Norderstedt. Die Fraktion der Linken in der Norderstedter Stadtvertretung fordert eine Lichtschutzsatzung für die Stadt.

Wer mal nachts eine Runde um den Norderstedter Stadtparksee gedreht hat, der fragt sich auf dem Rundweg, kurz hinter dem Strandbad, ob da ein Ufo gelandet ist. Grell und gleißend strahlen Scheinwerfer hinter den Bäumen zur Schleswig-Holstein-Straße. Unweigerlich wird man an Steven Spielbergs Science-Fiction „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ erinnert. Doch da sind weder E.T. noch andere Außerirdische mit ihren Ufos gelandet, sondern hier strahlen ganz weltliche Hochleistungs-Flutlichter einen nahe der Stadtparkgrenze entstandenen Lagerhauskomplex nächtens taghell an – mutmaßlich zur Abwehr von Einbrechern.

Dies ist nur ein Beispiel für die vielen Lichtemissionen, die für die Natur zu einem echten Problem geworden sind. Laut Christine Bilger und Norbert Pranzas von der Fraktion der Linken in der Stadtvertretung, sind sie mittlerweile einer der Hauptgründe für das dramatische Insektensterben. Deswegen wollen die Linken jetzt lokal handeln und Norderstedt um mindestens 25 Prozent dunkler machen.

Sie setzen sich für den Erlass einer Lichtschutzsatzung und die Einsetzung eines Lichtschutzbeauftragten in Norderstedt ein. „Der Schutz der Nachtdunkelheit rückt nur langsam ins Zielfeld politischen Handelns, dabei ist das Problem seit vielen Jahren bekannt und die Datenlage eindeutig“, sagt Christine Bilger. Die Probleme durch Lichtverschmutzung seien vielfältig: Nahezu alle Lebewesen seien auf einen Hell-Dunkel-Lebensrhythmus angewiesen – inklusive echter Dunkelheit. „Ob nun Insekten, Amphibien oder Säugetiere – an Land und auch im Wasser: ihre Lebensräume, Jagdreviere und Fortpflanzungsmöglichkeiten werden durch künstliches Licht massiv beeinträchtigt“, sagt Bilger. Für das Überleben vieler Tier- und Insektenarten ist die Dunkelheit in der Nacht essenziell. Die Schaffung von Lebensräumen und Nischen sei kaum von Nutzen ohne Schaffung von Dunkelheit. Eine Studie der Uni Mainz habe ergeben, dass allein an deutschen Straßenlaternen pro Nacht im Schnitt eine Milliarde Insekten sterben. Sie werden vom Kunstlicht angezogen und schwirren so lange um die Lichtquelle, bis sie vor Erschöpfung sterben. „Noch ist die Gesetzeslage zur Bekämpfung der Lichtemission deutlich zu dünn, unpräzise Schutzmaßnahmen auch von Gewerbe und Privat einzufordern zu können“, sagt Norbert Pranzas, der als Umweltgutachter tätig ist. Helfen könnte eine Person, die im Auftrag der Stadt Aufklärungsarbeit betreibt, die mit privaten wie gewerblichen Lichtemittenten in Verhandlung tritt, aber auch nach weiteren Verdunklungspotenzialen fahnde. Eine Lichtschutzsatzung könnte helfen, Neuzuwächse an Lichtemittenten auf das Minimalmaß zu reduzieren.

Christine Bilger: „Die jährliche Zuwachsrate der Lichtverschmutzung in Deutschland liegt laut Naturschutzbund bei schätzungsweise 6 Prozent, lokal sind es oft 20 Prozent und mehr. Und das oft aufgrund falsch verstandener Sicherheitsbedürfnisse oder einfach aus Prestigegründen.“ Die günstige und strahlkräftige LED-Technik trage zu einem noch stärkeren Zuwachs der Lichtverschmutzung bei.

Alle Bürgerinnen und Bürger seien aufgerufen, ihren Teil zur Verdunkelung beizutragen – durch Verzicht auf eine Fassaden- und Baumbeleuchtung oder der Rückbau von Gartenlampen. Auch der Einsatz von Leuchtkörpern mit geringem, auf den Boden gerichteten Lichtausstoß in warmweißem Lichtspektrum und das Abschalten von Außenbeleuchtungen in der Nacht sei sinnvoll. „Wer auf die festliche Weihnachtsbeleuchtung des Gartens, Balkons oder der Fenster nicht verzichten möchte, kann zumindest bunt blinkende und kaltweiße Beleuchtung vermeiden und die Beleuchtung nach 21 Uhr pauschal ausschalten“, schlägt Bilger vor. „Lasst uns Norderstedt etwas Nacht zurückgeben und um 25 Prozent dunkler machen! Gesundheits- und Artenschutz werden es danken.“ Diese Forderung sei Teil eines Klima-Aktionsplanes, mit dem die Norderstedter Linke die Stadt bis 2030 klimaneutral machen will.