Norderstedt/Kaltenkirchen. In Kaltenkirchen und in Norderstedt werden die Mitarbeiter zu Opfern der Luftfahrt-Krise infolge der Corona-Pandemie.
Der monatelange Corona-Lockdown hat jetzt handfeste wirtschaftliche Konsequenzen in der Region. Der US-amerikanische Flugzeugbauer Boeing mit weltweit 160.000 Mitarbeitern streicht an seinen beiden Standorten im Norden, in Norderstedt und Kaltenkirchen, jeden sechsten Arbeitsplatz.
Insgesamt seien etwa 64 von 375 Mitarbeitern betroffen, sagte am Freitag auf Nachfrage des Abendblatts der Konzernsprecher Daniel Moszynski aus der Deutschlandzentrale des weltweit zweitgrößten Herstellers von Luft- und Raumfahrttechnik in Berlin, von wo aus Boeing elf Standorte in Deutschland mit zurzeit noch 1000 Mitarbeitern verwaltet. Hauptgrund für diesen Stellenabbau seien die „enormen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf unser Geschäft, die auch die globale Mitarbeiterzahl reduzieren werde. „Wir versuchen, die Auswirkungen für unsere Mitarbeiter so weit wie möglich zu begrenzen – etwa indem wir natürliche Fluktuation, Versetzungen und Standortwechsel priorisieren“, sagt Moszynski. Gleichwohl würden Kündigungen unumgänglich. In Kaltenkirchen, wo 2018 noch 220 Mitarbeiter einen Umsatz von 76,5 Millionen Euro erwirtschaften, werde die Niederlassung des Boeing Distribution Services Logistics GmbH geschlossen, kündigte der Konzernsprecher an. Davon seien 25 Mitarbeiter betroffen. Er könne noch nicht sagen, bis wann der Stellenabbau vollzogen sein soll. Um dies möglichst sozialverträglich zu realisieren, würden zurzeit Gespräche mit dem Betriebsrat geführt. Boeing beliefere von hier aus Fluggesellschaften aus der ganzen Welt mit Flugzeugteilen. Nun wolle sich das Unternehmen an diesen Standorten auf „die Handhabung von Ersatzteilen und Chemikalien konzentrieren“. Der Betriebsratsvorsitzende Thorsten Timmer sagte dazu gegenüber den Kieler Nachrichten: „Das sind für uns massive Einschnitte.“ Allein am Standort Kaltenkirchen fielen zwei Drittel der abzubauenden Stellen weg. „Wir haben seit Corona einfach nichts mehr zu tun gehabt.“
In den Rathäusern beider Kommunen ist man von dieser Entscheidung kalt erwischt worden. Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder war nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Ihr Amtskollege Hanno Krause kommt erst Montag wieder aus dem Urlaub zurück. Büroleiter Karl-Michael Schröder sagte dem Abendblatt, die Verwaltung habe davon erst am Freitag aus der Zeitung erfahren. Marc-Mario Bertermann, Geschäftsführer der Norderstedter Entwicklungsgesellschaft (EGNO), sagte: „Der angekündigte Stellenabbau bei Boeing ist schmerzhaft für die Mitarbeiter und ich hoffe, dass eine einvernehmliche Lösung gefunden werden kann.“ Dies zeige, „in welch schwieriger Wirtschaftslage wir uns seit der Corona-Pandemie befinden. Es trifft kleine und große Unternehmen in allen Branchen, auch ohne dass unternehmerische Fehler gemacht wurden“, so Bertermann.
Kaltenkirchens CDU-Fraktionschef Kurt Barkowsky hält den Stellenabbau aus Sicht der Stadt für besonders ärgerlich, „weil wir gerade erst vor ein paar Jahren den Bebauungsplan geändert haben, damit Boeing sich am Kisdorfer Weg erweitern kann.“ Er gehe davon aus, dass bis zum Jahresende weitere Unternehmen Arbeitsplätze streichen werden, weil sie die Umsätze von vor dem Corona-Lockdown nicht mehr erreichen. „Jeder Arbeitsplatz, der verloren geht, ist ein Verlust für die Stadt“, sagt Kaltenkirchens Erster Stadtrat Dieter Bracke.