Sülfeld. Wissenschaftler im Leibnis-Zentrum Borstel in Sülfeld befassen sich mit Unverträglichkeiten. Vor allem zu Weihnachten drohen Gefahren.


Ob Bratäpfel mit Füllung oder Florentiner Plätzchen: Gerade zur Weihnachtszeit sind Nüsse in aller Munde, ebenso Erdnüsse, die botanisch gesehen zu den Hülsenfrüchten gehören. Doch für Allergiker kann die besinnliche Zeit des Jahres geradezu lebensgefährlich werden. Worauf Patienten achten müssen und warum selbst das Öffnen einer Tüte mit Erdnussflips zum Problem werden kann, erzählt Prof. Dr. Uta Jappe vom im Abendblatt. Erst in diesem Jahr ist die Ärztin zusammen mit ihrem Team für ihre Forschungsarbeit, einem neuen Behandlungsansatz bei Erdnussallergie, mit dem Kanert-Preis ausgezeichnet worden.

Erdnüsse sind mittlerweile in Flugzeugen verboten

„Bei Flugreisen sind Erdnusssnacks mittlerweile verboten“, sagt Uta Jappe und erläutert warum. „Es könnte sein, dass vorn jemand einen Snack öffnet und weiter hinten jemand einen allergischen Schock erleidet.“ Möglich sei dieses Phänomen durch mikroskopisch kleine Partikel, so genannte allergene Eiweiße, die durch die Klimaanlage verteilt werden. Eine Dosis von 0,2 Milligramm reiche aus, um bei Allergikern eine schwere Reaktion auszulösen. „Gerade eine Erdnussallergie verläuft besonders schwerwiegend und betrifft den gesamten Organismus“, sagt Jappe. „Sie kann sogar zum Tod führen.“

Beim Öffnen einer Tüte Erdnussflips können mikroskopisch kleine Partikel in die Umgebung abgegeben werden und zu allergischen Reaktionen führen
Beim Öffnen einer Tüte Erdnussflips können mikroskopisch kleine Partikel in die Umgebung abgegeben werden und zu allergischen Reaktionen führen © picture alliance / dpa Themendie | dpa Picture-Alliance / Silvia Marks


Daher sei das erste Gebot eines Allergikers, das vom Arzt verordnete Anaphylaxie-Besteck immer dabei zu haben. Und zwar nicht im Auto, sondern direkt am Körper, um im Notfall so schnell wie möglich handeln zu können. „Wenn Patienten auf dem Weihnachtsmarkt mit einem Allergen in Kontakt kommen, muss es schnell gehen“, so die Expertin. „Es bleibt keine Zeit, sich einen Weg durch die Menschenmassen zum Auto zu bahnen.“ Verstärkt werde die Reaktion durch unterschiedliche Faktoren wie Stress oder auch Alkohol, wie der beliebte Glühwein.

80 Prozent der Kinder entwickeln keine natürliche Toleranz

Wie viele Menschen absolut von einer Allergie gegen Erdnüsse betroffen sind, ist nicht bekannt. Daten des Anaphylaxie-Registers, der ersten gemeinsamen Datenbank für Deutschland, Österreich und der Schweiz zur Erhebung aufgetretener anaphylaktischer Reaktionen, beweisen jedoch, dass schwere Nahrungsmittelallergien am häufigsten von Erdnüssen auslöst werden – insbesondere in der Altersgruppe der 0-17-Jährigen. „Wenn wir davon ausgehen, dass etwa 80 Prozent der Kinder keine natürliche Toleranz entwickeln, werden wir in wenigen Jahren ebenso hohe Zahlen bei den Erwachsenen haben“, sagt Uta Jappe. „Dies ist in den USA und Großbritannien schon erkennbar.“

Forschungsarbeit wurde gerade ausgezeichnet

Zusammen mit einem interdisziplinären Team die Professorin Allergien aller Art, Asthma, Medikamentenallergien, aber auch Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Dabei wird stets an Patienten geforscht, die im Gegenzug mit den neuesten Ergebnissen versorgt werden. Spektakuläre Erkenntnisse in Hinblick auf die allergische Wirkung neu entdeckter Erdnuss-Bestandteile wurden jüngst mit dem Kanert-Preis ausgezeichnet. Diese sollen nun genutzt werden, um die Therapie zu verbessern.

Die erfolgreiche Arbeit spricht sich herum: „Die Wartezeiten in Borstel betragen im Moment drei Monate“, sagt Uta Jappe. „Schneller geht es derzeit noch in Lübeck, in der Interdisziplinären Allergie-Ambulanz des Uniklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), in der ich durch zusätzliche ärztliche Mitarbeiter tatkräftig unterstützt werde.“

Hasel- und Walnüsse lösen häufig Reaktionen aus

Ziel der Forschung sei es, die Diagnostik und Therapie zu verbessern sowie die Entstehung der unterschiedlichsten Allergien aufzuklären, um Maßnahmen zur Vorbeugung und Immuntherapie ableiten zu können. Einen Ansatzpunkt könnten zum Beispiel Forschungsergebnisse liefern, wonach Eiweiße der Erdnuss bereits in der Muttermilch nachgewiesen werden konnten. „Ob sich daraus ein Toleranzmechanismus ableiten lässt, muss noch erforscht werden“, sagt Jappe. „Aber genau für diese am Patienten orientierte Forschung brenne ich.“

Neben Erdnüssen gehören auch Hasel- und Walnüsse zu den zehn häufigsten allergieauslösenden Nahrungsmitteln. Ebenfalls im Kommen ist eine Allergie gegen Cashewkerne. Um die Weihnachtszeit trotzdem problemlos überstehen zu können, gibt Prof. Dr. Jappe noch einen wertvollen Tipp mit auf den Weg: „Immer, wenn Inhaltsstoffe an offenen Theken nicht deklariert sind, sollte gezielt nachgefragt und im Zweifel verzichtet werden – auch wenn es frustrierend sein kann.“