Bad Segeberg. Da Tagestourismus auf Campingplätzen im Norden verboten ist, setzen Betreiber auf neues Modell. Nachfrage ist groß. Was dahinter steckt.

Entspannt genießen Campingplatz-Inhaberin Brigitte Schmidt und ihr Partner Uwe Maletzki nach einem arbeitsreichen Tag die Abendsonne. Zusehends füllt sich ihr idyllisch gelegener Platz am Segeberger See. Das trockene Wetter der vergangenen Tage mag ein Grund für die steigende Nachfrage nach Stellplätzen am Fuße des Kalkbergs sein. Doch der Hauptgrund für den ungewöhnlichen Run zum Saisonbeginn liegt eher woanders: ,,Weil der Tagestourismus auf Campingplätzen wegen der Pandemie in Schleswig-Holstein immer noch verboten ist, kommen immer mehr Leute zu uns und machen Kurzzeit-Dauercamping“, sagt die Geschäftsfrau.

Kurzzeit-Dauercamping? Was so widersprüchlich klingt wie Reiten ohne Pferd ist für viele Campingplatzbetreiber in Corona-Zeiten mit Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen oftmals die letzte Rettung. ,,Die Camper kommen mit ihren Wohnmobilen und fragen nach Stellplätzen, die sie dauerhaft mieten können. Sie bleiben für fünf oder sechs Monate bei uns, bis zum Ende der Saison“, sagt Brigitte Schmidt.

Im Jahr 2016 hatte das Paar den Campingplatz mit viel Enthusiasmus übernommen – und nach eigenen Angaben rund 300.000 Euro in die Sanierung der Flächen und Anlagen gesteckt. Doch dann kam Corona und machte ihnen 2020 einen dicken Strich durch die Rechnung: Die Karl-May-Festspiele fielen aus. Auf dem Campingplatz, der zum großen Teil vom lukrativen Geschäft mit Festival-Besuchern und Tagestouristen lebt, herrschte mitten in der Hochsaison auf einmal tote Hose. ,,Wir hatten 2020 rund 80 Prozent Umsatzeinbußen. Das summierte sich bei uns in der Saison zu einer sechsstelligen Summe“, sagt die Platzbetreiberin.

Urlaub in Schleswig-Holstein: Große Nachfrage nach Kurzzeit-Dauercamping

Auch dieses Jahr werden Winnetou und Old Shatterhand nicht am Kalkberg reiten. Um über die Runden zu kommen, musste eine neue Lösung her. Und die lautet Kurzzeit-Dauercamping. ,,Per Gesetz muss ein Mietvertrag über mindestens fünf Monate geschlossen werden, dann ist es Dauercamping“, erklärt die Geschäftsfrau. Im Unterschied zum klassischen Dauercamper, der seinen Platz das ganze Jahr und unbefristet anmietet, endet für Kurzzeit-Dauercamper der Aufenthalt spätestens zum Saisonende am 31. Oktober.

Pause nach getaner Arbeit: Brigitte Schmidt und Uwe Maletzki sind seit 2016 Pächter vom Campingplatz „Seecamping Segeberg“.
Pause nach getaner Arbeit: Brigitte Schmidt und Uwe Maletzki sind seit 2016 Pächter vom Campingplatz „Seecamping Segeberg“. © Seecamping Segeberg | Unbekannt

Das neue Geschäftsmodell hat sich in der Szene herumgesprochen. Immer mehr Camper – und zunehmend Wohnmobilisten aus dem Umland – lenken ihre schicken Gefährte an den Segeberger See, um einen Platz für Kurzzeit-Dauercamping zu ergattern. Mit 78.055 Neuzulassungen verzeichneten Wohnmobile laut Caravaning Industrie Verband voriges Jahr einen Zuwachs von 44,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und es geht weiter: Allein im ersten Quartal dieses Jahres stiegen die Reisemobilneuzulassungen hierzulande noch einmal um 23,9 Prozent auf 19.058 Fahrzeuge – neuer Rekord.

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Um sich für den weiteren Ansturm zu wappnen, richten Brigitte Schmidt und ihr Partner gerade ihre Zeltwiese und Plätze im Wald für Wohnmobile her. Insgesamt 120 Stellflächen hat der Platz. ,,Es ist noch einiges frei, auch für Tagesgäste“, verspricht die Inhaberin.

So ist Camping im Norden trotz Corona möglich

Camper müssen sich allerdings auf Einschränkungen einstellen: Die Duschen bleiben wegen der Corona-Vorschriften bis auf Weiteres geschlossen. Außerdem darf auf den Plätzen kein Besuch empfangen werden. Und: Im Wald kann es mit dem TV-Empfang etwas schwierig werden. Da sei der ein- oder andere mit seinem Wohnmobil auch schon ,,mal kurz zum Duschen nach Hause nach Hamburg“ gefahren, berichtet Schmidt.

Ortswechsel. Tim Ratajczak, Inhaber von „Seecamping Weisser Brunnen“ in Wittenborn am Nordufer des Mözener Sees, vermietet normalerweise zwei Drittel seiner Plätze an Dauercamper und ein Drittel an Tagestouristen.

Jetzt, wo er Tagestouristen nicht beherbergen darf, ist es anders: Auch er verzeichnet zunehmend Anfragen nach Dauercampingplätzen für begrenzte Zeit. ,,Ich biete einige befristete Plätze bis Ende der Saison an“, sagt der Platzinhaber. Mit dem Traktor bugsiert er die Wohnwagen auf die Anhöhe des terrassierten Platzes. Wer zwischendurch einmal für einen Ausflug mit dem Reisemobil an die Nordsee abdüsen will, habe damit ,,kein Problem“, sagt Ratajczak.

Betreiber hoffen weiter auf Öffnung für Tagestouristen

Die begehrte erste Reihe am See bleibt indes einem zahlungskräftigen Publikum vorbehalten. Dazu zählen Tagestouristen, mit denen sich gut Geld verdienen lässt. Auf die hofft der Geschäftsmann weiterhin. Seine Schlaffässer und das geschwungene Camping-Pod am Seeufer sind vorbereitet. Doch noch zögert die Politik, Tagestourismus in Schleswig-Holstein flächendeckend zuzulassen.

Das kann sich aber schnell ändern. Und es wäre natürlich im Sinne der vielen Camper und Wohnmobilisten in ihren rollenden Ferienheimen. Alles auf Abstand, versteht sich. Brigitte Schmidt hat dazu eine ganz klare Meinung: ,,Was gibt es sichereres als Camping?“