Henstedt-Ulzburg. Familie hatte Kaninchen gerettet und es mit dem Ordnungsamt zu tun bekommen. Tierheim setzt nun auf Aufklärung.

Kaninchen, Meerschweinchen und Wellensittiche leben oft in kleinen Käfigen. Hin und wieder dürfen sie sich frei in der Wohnung bewegen – ansonsten spielt sich ihr Leben auf nur wenig Raum ab. Eine derartige Haltung würde bei Hunden, die neben Katzen zu den beliebtesten Haustieren der Deutschen gehören, wohl für Empörung sorgen.

„Wenn jemand einen Hund auf einem 15 Quadratmeter großem Balkon halten würde, gäbe es einen Aufschrei“, sagt Katja Vogel, Leiterin des Tierheims Henstedt-Ulzburg. Jeder wisse, dass die Vierbeiner viel Auslauf brauchen. Bei Kleintieren hingegen scheinen sich viele Menschen an den Anblick teils winziger Gehege gewöhnt zu haben. „Die meisten Kleintiere werden falsch gehalten“, sagt Alexandra Kamecke, die sich im Tierheim vor allem um die Kaninchen kümmert. „Viele Menschen haben von artgerechter Haltung ein falsches Bild im Kopf“, bestätigt auch Katja Vogel.

Viele negative E-Mails erreichten das Tierheim

In der vergangenen Woche sind viele negative E-Mails im Postfach des Tierheims am Kirchweg eingegangen, die die Mitarbeiter sehr traurig machten. Menschen äußerten ihr Unverständnis für die Tierschützer: Das Abendblatt hatte über eine Familie aus Norderstedt berichtet, die drei Kaninchen an einer Landstraße gefunden und bei sich im Garten aufgenommen hatte.

Eines von ihnen war trächtig und brachte wenige Tage später sieben Jungtiere zur Welt. Weil die Norderstedter nicht genügend Platz für so viele Hasen haben, schalteten sie ein Inserat bei Ebay Kleinanzeigen: „Kaninchen Babys abzugeben!“, schrieben sie. Ungeimpft. Nicht kastriert. Diese Aufgabe müssten die neuen Besitzer übernehmen.

Kaninchen wurde nicht artgerecht gehalten

Daraufhin wurde das Tierheim auf die Familie aufmerksam. Die Mitarbeiter sind vorsichtig, sie haben in der Vergangenheit schon viel Tierleid auf der Online-Plattform entdeckt – unter anderem illegalen Welpenhandel mit todkranken Hunden. Am liebsten würden sie das Tiergeschäft auf Ebay ganz stoppen. „Im Internet spielen sich Dramen ab, die wir gerne verhindern würden“, sagt Vogel.

Als eine Tierheimmitarbeiterin vor Kurzem die Familie in Norderstedt besuchte, stellte sie fest, dass die Hasen nicht ausreichend Platz in ihrem Unterschlupf hätten. Nach der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT) sollte für eine dauerhafte Haltung von zwei Kaninchen eine Grundfläche von mindestens sechs Quadratmetern zur Verfügung stehen. 24 Stunden am Tag. Für jedes weitere Tier sollte der Lebensbereich um 20 Prozent vergrößert werden.

Das Tierheim musste viel Kritik einstecken

Trotz umgebautem Holzschuppen und Auslauf erfüllte die Norderstedter Familie diese Anforderungen nicht – solange sie bei der Unterkunft nachrüsten würde, wollte das Tierheim die Kaninchen bei sich aufnehmen und impfen. „Impfungen sind sehr wichtig. RHD2, besser bekannt als Chinaseuche, ist akut in Deutschland unterwegs. Die Mortalitätsrate liegt bei 95 Prozent“, erklärt Alexandra Kamecke.

Nach einer Quarantänezeit hätte das Tierheim die Hasen zurück nach Norderstedt gebracht – es sei denn, der eigentliche Besitzer hätte sich gemeldet. So lautete die Vereinbarung, sagt Leiterin Katja Vogel. Am Ende kam es anders. Die Familie wollte die bereits lieb gewonnenen Tiere nicht herausgeben, berief sich darauf, dass die Hasen „herrenlos“ seien. Ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen nicht artgerechter Haltung läuft nun gegen sie – und das Tierheim musste viel Kritik einstecken.

Fundtiere müssen dem Tierheim gemeldet werden

Katja Vogel und ihre Kollegen möchten diesen Fall zum Anlass nehmen, um aufzuklären: Wie verhalte ich mich richtig, wenn ich ein Tier finde? Und wie werden sie artgerecht gehalten?

Das Tierheim moniert, dass der umgebaute Schuppen nicht die vorgeschriebene Fläche von mindestens drei Quadratmetern pro Tier bietet.
Das Tierheim moniert, dass der umgebaute Schuppen nicht die vorgeschriebene Fläche von mindestens drei Quadratmetern pro Tier bietet. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

Grundsätzlich gilt: Bei gefundenen Tieren handelt es sich formal um eine Fundsache, die dem Tierheim – das in solchen Fällen als „Fundbüro“ fungiert – gemeldet werden muss. Die Lebewesen dürfen nicht einfach behalten werden. Ansonsten handelt es sich um eine „Fundunterschlagung“ und ist strafbar. Im ansässigen Tierheim wird untersucht, ob das Tier möglicherweise einen Chip mit den Kontaktdaten seines Besitzers unter der Haut trägt. Mittels Fotos wird das Herrchen oder Frauchen über das Internet gesucht.

Pro Jahr werden rund 170 bis 200 Fundtiere gemeldet

Wenn das Tier artgerecht untergebracht werden kann, darf der Finder es bei sich verwahren, bis der rechtmäßige Besitzer ausfindig gemacht wurde. „Wir haben schon erlebt, dass gefundene Wasserschildkröten in der Badewanne wohnten oder Vögel in Pappkartons“, erzählt Tierheimleiterin Katja Vogel. „Das ist natürlich nicht artgerecht.“ Sollte sich nach einem halben Jahr niemand gemeldet haben, können die Tiere beim Finder bleiben. Pro Jahr werden dem Tierheim in der Gemeinde Hen­stedt-Ulzburg rund 170 bis 200 Fundtiere gemeldet.

„Kaninchen gehören zu den schlecht gehaltensten Tieren Deutschlands“, sagt Alexandra Kamecke. Hasen, die bei ihr im Tierheim abgegeben werden, seien oft in einem „grottigen Zustand“. „Kaninchen kann man wie eine Tüte Milch kaufen. Gute Beratung in Zoohandlungen gibt es selten. Ihnen geht es darum, Geld zu verdienen“, sagt Kamecke. Statt eines Schutzvertrages wie im Tierheim, der dem Käufer eine Rückgabe zusichert, gibt es den Kassenbon dazu. Damit kann der Hase umgetauscht werden wie ein zu enges T-Shirt.

Tierheim kann nicht alle Corona-Rückläufer aufnehmen

Während der Corona-Zeit, als wenig Freizeitaktivitäten möglich waren, haben sich viele Menschen Haustiere zugelegt. Besonders der Verkauf von Hunden im Internet boomte. „Nun wollen einige ihre Tiere wieder loswerden, weil sie nicht so funktionieren, wie es in der Beschreibung stand“, sagt Katja Vogel. 14 Hunde wohnen derzeit in ihrem Tierheim. Allein in den vergangenen Monaten seien sieben dazugekommen. „Wir hatten dreimal so viele Anfragen, mussten die Hunde aus Platzgründen aber leider ablehnen“, sagt die Tierheimleiterin.

Die Tierschützer empfehlen, sich vor der Anschaffung eines tierischen Weggefährten über seine Haltung und Besonderheiten zu informieren. „Jedes Tier ist uns wichtig. Bei uns ist man entweder mit Herzblut dabei oder gar nicht“, sagt Katja Vogel. Das Tierheim vermittelt seine Tiere nicht an jeden. Stichprobenartige Nachkontrollen werden durchgeführt. Die Abgabe eines Lebewesens ist meist ein Verlustgeschäft, weil die medizinischen Kosten den Kaufpreis übersteigen. Deswegen ist die Einrichtung auf Spenden angewiesen. „Bei uns geht es nicht darum, reich zu werden. Wir haben eine Mission.“