Pronstorf. Pronstorfer spekulierten auf Gewerbesteuer – und gingen leer aus. Anwalt erklärt Geschäftsprinzip der Betreiber.
Schon von weitem sind die 150 Meter hohen Windräder zu sehen, die sich von Pronstorf bis Stockelsdorf erstrecken und die ganze Nacht hindurch im Einklang blinken. Der Windpark Obernwohlde. Mit ihrer Zustimmung zum Park hatte die Gemeinde Pronstorf nicht nur ihren Beitrag zum Klimawandel leisten wollen, sondern auch auf reichlich Gewerbesteuern für die Gemeindekasse gehofft. Diese jedoch blieben bis jetzt aus.
Nun will die Hamburger Firma Enerparc einen 80-Hektar-Photovoltaik-Park in Pronstorf bauen. Andere Energiegewinnung, gleiches Geschäftsprinzip. Wenn die Gemeinde jetzt nicht aufpasst, könnte sie wieder leer ausgehen. Sagt der Pronstorfer Gemeindevertreter Peter Krug (SPD). „Beim Windpark haben wir uns alle über den Tisch ziehen lassen.“ Auch für die Zukunft rechnet er nicht mehr mit Gewerbesteuern aus dem Windpark. Mit Enerparc soll der Gemeinde das nicht noch mal passieren. Krug hat sich bei dem Frankfurter Juristen und Diplom-Verwaltungswirt Helmut Görling umfänglichen Rat geholt.
Der hat sich am Beispiel der in Pronstorf tätigen Firmen intensiv mit den Hintergründen und der Verfahrensweise der Branche auseinandergesetzt – und macht Pronstorf und allen anderen Kommunen mit Windparks keine große Hoffnung: „Was die Firmen auf dem Energiesektor tun, ist völlig legal. Unsere Gesetzgebung und insbesondere das Gewerbesteuerrecht geben das her. Die Gemeinden aber werden dabei immer der Verlierer sein.“ Das Geschäftsprinzip des Windparks wirkt wie ein legaler Steuertrick. „In den ersten 16 Jahren, in denen die technischen Anlagen steuerlich abgeschrieben und die Finanzierungen bedient werden, fließt keine Gewerbesteuer nach Pronstorf, weil die Windpark-Betreibergesellschaft keinen gewerbesteuerlich wirksamen Gewinn ausweisen wird“, sagt Görling. „Auch wenn die Betreibergesellschaft in den Folgejahren nach Ablösung aller Kredite hohe Gewinne erzielt, wird die Gemeinde aus dem Windpark keine Gewerbesteuern einnehmen, denn der Gewerbesteueranteil für Pronstorf als Standortgemeinde richtet sich nicht nach dem Bilanzgewinn, sondern nach dem Bilanzwert der technischen Anlagen, die dann abgeschrieben und bilanziell wertlos sind.“
Die gesamte Gewerbesteuer fließe dann niemals nach Pronstorf, sondern immer in die bayrische Gemeinde Gräfelfing, denn die Windpark Pronstorf GmbH & Co. KG habe ihren Sitz in Gräfeling und nicht in Pronstorf, sagt der renommierte Rechtsanwalt. Unternehmen wie die Windpark Pronstorf GmbH & Co. KG (WP), die den Windpark unter der Kontrolle des BayWa-Konzerns errichtet hatte, hätten ein legitimes Interesse daran, so wenig Steuern wie möglich zu zahlen. „Auskunft darüber, in welcher Höhe die Betreibergesellschaft über die Jahre Gewerbesteuern plant, gibt nur der Steuerplan der Betreibergesellschaft, den die Gemeinden aber nicht zu sehen bekommen. Durch legale Steuervermeidung wird viel Geld verdient“, sagt Görling.
Die WP habe ihren Sitz nicht ohne Grund in Gräfelfing mit einem Gewerbesteuerhebesatz von 250 Prozent. Der Gewerbesteuerhebesatz in Pronstorf beträgt 330 Prozent.
Pronstorf erwirtschaftet Erträge – für Investmentfonds
Auch der im Dezember 2015 erfolgte Verkauf der BayWa-Anteile an ein Luxemburger Tochterunternehmen der Schweizer Firma SUSI Partners AG spricht nicht für künftige Gewerbesteueranteile aus dem Windpark. „Die Gesellschaft verwaltet nach Eigenangaben derzeit Investorengelder in Höhe von 1,2 Milliarden Euro. Gegründet wurde SUSI Partners von dem Ökonom Tobias Reichmuth, der in der Schweiz als Juror und Investor der TV-Sendung „Höhle der Löwen Schweiz“ sehr bekannt ist. Er kontrolliert und führt eine Reihe von Investmentfonds, deren hohen Erträge auch in Pronstorf erwirtschaftet werden“, sagt Görling. Die im Online-Bundesanzeiger veröffentlichten Bilanzergebnisse der WP haben in den Jahren 2012 bis 2019 bis auf zwei Jahre null Euro ausgewiesen. In den Jahren 2016 und 2017 lagen die ausgewiesenen Gewinne unterhalb des Freibetrages.
Daran wird sich nach Meinung von Helmut Görling auch wahrscheinlich nichts ändern. „Vom Windpark Pronstorf profitieren die Investoren, die Fondsgesellschaften, das Fondsmanagement, die Banken und die Verpächter der Betriebsgrundstücke“, so der Rechtsanwalt. Die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 17. Dezember ist zahnlos. „Die darin vorgesehene Zahlung des Anlagenbetreibers von bis zu 0,2 Cent pro Kilowattstunde an die Standortgemeinde ist freiwillig und gilt nicht für bestehende, sondern nur für künftig neugebaute Anlagen.“
Die Sonne – ein strahlendes Geschäft. Nur für Enerparc
Nicht viel besser sind Görlings Einschätzungen für einen Photovoltaik-Park, (PV-Park) den die Hamburger Firma Enerparc auf einer Fläche von 80 Hektar zwischen Pronstorf und Eilsdorf errichten möchte. Weitere PV-Parks plant die Firma in Strukdorf, Geschendorf und Weede.
„Zur Unternehmensstrategie der Enerparc AG gehört es, für jeden einzelnen PV-Park mindestens eine eigene Betriebsgesellschaft zu gründen. Im Jahr 2018 waren es knapp 200 solcher Tochtergesellschaften in vielen verschiedenen Gemeinden. Das Besondere: Mit jeder Betriebsgesellschaft schließt Enerparc sogenannte Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge ab, aufgrund derer die Töchter alle Bilanzgewinne an die Muttergesellschaft abliefern müssen und deswegen keine eigenen Gewinne machen können“, erläutert Görling.
Aus dem jährlichen Steuerbilanzgewinn der Enerparc AG werde dann der Gewerbeertrag und die von der Enerparc AG zu zahlende Gewerbesteuer berechnet. 30 Prozent erhält die Kommune, in der die Konzernmutter ihren Sitz hat, also Hamburg. Die Standortgemeinden der PV-Parks erhalten nicht etwa 70 Prozent der anfallenden Gewerbesteuer auf den Gewinn, der in ihrer Gemeinde angefallen ist, sondern nur einen Zerlegungsanteil, der wesentlich geringer ist.
„Bei den Standortgemeinden bleibt so gut wie nichts hängen“, sagt Görling Und sind die technischen Anlagen erst einmal steuerbilanziell abgeschrieben, bekommen sie überhaupt nichts mehr. Die avisierten 70 Prozent Gewerbesteueranteil seien ein Märchen, mit dem Gemeindevertretungen das Thema schmackhaft gemacht werde. „Ich kann jeder Gemeinde nur raten, darauf nicht hereinzufallen“, sagt Helmut Görling.
Die Gemeinde müssen gute Verträge aushandeln
Aussichtslos ist die Lage für die Gemeinden allerdings nicht. „Alles ist Verhandlungssache und kann vertraglich verbindlich vereinbart werden. Ein fester Betrag oder aber ein Anteil, der sich an den in der Gemeinde erzeugten Kilowattstunden orientiert, sind eine Möglichkeit.“ Jede Gemeinde könne darauf Einfluss nehmen. „Nichts scheuen diese Unternehmen mehr, als dass sich ein Verfahren über Jahre hinzieht. Sie wollen schnell zum Ziel kommen. Das spielt den Gemeinden in die Hände“, sagt der Anwalt. Auch die Landeigentümer hätten Möglichkeiten, über ihre Pachteinnahmen die Gemeinden zu beteiligen.
Auch wenn die Tinte unter den Verträgen für den Windpark in Pronstorf schon lange trocken ist, ganz aussichtslos sieht Helmut Görling die Lage für Pronstorf nicht: „Tobias Reichmuth, dem der Windpark Pronstorf wirtschaftlich gehört, gilt als schwerreich. Er ist in der Schweiz ein bekannter Mann und dass die Pronstorfer den Windpark nicht nur vor der Nase haben, sondern auch davon profitieren wollen, ist für jeden verständlich.“
Anwalt Helmut Görling spekuliert auf die Eitelkeit des Investors: „In einem schlechten Licht zu stehen und von der Presse verrissen zu werden, wird auch er nicht wollen. Damit nicht allein die Investoren und Banken daran verdienen, würde ich ihn einfach anschreiben und auffordern, seine Schatulle zu öffnen, um die Pronstorfer am wirtschaftlichen Erfolg des Windparks teilhaben zu lassen.“