Norderstedt. Illegale Entsorgung von Abfall an den Wertstoffinseln nimmt zu – Private Sicherheitsdienste sollen für Ordnung sorgen.


Sie kommen bevorzugt am Wochenende. Tatorte sind immer wieder die Straße Am Böhmerwald, die Harckesheyde oder die Ecke Falkenbergstraße und Langenharmer Weg. Wenn keiner schaut und niemand Zeuge wird, dann geht es meistens ganz schnell:
Kaputte Geräte
, uralte Klamotten und Müll jeder Art landen achtlos im Dreck. Genau vor den Wertstoffcontainern. Müllsünder nennt das
Betriebsamt der Stadt Norderstedt
die Zeitgenossen, die
illegal ihren Müll entsorgen
, indem sie ihn der Allgemeinheit vor die Füße werfen.

Keine Frage: Niemand kann diese Menschen leiden. Jeder, der sein Altpapier, seine leeren Flaschen oder Alttextilien auf einer der 19 Wertstoffinseln entsorgen wollte und dabei zunächst über Berge von Unrat staksen musste, hat die Müllsünder schon mal verflucht. Und sicher hat er sich die Frage gestellt: Wie kann man sie erwischen und zur Rechenschaft ziehen?

Einsatz privater Sicherheitsdienste wird geprüft

Zwar hätten Mitarbeiter des Ordnungsamtes und auch des Betriebsamtes regelmäßig ein Auge auf die Situation an den Inseln. Doch selten führt das zur Ermittlung eines Müllsünders, nur ab und an, wenn Hinweise aus der Bevölkerung vorliegen oder wenn jemand so doof war, einen Adressaufkleber auf dem illegal entsorgten Müll zu hinterlassen. Deswegen will die Stadt Norderstedt nun mit anderen Mitteln den Fahndungsdruck erheblich erhöhen.

Im Rathaus wünscht man sich jetzt so etwas wie „Müll-Sheriffs“. Man prüfe „den möglichen Einsatz von Mitarbeitenden von Sicherheitsdiensten, insbesondere in Abend- und Nachtstunden“, teilt die Stadt mit. Tatsächlich möchte die Verwaltung also private Sicherheitsleute vor oder in der Nähe von Wertstoffinseln einsetzen, die Müllsünder in flagranti erwischen und nach Jedermannsrecht so lange festhalten können, bis die Polizei übernimmt und je nach Menge und Art des Mülls Bußgelder kassiert (siehe Artikel unten). Man wolle den Einsatz mit der Kommunalpolitik abstimmen, denn die müsste dazu ihr Einverständnis geben.

Wer Müllsünder erwischt, soll die Polizei alarmieren

Außerdem appelliert die Stadt an seine Bürgerinnen und Bürger, doch in Zukunft bei den Wertstoffinseln gleich selbst als Müll-Detektiv tätig zu werden. „Wer andere bei der illegalen Müllentsorgung beobachtet, verständigt bitte die örtliche Polizei“, teilt die Verwaltung mit. „Bei der illegalen Ablagerung von Abfall handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes – oder sogar um eine Straftat, wenn Stoffe in den Boden eindringen, die umweltgefährdend sind.“

Die Stadtverwaltung rief in der Vergangenheit in schöner Regelmäßigkeit alle Bürger der Stadt dazu auf, die Wertstoffinseln sauber zu halten. Alternativen, seinen Müll korrekt loszuwerden, gibt es wahrlich genügend. Und trotzdem fruchtet der Appell nicht. Seit Jahren sind die illegalen Müllablagerungen der den Wertstoffinseln ein Problem. Und ein Kostenfaktor. 2016 berichtete das Betriebsamt, dass es fast 16.000 Euro im Jahr koste, den illegal abgelegten Müll im Stadtgebiet zu entsorgen. Im Corona-Jahr 2020 habe das Problem stark zugenommen.

Sperrmüll, Elektroteile und Altöl werden illegal entsorgt

Die aktuellen Entsorgungskosten konnte die Stadt auf Anfrage noch nicht beziffern. Aber es komme derzeit vermehrt vor, dass Müllsünder große Mengen Verpackungsmaterial oder auch Sperrmüllgegenstände einfach zwischen den Containern abgelegt hätten. Im Juni berichtete Betriebsamtsmitarbeiter Manfred Barth im Abendblatt was er beim regelmäßigen Entleeren der Container auf der Wertstoffinsel an der Falkenbergstraße erlebt.

„Hier an der Falkenbergstraße ist es extrem, auch Harckesheyde, am Böhmerwald und am Hummelsbütteler Steindamm – überall dort, wo es versteckte Ecken gibt, die unbeaufsichtigt sind.“ Um die Container zu entleeren und für Ordnung zu sorgen, müsse er manchmal zwei Stunden Zeit investieren. „Wir hatten an der Falkenbergstraße schon Elektroteile, Kühlschränke, Farbe, Reifen, vor einem Dreivierteljahr 15 Fässer Altöl, die ausgelaufen waren“, sagt Barth. „Und Autoteile – Kolben, Bremsscheiben, einmal sogar 20 ausgeschlachtete Fahrräder.“

Noch keine Entscheidung beim größten Müllskandal

Es sind nicht nur die kleinen Müllsünder an den Werstoffinseln, die bislang in der Regel ungeschoren davonkommen. Wenn man über die Strafverfolgung von illegalen Müllablagerungen in Norderstedt diskutiert, kommt man unweigerlich auf den größten Müllskandal der Norderstedter Stadtgeschichte am Umspannwerk in Friedrichsgabe zu sprechen. Einziger, aber entscheidender Unterschied hier: Es handelt sich um keine öffentliche, sondern eine private Fläche.

Über Jahre hat der Grundstücksbesitzer der W.A. Gieschen Containerdienst GmbH verbotenerweise Zehntausende Tonnen Müll und Bauschutt angehäuft – bis er vor einiger Zeit spurlos verschwand. Die mutmaßlich eine Million Euro teure Räumung des Geländes wird nun der Steuerzahler bezahlen müssen. Ein Gutachten, dass die Stadt Norderstedt und das Umweltministerium Anfang des Jahres in Auftrag gegeben haben, soll Klarheit bringen, zu welchen Teilen sich die Stadt und das Land an den Kosten beteiligen müssen.

Wenn eine Verunreinigung des Grundwassers vorliegt, ist das Land alleine in der Pflicht. Messungen dazu liegen dem Land schon vor, sie werden derzeit ausgewertet. „Noch in diesem Jahr wollen wir mit der Stadt Norderstedt darüber sprechen und gemeinsam beraten, wie es weitergeht“, teilte ein Sprecher des Umweltministeriums mit. Ein Termin stehe aber noch nicht fest. Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder und Staatssekretär Tobias Goldschmidt sind aber Ende Januar bei einer Begehung des Geländes zu dem Schluss gekommen, dass man gemeinsam für die Entsorgung des Mülls sorgen werde – egal wie die Messergebnisse ausfallen.

Diese Bußgelder drohen bei illegaler Müllentsorgung


Pappbecher
, Taschentuch, Zigarettenschachtel, Inhalt eines Aschenbechers, Bananenschalen:
10 Euro
.


Geschirr
, Kochtopf, Kleidungsstücke, Gegenstände bis zwei Kilo:
20 Euro
.


Glasflaschen
, rostige Nägel, Eisenreste:
20-50 Euro
.



Radio, Stuhl

, Korb oder Kisten:
50-150 Euro
.



Kühlschrank

, Waschmaschine, Kommode, Badewanne:
100-300 Euro
.



Mehrere Gegenstände

bis 1 Kubikmeter:
100-400 Euro
(über 1 Kubikmeter
400-1500 Euro
). Bis zu fünf
Altreifen
:
75-200 Euro
(über fünf Reifen
200-1000 Euro
).



Fahrrad:

20-100 Euro.
Motorrad:
50-200 Euro.
Auto
100-800 Euro.



Lkw

, Wohnwagen, Omnibus, Traktor:
300-5000 Euro.
(Höhe des Bußgeldes hängt davon ab, ob das Fahrzeug sofort oder erst später beseitigt wird).



Bauschutt

bis fünf Kubikmeter:
250-600 Euro
. Mit schädlichen Verunreinigungen:
600-1500 Euro
.



Pflanzlicher Abfall

bis ein Handwagen oder Kofferraum:
30 Euro.