Kreis Segeberg. Weil viele Geflüchtete aus der Ukraine kommen, stoßen Ausgabestellen an ihre Grenzen. CDU startet Initiative.
Der Krieg in der Ukraine sorgt seit Wochen für zusätzlichen Andrang bei den Tafeln im Kreis Segeberg. Teilweise können die Ehrenamtlichen den Andrang noch bewältigen, doch die ersten kommen an ihre Grenzen. Deshalb soll jetzt der Kreis den Tafeln in der Region unter die Arme greifen – das sieht eine Initiative der CDU vor, die parteiübergreifende Unterstützung fand. Doch zunächst einmal muss die Verwaltung Kontakt zu den Tafeln aufnehmen und Bedarfe ermitteln – und auch eine Zustimmung des Kreistages steht noch aus.
Norderstedt: Immer mehr Menschen suchen Hilfe bei der Tafel
Zur Tafel in Norderstedt kommen nach wie vor sehr viele Geflüchtete aus der Ukraine, die sich mit Lebensmitteln eindecken. Wie berichtet, waren zuletzt etwas weniger Ukrainer in den Erstaufnahmestellen im Kreis Segeberg angekommen, auch die Stadt Norderstedt hatte einen gewisser Rückgang verzeichnet. Anders ist das Bild bei der Tafel: „Der Andrang steigt seit Wochen“, sagt Ingrid Ernst, Vorstand des Vereins Die Tafel Norderstedt.
Schon vor sechs Wochen hatte der Verein einen zusätzlichen Ausgabetag nur für Ukrainer eingerichtet, einmal in der Woche. Aber weil so viele kamen, musste die Organisation verändert werden: „Wir haben die Gruppe gesplittet“, sagt Ingrid Ernst. Das bedeutet: Jeder darf nun nur noch alle zwei Wochen zu dem Ausgabetag für ukrainische Geflüchtete kommen. Die jeweiligen Gruppen sind trotzdem noch groß, „pro Ausgabe kommen etwa 130 Menschen“, sagt Ingrid Ernst.
Sie betont auch, dass man noch Herr der Lage und „noch nicht überlastet“ sei, zumal die Norderstedter viel spendeten. Noch seien die Lager der Tafel gefüllt. Aber Ingrid Ernst sagt auch: „Im Sommer wird das anders sein.“ Sie rechnet damit, dass die Spendenbereitschaft sinkt, wenn das Thema Ukraine vielleicht nicht mehr so im Fokus ist, zudem seien dann viele Menschen im Urlaub, auch Helfer.
Aufnahmestopp für Neukunden in Bad Bramstedt
Schwierig ist die Lage schon jetzt in Bad Bramstedt – hier ist man bereits an einem Limit angekommen. „Wir mussten, zum ersten Mal in unserer Geschichte, einen Aufnahmestopp für Neukunden verhängen“, sagt Jutta Neu, Zweite Vorsitzende des Tafelvereins. Der Grund ist, dass der Krieg in der Ukraine für einen sprunghaften Anstieg der Kunden geführt habe.
Bei der Tafel in Kaltenkirchen musste noch nicht zu solchen Mitteln gegriffen werden. Doch auch Peter Heyn, Sprecher der Tafel, spricht von deutlichen Veränderungen: „Im Laufe der letzten drei Wochen haben wir etwa 200 Geflüchtete als Neukunden dazubekommen.“ Gleichzeitig werde das Warenangebot für die Tafel spürbar geringer: „Regionale Ware geht ja teilweise als Spende direkt an die ukrainische Grenze. Das fehlt uns dann teilweise hier.“
Die Tafeln brauchen Hilfe, das hat auch die Politik realisiert. Die CDU-Kreistagsfraktion hat deshalb kürzlich im Sozialausschuss einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, zur Unterstützung der Tafeln. Dazu sollte die Verwaltung kurzfristig mit den Ehrenamtlichen Gespräche aufnehmen, es sei von einem Finanzrahmen von 50.000 Euro auszugehen. Der Antrag wurde einstimmig angenommen, allerdings mit einer Änderung. Die Verwaltung soll nun, nach den Gesprächen, erst einmal selbst eine Schätzung des Finanzbedarfes vornehmen. „Das könnten dann auch 30.000, 60.000 oder 70.000 Euro sein“, sagt Christian Mann, Geschäftsführer der CDU-Fraktion.
Politiker will „verhindern, dass die Stimmung kippt“
Wie soll das Geld den Tafeln zugute kommen? Laut Satzung dürfen die Tafeln in der Regeln nicht selbst Waren einkaufen. Deshalb könnte die konkrete Hilfe nun so aussehen, dass die Tafeln beim Kreis Bedarfe anmelden und dass Mitarbeiter der Kreisverwaltung die Waren dann einkaufen. Die Mittel dafür könnte der Kreistag in seiner Sitzung am 30. Juni bereitstellen. Christian Mann spricht von einem „Rettungsschirm“ für die Tafeln, der wohl besonders im Sommer notwendig sein werde. Der CDU gehe es auch darum, soziale Konflikte zwischen verschiedenen Bedürftigengruppen zu vermeiden: „Die Tafeln haben im Moment eine Doppelbelastung. Es kommen die Ukrainer und auch andere, die unter den gestiegenen Preisen leiden. Wir wollen verhindern, dass die Stimmung kippt.“
Peter Heyn von der Tafel Kaltenkirchen bestätigt: „Gut 20, 30 Leute sind neu dabei, die wegen der hohen Inflation kommen.“ Hilfe, wie sie bald vom Kreis kommen könnte, sei sehr nötig und sehr willkommen. Das betonen auch Ingrid Ernst und Jutta Neu. Letztere betont aber auch, dass es mit Waren nicht getan sei, die Tafel benötige auch mehr ehrenamtliche Helfer. Und wenn das Problem nachhaltig angegangen werden solle, müssten die Regelsätze der Sozialhilfe angehoben werden, angesichts der steigenden Preise. Das ist auch die Position des Landesverbandes Schleswig-Holstein des Sozialverbandes Deutschland (SoVD). Und auch CDU-Mann Christian Mann kann etwas damit anfangen: „Bei einer Inflation von sieben Prozent muss man die Regelsätze natürlich auf den Prüfstand stellen.“