Kreis Segeberg. Segeberger Andreas Frahm setzt die Raupen des nachtaktiven Schmetterlings beim Kampf gegen die giftige Pflanze ein – mit großem Erfolg.
Andreas Frahm ist stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde Neuengörs, ein rastloser Geist, für den es ein „geht nicht“ nicht gibt. Probleme sind nur dazu da, gelöst zu werden. So handhabt er es auch mit dem giftigen Jakobskreuzkraut (JKK), das fast zu einem Problem für seine 30 Rinder geworden wäre. Er recherchierte so lange, bis er einen Lösungsansatz hatte: Blutbären. Die Raupen des nachtaktiven Schmetterlings haben nämlich nur eine Pflanze auf ihrem Speisezettel – und die heißt Jakobskreuzkraut.
Nebenberuflich züchtet Andreas Frahm Welsh Black Robustrinder. Ganzjährig weiden sie auf 25 Hektar renaturierter Ackerfläche zwischen Söhren und Steinbek gehalten. Eigentümerin ist die Bundesrepublik Deutschland, das Areal ist zur Ausgleichsfläche für den Bau der Autobahn 20 geworden. Gepachtet hatte Frahm das Stück Land vor rund elf Jahren vom Landesstraßenbauamt. „Zwei Hektar waren flächendeckend gelb. Zu 90 Prozent bestanden sie aus JKK“, erinnert sich der Pächter. Er ist davon überzeugt, dass die Samen der giftigen Pflanze durch Erdarbeiten beim Bau des Regenrückhaltebeckens eingeschleppt und dann verteilt worden sind. „Vorher gab es sie hier nämlich nicht.“
Er suchte nach natürlichen und nachhaltigen Lösungen
Die Verwendung von Unkrautvernichtungsmitteln kam auf der Ausgleichsfläche nicht infrage, und das sonst übliche Rupfen war für ihn keine Alternative. „Beides funktioniert zwar, ist aber nicht nachhaltig“, so Frahm, der sich auf die Suche nach natürlichen Lösungen machte. Er durchpflügte das Internet, nutzte Suchmaschinen, die hierzulande kaum jemand kennt und fand einen kleinen amerikanischen Zeitungsartikel aus den 1960er-Jahren. „Da stand drin, dass das JKK mit Blutbären erfolgreich bekämpft worden sei. Mehr nicht“, erzählt Andreas Frahm.
So klein der Artikel auch war, sein Forschergeist war geweckt. In Absprache mit dem Landesstraßenbauamt begann er vor sieben Jahren damit, Raupen des Blutbärs auf der Ausgleichsfläche auszusetzen, sie zusammen mit dem JKK zu beobachten und später zu verteilen. Außerdem experimentierte er mit Mulchhöhen. Im ersten Jahr ist die zweijährige Pflanze nur zehn bis 20 Zentimeter hoch, ein Jahr später dann bis zu 100 Zentimeter. Bei seinen Experimenten kam Andreas Frahm zu dem Schluss, dass eine Mulchhöhe von 20 bis 30 Zentimetern optimal ist. „Dadurch bekomme ich dichteres Untergras. Das spart Sprit und Klingen. Das sieht zwar eine Woche lang wüst aus, danach aber nicht mehr.“
Frahm rät von kürzeren Mulchhöhen ab
Von kürzeren Mulchhöhen rät er ab. „Der Blutbär legt seine Eier auf der Blattunterseite der einjährigen Pflanze ab. Das Gelege würde ich damit zerstören. Aber das Mulchen muss sein. Würde man darauf verzichten, bleiben einzelne Pflanzen stehen, die wieder aussamen, und der ganze Kreislauf fängt von vorne an.“ Mit seiner Methode hat er Erfolg. Bereits im dritten und vierten Jahr ging das JKK auf seiner Fläche deutlich zurück. Das überzeugte auch das Landesstraßenbauamt, das Andreas Frahm damit beauftragte, das JKK auf weiteren 100 Hektar Fläche mit Blutbären zu bekämpfen. Unglaublich hoch ist die Anzahl der Raupen, die er dafür braucht. „Geschätzt sind es auf 125 Hektar 200 bis 400 Millionen“, so Frahm. In ganz Deutschland dämmt er das JKK auf weiteren 2000 Hektar von privaten Pferdehaltern ein.
Seine Methode im Kampf gegen das JKK funktioniert
Viel Lob für seine Arbeit bekommt Andreas Frahm auch vom Kompetenzzentrum Jakobskreuzkraut der Stiftung Naturschutz, das 2015 eröffnet wurde. So manchen Tipp konnte er den Fachleuten bereits geben, weil er einen Schritt weiter war. „Was er macht, funktioniert. Das bringt im Kampf gegen das JKK wirklich was“, bestätigte Nicola Brockmüller vom Kompetenzzentrum, auf dessen Homepage viele weitere Infos zu finden sind.
Frahms Erfolg bei der Bekämpfung des JKK hat sich herumgesprochen. Fachzeitschriften und TV-Teams klopfen bei ihm an, er wird zu Vorträgen eingeladen. Betroffene fragen telefonisch um Rat, jeden Abend beantwortet er 20 bis 25 Mails. Zuerst hat er Ratsuchende eingeladen, eine Handvoll Raupen bei ihm abzuholen. Inzwischen verschickt er seine Raupen mit Anleitung per Nachtkurier. Was das kostet? Porto- und Versandkosten und zehn Euro Spende für die Feuerwehr Stubben. Weitere Infos gibt es bei ihm unter 0172/268 91 08.
Weitere Infos: Jakobskreuzkraut ist eine heimische Pflanze
Das Jakobskreuzkraut (JKK) wird auch Jakobs-Greiskraut und Jakobskraut genannt. Es ist eine heimische Pflanze, die an Feld- und Straßenrändern, auf Wiesen, Ackerbrachen, aber auch auf Magerrasen zu finden ist. Seit mehr als zehn Jahren jedoch breitet sie sich aus. Besonders extensiv genutzte Weideflächen, Ausgleichsflächen, Böschungen und renaturierte Ackerflächen haben inzwischen ein Problem mit dem Jakobskreuzkraut. Alle Teile der Pflanze enthalten verschiedene Pyrrolizidin-Alkaloide, die zu akuten oder chronischen Vergiftungen und Leberschäden führen.
Das Tückische an den Alkaloiden ist, dass sie nicht ausgeschieden werden, sondern sich im Körper, vor allem in der Leber, ansammeln. Dadurch führt auch die wiederholte Aufnahme von kleinen Mengen zu einer Vergiftung. Probleme hatten zudem die heimischen Imker, deren Bienen die gelben Blüten angesteuert haben. Die JKK-Giftstoffe konnten teilweise im Sommerhonig nachgewiesen werden. Das JKK enthält viele Bitterstoffe, die im getrockneten Zustand verloren gehen. Die Giftstoffe jedoch bleiben bestehen. Werden sie über Heu und Silage aufgenommen, kann das Jakobskreuzkraut auch dann zu Vergiftungen führen. Der nachtaktive Schmetterling Blutbär ist der natürliche Gegenspieler des JKK.
Seine orange-schwarz-geringelten Raupen ernähren sich ausschließlich vom JKK. Sie knabbern zuerst an den Blüten, machen dann aber mit den Blättern weiter, bis nur noch der Strunk übrig ist. Das macht dem JKK so sehr zu schaffen, dass es meistens kein zweites Mal austreiben kann und abstirbt. dreu