Tangstedt. Das Alsterufer im Rader Wald ist Naturschutzgebiet. Eine Anwohnerin kämpft seit Jahren für den Erhalt – mit Erfolg
Täglich ziehen professionelle Dogsitter aus Hamburg und dem Kreis Segeberg sowie private Hundehalter aus der Region mit ihren Vierbeinern durch den Rader Wald. Und eines der beliebtesten Ziele dort ist ein großer Steilhang direkt am Alsterlauf, unweit des Parkplatzes am Wulksfelder Weg. Obwohl hier Holzgeländer den Zugang versperren und Schilder auf die Schutzwürdigkeit des Steilhangs hinweisen, lassen viele Hundehalter ihren Tieren hier freien Lauf und schauen ihnen beim hemmungslosen Buddeln und Austoben im Steilhang zu. Doch damit ist künftig Schluss: Der naturgeschützte Uferbereich wird im April gesperrt.
Damit hat eine Anwohnerin, die seit Jahren für den Naturschutz und die Bewahrung des Steilhanges kämpft, offensichtlich endlich erreicht, was ihr Ziel war. Dutzende Telefonate hat die Wulksfelderin geführt, unzählige E-Mails und Briefe an behördliche Stellen geschickt, an das örtliche Ordnungsamt und bis zum Umweltministerium in Kiel. „Das Areal steht seit 2007 durch das europaweite Projekt ‚Natura 2000‘ unter strengem Schutz, doch passiert ist nichts“, betont die resolute Frau, die sogar Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht hat. In die Karten spielte der Wulksfelderin, dass die Kommission am 18. Februar beschloss, Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen, weil es seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, natürlichen Lebensräume sowie wildlebende Tiere und Pflanzen (Habitat-Richtlinie 92/43/EWG) ausreichend zu schützen. Dazu gehören auch das Ausweisen von Schutzgebieten, gebietsspezifische Erhaltungsziele sowie entsprechende Erhaltungsmaßnahmen, um „einen günstigen Erhaltungszustand der dortigen Arten und Lebensräume zu erhalten oder wiederherzustellen.“
Es mag also ein Zusammenspiel der Beschwerden und Bemühungen der Anwohnerin und der Klage der EU sein, das Schwung in die langsam mahlenden Mühlen der für den Alsterlauf zuständigen Behörden gebracht hat. „Nach intensiven Gesprächen der zuständigen Fachbehörden und der Stadt Hamburg als Eigentümerin wird der Bereich mit offiziellen Sperrschildern gesperrt“, erklärt Janine Wergin vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR).
Das Bezirksamt Hamburg-Wandsbek ist für das Aufstellen der Schilder zuständig und lässt sie gerade produzieren; für die Einhaltung der Anordnung ist dagegen das Land Schleswig-Holstein zuständig. „Wir appellieren an die Bürgerinnen und Bürger, dieses sensible, schützenswerte Gebiet nicht zu betreten. Zuwiderhandlungen sind Ordnungswidrigkeiten und können mit einem Bußgeld geahndet werden“, betont Janine Wergin. Sie kündigt stichprobenartige Kontrollen an, um das Betretungsverbot durchzusetzen.
Bei der engagierten Anwohnerin in Wulksfelde sorgt die Ankündigung für Genugtuung. „Ich finde es klasse, dass überhaupt mal etwas passiert, aber Schilder sind überhaupt nicht nachhaltig – die werden nicht lange stehen.“ Denn die Schilder, die in den Jahren zuvor die Besucher des Rader Waldes auf das Verbot des Betretens des Steilhangs hinwiesen, wurden zerstört. 2018 hatte das Land Schleswig-Holstein einen Managementplan für das Steilufer verfasst, der eine weitere Erosion des Uferbereiches durch Bepflanzung und Zäune vorsah, um explizit auch Hunden den Zutritt zu erschweren. In dem Plan heißt es: „Grundsätzlich ist es nötig, das Naherholungs- und Wegekonzept im Bereich des Rader Waldes zu überdenken. Selbst wenn die momentan stark erosionsgefährdeten Uferabbrüche gesichert werden, gibt es Stellen, an denen sich ähnliche Probleme für die Zukunft abzeichnen, da der Nutzungsdruck des nahe gelegenen Ballungsraumes und hier insbesondere der freilaufenden Hundegruppen sich in den letzten Jahren verstärkt hat.“ Schon damals wurde eine Beschilderung vorgeschlagen, um den Spaziergängern die „Problematik deutlich zu machen“. Als bessere Lösung sieht der Plan allerdings eine geänderte Wegeführung an – weg vom schützenswerten Steilhang.
Dass die Anwohnerin in diesem Text weder mit Namen noch einem Foto auftaucht, hat einen Grund. Ihr unermüdliches Engagement für den Naturschutz und gegen aus ihrer Sicht rücksichtslose Hundehalter hat ihr viele Feinde eingebracht. Seit Jahren berichtet sie von tätlichen Übergriffen, Anfeindungen jeder Art und Beschimpfungen. Sogar Morddrohungen habe sie schon bekommen.
Umgekehrt beklagen mittlerweile Hundehalter, die sich im Rader Wald an die Regeln halten, dass sie als Umweltzerstörer beschimpft werden. Wenngleich die meisten einräumen, dass es unter den Gassigehern manche gebe, denen Naturschutz herzlich egal ist, so lange sich der Hund wohl fühlt. Die Fronten zwischen den unterschiedlichen Interessen im Rader Wald sind also komplett verhärtet. Ob die Sperrung und die neuen Schilder an dieser Situation etwas ändern werden, bleibt abzuwarten.