Norderstedt. Abendblatt-Praktikantin Zuzanna Viola über Probleme, mit denen Studierende in Zeiten von Corona konfrontiert sind.

Durch Corona hat sich das Leben vieler Menschen verändert – natürlich auch das der Studenten. Von einem Tag auf den anderen saßen alle zu Hause vor ihren Computerbildschirmen. Mir ging’s genauso.

Ich bin 19 Jahre alt und studiere in Hamburg im dritten Semester Germanistik im Hauptfach und Theologie im Nebenfach – zurzeit sind Semesterferien. Mein Berufswunsch: Ich will Journalistin werden! Aus diesem Grund absolviere ich in der Norderstedt-Redaktion momentan auch ein Praktikum. Das macht echt Spaß, doch vom ach so tollen Studentenleben, von dem vor allem ältere Menschen immer erzählen, habe ich noch nichts mitbekommen. Kurzum: Mein Praktikum beim Abendblatt ist bisher das Highlight meiner Studienzeit!

Manche Studenten waren noch nie in der Uni

Meine Einschreibung an der Uni jährt sich im Oktober zum ersten Mal. Bis heute blieben mir die Türen der Uni verschlossen. Wie es weitergeht, weiß niemand so recht. Ich hoffe, dass ich Mitte Oktober, wenn das nächste Semester beginnt, endlich meine Mit-Studenten kennenlernen kann. Denn so etwas wie meinen Studieneinstieg möchte ich nicht noch einmal erleben.

Oktober 2020: Meine Freundin und ich waren gerade mit der Bahn auf dem Weg zur Uni, als die Mail reinkam: „Veranstaltung abgesagt.“ Der Grund war uns sofort klar: Corona. Wir stiegen am Jungfernstieg aus und holten uns zum Trost einen Kaffee bei Starbucks. Dort trafen wir zwei alte Schulfreundinnen – sie hatten ebenfalls eine Mail erhalten. Meine Freundin und ich zogen weiter, um eine Runde um die Alster zu gehen. Was wir damals nicht ahnten: Die Alster-Spaziergänge sollten zu den Höhepunkten in unserem Corona-Alltag  werden.

Eine Woche später lernten wir Studenten uns dann kennen – am Bildschirm! Am Anfang war das schon komisch, doch ich gewöhnte mich schnell daran. Man kannte die Leute ja nicht anders. Im Kopf hatte ich allerdings immer die Bilder vom bunten Campusleben, von dem ich schon so viel gehört hatte.

Im Corona-Alltag fehlt der Ausgleich zum Lernen

Die Wintermonate vergingen überraschend schnell. Ich hatte in meinen beiden Studienfächern viel zu tun; es gab Seminare, Vorlesungen und Gruppenarbeiten, wo man sozusagen live vor dem Bildschirm saß. Manche Präsentationen wurden auch nur hochgeladen, um sie dann zu bearbeiten. Das Lernen fiel mir allerdings schwer. Nicht unbedingt, weil alles online unterrichtet wurde. Viel mehr war es der fehlende Ausgleich im Alltag. Was mir am meisten fehlte, waren das Schwimmtraining und die Menschen in meinem Verein. Seit ich sechs Jahre alt bin, schwimme ich und bin zudem als Trainerin bei TV Gut Heil Billstedt aktiv.

Studiert habe ich hauptsächlich vom Bett aus. Die Atmosphäre bei den Video-Meetings empfand ich meistens als ziemlich angespannt. Alle guckten so streng und hatten vielleicht auch Angst, etwas falsch zu machen.

Wie es im nächsten Wintersemester weitergeht, weiß ich, wie gesagt, noch nicht. Es sind Präsenz- und Online-Seminare im Angebot. Ich habe mich für alle Präsenzveranstaltungen angemeldet, das Thema war erst mal zweitrangig. Ich hoffe nur, dass ich nicht wieder eine Mail mit Absagen bekomme, bevor es losgeht.

Pünktlich zu Semesterbeginn ging es in den Lockdown

So wir mir geht es natürlich auch anderen, zum Beispiel Luka, die hin und wieder als freie Mitarbeiterin für die Norderstedt-Redaktion Artikel schreibt und auch studiert. „Einen richtigen Übergang gab es nicht“, sagt sie. Im Frühjahr 2020 war sie dabei, ihre Bachelorarbeit zu beenden. Im Gegensatz zu anderen Studenten hatte sie noch die Möglichkeit, sich mit ihrer Betreuerin persönlich zu treffen. Kommilitonen von ihr mussten alles telefonisch abwickeln. „Das war natürlich blöd“, sagt Luka.

Luka (22) absolviert ihr Journalistik-Studium an der Hamburger Uni von Kaltenkirchen aus.
Luka (22) absolviert ihr Journalistik-Studium an der Hamburger Uni von Kaltenkirchen aus. © Luka Simon | Luka Simon

Aber die 22-Jährige, die in Kaltenkirchen wohnt, gewöhnte sich schnell an die neuen Umstände. „Die ganze Welt stand ja still, und auf Partys konnte man sowieso nicht gehen. Deshalb habe ich aus der Not eine Tugend gemacht und die Zeit sinnvoll für meine Bachelorarbeit genutzt.“ Das ist ihr offenbar gelungen. Mit ihrer Note ist sie rundum zufrieden. Für das Wintersemester 20/21 schrieb sie sich dann an der Uni Hamburg für den Masterstudiengang Journalistik und Kommunikationswissenschaften ein – in der Hoffnung auf ein Präsenzstudium.

Doch daraus wurde nichts. Pünktlich zu Semesterbeginn trat am 2. November der „Lockdown light“ in Kraft. Nur wenige Wochen später folgte der harte Lockdown. Für Studienanfänger wurden alle Veranstaltungen abgesagt – das „Kennenlernen“ fand via Zoom statt. „Am Anfang war ich noch motiviert“, sagt die Journalistik-Studentin. Sie wollte das Beste aus der Situation machen und freute sich auf die neuen Inhalte. „Doch gegen Semesterende ging mir echt die Puste aus“, erinnert sich Luka.

Technische Probleme und ungewohntes Lernumfeld

Vor allem die Online-Klausuren hätten es in sich gehabt: „Die Schreibatmosphäre fehlte völlig“, so Luka. Der Raum, in dem alle Studierenden zusammensitzen und die Klausur schreiben, die tickende Uhr im Hintergrund – alles wichtige Faktoren, die weggefallen seien. „Der Noten-Schnitt musste sogar hochgezogen werden“, erzählt die 22-Jährige. Viele Studierende seien wohl nicht mit der vorgegebenen Zeit ausgekommen oder hatten schlicht Probleme beim Hochladen der Klausur.

Das Online-Semester an sich hielt Luka dagegen ganz gut durch. „Man hatte zum Glück viel zu tun und oft Gruppenarbeit. Ohne diese wäre ich sonst komplett aufgeschmissen gewesen.“ Zum Sommersemester hin besserte sich die Corona-Lage in Hamburg, sodass gelockert wurde. Das ließen sich Luka und ihre Kommilitonen nicht zweimal sagen: Ein Treffen nach dem anderen wurde geplant. „Die ganze Zeit im Lockdown hat schon was mit einem gemacht“, betont Luka. „Wir holen gerade vieles nach.“

Vielen Lehrenden fehlt es am technischen Know-how

Auch Sarah holt gerade viel Versäumtes nach. Im Frühling durfte auch sie sich endlich mit ihren Kommilitonen treffen. „Es war total schön“, sagt die 32-Jährige. „Ein halbes Jahr haben wir auf diesen Moment gewartet.“ Im Herbst vergangenen Jahres hat die Quickbornerin ihr Studium der Religionswissenschaften an der Uni Hamburg aufgenommen. Insgesamt zählt der Studiengang nur elf Studenten. „Ein großer Vorteil“, findet Sarah, „vor allem in Online-Zeiten.“

Direkt zu Semesteranfang hatten sich die elf per WhatsApp und Zoom zusammengetan. Aufgaben wurden aufgeteilt und Ergebnisse zusammengetragen. „Das ist wohl der Luxus eines kleinen Studiengangs“, sagt Sarah und schmunzelt ein wenig. Ohne ihre Kommilitonen wäre sie sonst nicht so gut durch das Semester gekommen. Die regelmäßigen Gruppenarbeiten via Zoom ähnelten am ehesten den Uni-Seminaren – auch wenn man das natürlich nicht vergleichen könne, betont Sarah.

Von den meisten Professoren und Dozentinnen hätten sie ausschließlich lange Texte und eingesprochene Präsentationen erhalten. „Das war anstrengend“, sagt die Studentin. Es habe viele technische Probleme gegeben. Die Dateien ließen sich teilweise nicht öffnen, und die Präsentationen habe man nicht unterbrechen können. Als die Elfer-Gruppe eine Dozentin einmal auf die Probleme ansprach, sei nichts dabei herausgekommen. Sarah glaubt, dass es vielen Lehrenden einfach am technischen Know-how fehle.

Arbeit, Studium, Freizeit – alles im selben Raum

Den inhaltlichen Austausch mit den Dozenten habe sie sehr vermisst. Die 32-Jährige kennt nämlich auch das normale Uni-Leben und weiß, wie wichtig es ist, engen Kontakt zu den Lehrenden zu haben. Zuvor studierte sie Theologie – und zwar überwiegend in Präsenz.

Die Studentin Sarah vermisst ihre Kommilitonen.
Die Studentin Sarah vermisst ihre Kommilitonen. © Zuzanna Viola | Zuzanna Viola

Sarah spürt nach eigenen Worten, dass sich vieles geändert hat – vor allem das Lernen. „Ich lerne mit Erinnerungen um mich herum, wenn ich mir Menschen und Gegenstände im Seminarraum einpräge und sie mit dem Gelernten verknüpfen kann“, erklärt Sarah. In ihrer Wohnung ging das schlecht. Wie die meisten Studierenden hatte sie auf engem Raum keine Möglichkeit, Uni, Arbeit und Freizeit voneinander zu trennen. Ihr gesamtes Leben spielte sich über Monate in ihren eigenen vier Wänden ab. „Mein größter Rückhalt zu dieser Zeit waren vor allem meine Mutter und mein Freund“, betont Sarah. „Meine Freunde sah ich fast nur per Videochat.“

In Zeiten des Social Distancings fehlte Sarah die Perspektive. Dieses Gefühl treibt sie bis heute um. Ihren Fokus legte sie daher auf soziale Kontakte. „Ich lechze förmlich nach sozialer Interaktion“, sagt sie und lacht.

Sarah geht allerdings davon aus, dass die Türen zur Lehre noch das restliche Jahr geschlossen bleiben. Einen Studienabbruch zieht die 32-Jährige allerdings nicht in Erwägung. „Ich habe endlich meinen Studiengang mit den richtigen Leuten gefunden.“