Kaltenkirchen. Der frühere Hartenholmer ist als Tennisprofi seit 15 Jahren auf der ATP-Tour unterwegs. In Melbourne fehlte ihm nur ein Sieg für die Hauptrunde.

Tobias Kamke saß in der Abfertigungshalle des Flughafens von Melbourne und tauschte noch schnell ein paar WhatsApp-Nachrichten mit Freunden in der Heimat aus. Der Tennisprofi wartete auf die rund 24-stündige Rückreise nach Deutschland. Schöne Momente, bei denen er die Zeit beim ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres in Down Under noch einmal gedanklich verarbeiten konnte. Der 35 Jahre alte Hamburger, der sich seit mehr als 15 Jahren mit den Besten der Tenniswelt misst, wäre gern noch etwas länger auf dem fünften Kontinent geblieben.

Zu denjenigen, die Kamkes Auftritte bei den Australian Open mitverfolgten, gehörten unter anderem auch dessen jahrelanger Mitspieler beim TC Logopak Hartenholm, Julian Reister, der sein Trainer war. Vor allem aber zeigte Mirko Schütte brennendes Interesse. Der langjährige Vorsitzende des TC an der Schirnau war 2006 bis 2008 Chefcoach der Logopak-Herrencrew. Sie musste im Jahr 2009 aus finanziellen Gründen aufgelöst werden. Seit vielen Jahren ist Schütte bestens befreundet mit Tobias Kamke. Jeden Tag nahmen die beiden Kontakt auf, nachdem der gebürtiger Lübecker in Melbourne als Qualifikant eingestiegen war. Schütte: „Wegen der Zeitverschiebung ist das nicht ganz leicht gewesen.“

Kamke und Ex-Coach Mirko Schütte sind eng befreundet

Er betreute seinen Schützling nach dem Ende in Hartenholm weiter und förderte ihn bis 2015 mit einem intensiven Fitnesstraining. Das Coaching und die Tipps zahlten sich noch sieben Jahre später in Melbourne aus. Der für sein offensives und mitunter sogar riskantes Spiel bekannte Kamke, der zehn Jahre für den Bundesligisten Grün-Weiss Mannheim spielte und in Zukunft nun für den TC Bredeney aufschlägt, schlug in der ersten Qualifikationsrunde den Italiener Federico Gaio mit 6:4, 6:2 und bezwang anschließend den Bulgaren Dimitar Kuzmanov 7:5, 6:4.

Damit fehlte dem aktuellen 252. der ATP-Weltrangliste nur noch ein Matchgewinn, und er hätte bei den Open zum dritten Mal in seiner Karriere im Hauptfeld gestanden. Als Gegner stand er ausgerechnet seinem neun Jahre jüngeren Landsmann Maximilian Marterer (ATP-226.) gegenüber, der zuletzt immer stärker geworden ist. Der Nürnberger setzte sich mit 6:4, 6:1 durch, schied inzwischen aber gegen den Amerikaner Taylor Fritz in drei Sätzen aus, auf den sonst Kamke getroffen wäre.

2008: Tobias Kamke und sein damaliger Coach Mirko Schütte beim TC Logopak Hartenholm.
2008: Tobias Kamke und sein damaliger Coach Mirko Schütte beim TC Logopak Hartenholm. © Thomas Maibom Thomas Maibom | Thomas Maibom Thomas Maibom

Der Qualifikant selbst zeigte sich trotzdem zufrieden mit dem Verlauf seiner beiden Partien. „Ich habe richtig gutes Tennis gespielt und war mental bestens drauf“, sagt der Mann, der zum 15. Mal in Melbourne dabei war und 2012 und 2013 das Hauptfeld erreicht hatte. 2012 hatte er gegen den Ukrainer Alexander Dolgopolov im fünften Satz sogar Matchball, ehe er mit 6:8 verlor. Und woran haperte es nun gegen Marterer? „Das Match war von meiner Seite aus leider nicht ganz so gut, er wiederum spielte richtig stark.“

Drei für ihn einmalige Begegnungen, die er nie vergessen wird, ragen aus der Laufbahn des Ex-Hartenholmers heraus. Zweimal ist er auf Roger Federer getroffen: 2012 verlor er in Paris mit 2:6, 5:7, 3:6, vier Jahre später in Brisbane spielte er im Achtelfinale erneut gegen den Schweizer und unterlag 1:6, 2:6. Seine wohl größte Stunde erlebte er 2014 in Doha, als er dem Spanier Rafael Nadal harten Widerstand leistete und erst in drei Sätzen mit 3:6, 7:6, 3:6 den Kürzeren zog. In späteren Jahren plagte Kamke (beste ATP-Platzierung: 64. im Jahr 2011) oftmals Verletzungspech.

In Australien war er jetzt sogar ganz allein unterwegs, spontan, ohne große Pläne und vor allem ohne einen großen Begleiterstab, wie ihn zum Beispiel ein Novak Djokovic um sich hat. Dabei hatte Kamke seinen früheren Coach gefragt, ob er ihn denn nicht begleiten könne. Schütte: „Ich wäre gern mitgeflogen, aber es passte aus privaten Gründen nicht.“

Ohne Pause geht es weiter – das nächste Ziel: die USA

Kontakte neben dem Tennisplatz knüpfte der Mann mit der enorm druckvollen beidhändigen Rückhand auch so. Darunter waren Topleute der Tennisszene, mit denen er sich austauschen konnte. So wie Alexander Zverev, den er wie auch dessen Bruder Mischa seit vielen Jahren kennt und mit denen er auch schon häufig trainiert hat. Corona spielte in Melbourne natürlich eine Rolle. Kamke: „Zuschauer waren zugelassen, aber die Qualifikationsspiele hatten keine große Resonanz. Ansonsten sind die Turniertage trotz der Auflagen gut besucht.“

Und war der Aufenthalt im Hotel annehmbar? Blieb an spielfreien Tagen noch die Gelegenheit für andere Dinge? „In diesem Jahr gab es keine Bubble, in der sich die Spieler bewegen mussten“, so Kamke. „Man konnte sich frei bewegen. Das hat den Aufenthalt natürlich um einiges erleichtert. Während des Turniers bieten sich kaum Zeit für andere Sachen. Nach Turnierende kann man ein oder zwei Tage nutzen, um an etwas anderes als Tennis zu denken.“ Ohne Atempause geht es für ihn nun weiter. Bereits am Donnerstag fliegt Kamke in die USA, denn er hat für Challenger-Turniere gemeldet, bei denen er sich gute Chancen ausrechnet.