deshalb dürfte es für die Gemeinde schwierig werden, während der Bauphase einen neuen Pächter zu finden. Wir hatten angeboten, den Gasthof bis nächstes Jahr zu den alten Bedingungen weiterzuführen. Aber das wurde von der Gemeinde ja offenbar abgelehnt“, bedauert Georg Weiß.
Nachdem der Familie vergangenen Mittwoch nicht nur der Nichtraucherbeschluss der Gemeindevertretung, sondern auch eine Mieterhöhung für die Wohnung über dem Gasthof mitgeteilt worden sei, sucht sie auch ein neues Zuhause. Weil die drei Kinder in Nahe und Leezen zur Schule gehen, möchte die Familie in Itzstedt wohnen bleiben. Sie sucht jetzt eine Wohnung ab drei Zimmern und 80 Quadratmetern möglichst in der Nähe der Bundesstraße 432.
Zu erreichen sind Kerstin und Georg Weiß telefonisch unter der Nummer 04535/597 81 59.