Norderstedt. In Norderstedt hat die Außengastronomie wieder geöffnet. Das nutzten am Wochenende viele Menschen, um die Lokale zu unterstützen.
Endlich wieder mit Freunden in aller Öffentlichkeit im Straßencafé bei einem Wein, Kaffee oder gepflegten Bier die Sonne und das Leben genießen: Die Norderstedter scheinen dieses Erlebnis nach einem halben Jahr Gaststätten-Lockdown herbeigesehnt zu haben. Am Freitag hatte der Kreis offiziell die Öffnung der Außengastronomie genehmigt, tags bildete sich um kurz vor 15 Uhr eine Menschentraube vor dem „Hopfenliebe“-Lokal am Rathaus.
Die meisten der 50 Plätze im Außenbereich waren da schon reserviert, sogar aus Hamburg einige der ersten Gäste gekommen. Wie Thorsten Schankin aus Hamm, der seine brasilianischen Freunde Elisabeth und Bernard Cordero mitgebracht hatte. „Ich bin zum ersten Mal hier in Norderstedt“, sagte Schankin. „Es gefällt uns gut. Ein toller Biergarten.“
Seine Freundin, die gerade noch shoppen war, habe den Ausflug in die Vorstadt über das Internet organisiert. „Vergangenes Wochenende haben wir eine Radtour nach Glinde gemacht.“ So könnten sie als Hamburger dem dortigen Gastro-Lockdown umgehen. „Wir haben erst Mittwochabend davon erfahren, dass wir wieder die ‚Hopfenliebe‘ aufmachen können, und das dann spontan entschieden, nachdem wir auf Herz und Nieren geprüft haben, was möglich ist“, erklärte Suntke Garbe, als Geschäftsführer der Mehrzwecksäle GmbH auch Chef-Wirt des städtischen Lokals.
So waren ohne das Weizen und das Pale-Ale zunächst nur die drei anderen Norderstedter Biere (Pils, Bock und Lager) frisch vom Fass zu bestellen. „Aber wir gehen jetzt wieder verstärkt in die Produktion“, kündigte Garbe an.
Prost! Anstoßen gegen den Lockdown-Frust
Ein Braumeister einer Hamburger Craftbier-Brauerei sorge für den Getränke-Nachschub in der „Hopfenliebe“, die jetzt bis auf sonntags und montags wieder täglich von 15 bis 21 Uhr geöffnet sein soll. „Wir sehen es als unsere Aufgabe an, den Menschen ein Kulturangebot zu machen – gerade in diesen Corona-Zeiten“, sagte Garbe.
Natürlich könnte man darüber streiten, ob Bier ein Kulturgut sei. „Aber ich sehe es ja auch bei meinen Freunden: Bei vielen liegen zurzeit die Nerven blank nach einem Jahr Corona. Da wünschen sich alle irgendeinen Lichtblick“, glaubt Garbe und fügt nachdenklich hinzu: „Es ist es doch schön, wenn wir für einen Lichtblick sorgen können, indem wir die Außengastronomie öffnen.“ Ob sich das dann wirtschaftlich rechne, sei zunächst zweitrangig und müsse man sehen, so der MeNo-Chef.
„Als Gemeinschaft haben wir auch die Aufgabe zur Nachbarschaftshilfe.“ Immerhin drei Service- und vier Küchenkräfte seien nun wieder aus der Kurzarbeit geholt worden. Kellner Arjan Meerbeek, der alle Gäste mit Namen und Adressen schriftlich oder elektronisch registrierte, habe die lange Freizeit „mit Sport und Schachspielen“ überbrückt. Kollegin Sarah Deifts hat zwischendurch nebenan im Testzentrum gearbeitet.
Hundert Meter weiter in der Rathausallee Richtung Ulzburger Straße sitzt Gastwirt Alberto Moliterno selbst draußen in der Sonne am Tisch einiger Stammgäste. Er sei total „happy“, strahlt er übers ganze Gesicht. Wie lange habe er seine Gäste nicht mehr bewirten können. „Solange, dass ich schon nicht mehr wusste, wo mein Lokal ist“, sagt der Fantasia-Chef, halb ernst, halb lachend.
Nicht nur die Gastwirtschaften können jetzt wieder öffnen
Nebenan haben es sich Branka und Milan Jovanovic gemütlich gemacht und genießen zu zweit einen leckeren Rotwein. „Wir wollen mithelfen, dass es hier für Alberto wieder weitergeht“, sagen sie, die hier um die Ecke wohnen. Aus solidarischer Nachbarschaft seien sie vorbeigekommen.
Nicht nur die Gastwirtschaften können jetzt wieder öffnen. Auch der Einzelhandel ist nach einem Monat Zwangsschließung und mehr oder weniger guten „Click & Collect“ oder „Click & Meet“-Versuchsmodellen zum Teil wieder offen. „Wir sind voller Tatendrang“, sagt Olivera Herrmann, die in der Rathausallee seit 29 Jahren eine Boutique führt. „Ich war mal die jüngste Geschäftsfrau in Norderstedt“, sagt sie. „Es läuft wirklich gut. Die Leute brauchen wieder das Shopping-Erlebnis und nehmen sich zu Herzen, die lokalen Läden zu unterstützen“, freut sie sich. „Das ist was Schönes.“
Im Herold-Center ist am Nachmittag die Kundenfrequenz noch recht verhalten. Sarah und Oliver Neumann sind mit ihren Kindern aus Hamburg zum Einkaufen herausgekommen. „Dass wir jetzt wieder aufhaben, ist bei vielen Kunden noch nicht angekommen“, glaubt Ildem Enes, der Handy-Zubehör im Herold-Center vertreibt. Einige Geschäfte seien trotz der gelockerten Verordnungen auch noch zu.
Margitta Picard betreibt hier seit zehn Jahren ein Damenbekleidungsgeschäft. Der Lockdown habe den Gemütszustand vieler Menschen „an die Depressionsgrenze gebracht“, ist ihre Beobachtung. „Man merkt richtig, dass die Menschen zufriedener sind, weil sie jetzt wieder einkaufen können.“ Und eine Verkäuferin von gegenüber ergänzt: „Die Menschen brauchen es für ihre Psyche, um gesund zu bleiben.“