Henstedt-Ulzburg. Abwehrchefin und Antreiberin Franziska Hilmer verrät die Stärken und Schwächen der Fußballfrauen des Aufsteigers SV Henstedt-Ulzburg.

Die Stimmungslage der Fußballfrauen des SV Henstedt-Ulzburg schwankt in dieser Saison zwischen Frust und Freude. Mit drei Punkten ist der Aufsteiger nach vier Partien Tabellenvorletzter in der eingleisigen 2. Bundesliga, hat bei Eintracht Frankfurt II (1:6) und gegen den SV Meppen (1:7) zuletzt zwei hohe Niederlagen kassiert – mit dem 3:1 gegen den FC Bayern München II aber auch schon positiv überrascht. Im DFB-Pokal gelang der Truppe von Trainer Christian Jürss sogar Historisches: Der SVHU schaffte mit dem 7:0 beim Regionalliga-Club Rostocker FC zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte den Einzug in die dritte Runde.

Zu den Korsettstangen des Teams gehört Franziska Hilmer, die am Ende der Serie 2020/2021 von Malin Hegeler (Kreuzbandriss) vertretungsweise das Amt der Mannschaftsführerin übernommen hat. Die 30 Jahre alte Kriminalkommissarin ist beim SVHU Abwehrchefin und Antreiberin – und hat eine klare Vorstellung davon, wie die Henstedt-Ulzburgerinnen ihre Leistungsschwankungen in den Griff bekommen und den Abstieg aus der zweithöchsten deutschen Klasse vermeiden können.

Frau Hilmer, Ihre Mannschaft hat in der 2. Bundesliga bislang im Schnitt 4,5 Gegentore pro Match kassiert – das muss Ihnen als Abwehrchefin doch die Schweißperlen auf die Stirn treiben. Können Sie vor den Punktspielen des SVHU trotzdem gut schlafen?

Franziska Hilmer: Ja, sogar ausgezeichnet, nach Partien wie gegen Frankfurt II und Meppen allerdings weniger gut. Sehr wichtig ist für mich immer die Art und Weise, wie wir uns verkaufen. Ich mag es überhaupt nicht, wenn wir dem Gegner weniger Widerstand leisten, als wir es eigentlich könnten. Das ist bei uns zwar nicht immer so, aber es kommt halt vor. Wenn das nicht besser wird, werden wir auch in Zukunft noch einige weitere Male deutlich verlieren.

In der Regionalliga Nord war der SV Henstedt-Ulzburg dominant, in der
Serie 2021/2022 herrschen auf einmal ganz andere Kräfteverhältnisse. Was sind die entscheidenden Unterschiede zwischen den beiden Spielklassen?

In der 2. Bundesliga wird fast jeder Fehler sofort bestraft. Wenn du nicht hundertprozentig aufmerksam bist, dir leichte Ballverluste leistest, wichtige Zweikämpfe verlierst, dann klingelt es gleich im Kasten. Das ist in der Regionalliga anders.

Der SVHU hat in der vergangenen Serie trotz einer langen Verletztenliste mit unglaublichen Energieleistungen den Aufstieg geschafft. Wie konnte das gelingen?

Bei uns gibt es keine Streitereien, keine Konflikte, kein Rumgezicke, die Trainingsbeteiligung ist sehr hoch. Wir kommunizieren viel, neben dem Platz und auf den bis zu zehnstündigen Auswärtstrips, sind eine große Familie.

Lässt sich beim SVHU mit Fußballspielen richtig Geld verdienen?

Nein, aber wir wissen ja, dass die finanziellen Mittel begrenzt sind. Es gibt nicht einmal eine Aufwandsentschädigung, wir zahlen brav den Vereinsbeitrag und tragen die Kosten für die Fahrten zu den Übungseinheiten. Aber das ist für uns nebensächlich, weil der Teamgedanke im Vordergrund steht, weil wir gern zusammen kicken, weil wir unseren Sport lieben. Und wir sind sehr dankbar , dass wir einen Coach wie Christian Jürss haben. Wir sind mit ihm sehr zufrieden.

Wie haben Sie und Ihre zum Teil ja wesentlich jüngeren Teamkolleginnen auf die Hiobsbotschaft reagiert, dass Stürmerin Alina Witt an Lymphdrüsenkrebs erkrankt ist?

Das war ein großer Schlag. Ich denke, dass wir durch ihre Erkrankung noch enger zusammengerückt sind, haben ihr jede nur erdenkliche Hilfe angeboten und lassen sie nicht alleine. Alina hat einen ex­trem großen Anteil daran, dass wir den Sprung in die 2. Bundesliga geschafft haben, und wir schätzen sie auch als Mensch sehr. Ich trage sie immer in meinem Herzen, wenn ich auf dem Platz stehe – das gibt mir noch mehr Kraft, immer mein Bestes zu geben.

Eines müssen Sie zum Abschluss bitte noch erklären: Warum spielt der SV Henstedt-Ulzburg auch in der kommenden Saison in der zweithöchsten deutschen Liga?

Wir schaffen den Klassenerhalt, weil wir bislang schon jede Menge Lehrgeld gezahlt haben und hart daran arbeiten, künftig weniger Fehler zu machen. Dass wir konkurrenzfähig sind, haben wir schon mehrfach bewiesen, aber leider nicht immer 90 Minuten lang. Wichtig ist, dass wir künftig besser in die Zweikämpfe kommen, dass wir uns auch im Bereich der gedanklichen Schnelligkeit verbessern – und genau das werden wir schon im nächsten Punktspiel am 10. Oktober zu Hause gegen Borussia Bocholt tun.