Tangstedt. Situation am Baggersee bereitet der Gemeinde immer größere Probleme. Öffnung in den Ferien ist längst nicht gesichert.
Das Objekt der Begierde ist nahezu unberührt. Nur abtauchende Vögel oder gelegentliche Windstöße sorgen für Bewegung. Je nach Sonnenstand schimmert das Wasser türkis. In diesen Wochen ist die Costa Kiesa sich selbst überlassen. Doch in Tangstedt ist der Baggersee wieder einmal Gesprächsthema Nummer eins. Erst recht, seitdem die Bucht und die Strandabschnitte von der Gemeinde gesperrt worden sind, während ringsherum eine Fachfirma aufwendig einen Grenzzaun errichtet – die Voraussetzung, damit in diesem Sommer vielleicht noch gebadet werden kann.
Wer soll den Baggersee betreuen?
Auf der Nordseite des Sees stehen die „Freunde der Costa Kiesa“ missmutig vor den Stahlstreben. Die Freunde sind ein Zusammenschluss von Menschen nicht nur aus Tangstedt, sondern auch aus Norderstedt, Hamburg oder Ellerau, sie wollen eine stärkere Stimme sein für all diejenigen Personen, denen die „Kiesa“ am Herzen liegt. Auf der Internetseite freundecostakiesa.de kann Kontakt aufgenommen werden.
„Es muss etwas passieren“, sagt Heino Meyer, der vorerst als Sprecher fungiert – noch ist der avisierte Verein in der Gründungsphase. „Unser Hauptziel: Der Erhalt und die Zugänglichkeit der Costa Kiesa für die verschiedensten Gruppen. Es soll möglichst nicht kommerzialisiert, sondern sozialverträglich sein.“ Am besten kostenlos. „Und es sollte das ganze Jahr offen sein, nicht nur für ein paar Monate im Sommer.“ Als Betreiber wolle man aber keinesfalls fungieren. „Nein, nein, um Gottes Willen. Das ist Sache der Gemeinde.“
Badeverbot trifft alle Menschen gleich
Es sind die unterschiedlichsten Besucher, die es nach Tangstedt zieht. „Familien mit Kindern, dann Jugendliche, die nicht nur zum Baden kommen, sondern die „Kiesa“ als Treffpunkt nutzen“, so Meyer. Dann gebe es Sportler wie die Triathleten, Naturfreunde oder Bürger, die nach Feierabend ausspannen wollen.
Und: Die Ganzjahresbader. So wie Wolf Osterchrist. „Es kommen viele Menschen, die chronische Krankheiten haben. Durch das kalte Wasser werden diese gelindert. Bisher konnten wir ohne Probleme hier baden.“ Jetzt ist auch diese Gruppe ausgesperrt – und fühlt sich zu Unrecht gegängelt. Sie hätten doch niemandem etwas getan, vielmehr Müll gesammelt und auch aufgepasst.
260.000 Euro kostete die Security im Sommer 2020
Bürgermeister Jürgen Lamp (CDU) versteht den Frust. „Ich will die Ganzjahresbader gerne unterstützen. Genauso wie die Familien. Aber nach jetzigem Stand geht es nur mit Badeaufsicht.“ Der See ist eine rechtlich komplizierte Angelegenheit geworden. Auch wegen Corona. Lamp erinnert an das Frühjahr 2020. „Ich musste von einem Tag auf den anderen nicht nur ein Bade-, sondern auch ein Betretungsverbot verhängen.“
Denn als wegen der Beschränkungen fast alles geschlossen war, blieb nur die „Kiesa“. Und wurde mit steigenden Temperaturen zum Ausflugsziel Nummer eins. „Herr Lamp, das geht so nicht, sie bekommen hier einen Hotspot“, schimpfte das Stormarner Gesundheitsamt.
Tangstedt kam in Zeitnot, Ideen wurden nicht umgesetzt
Weil die Politik seinerzeit noch nicht wieder tagte, entschied der Bürgermeister, einen Sicherheitsdienst – die Firma Mebo – einzusetzen. Die Kosten stiegen über den Sommer auf rund 260.000 Euro, die Politik – auch Lamps eigene Fraktion – war darüber überhaupt nicht glücklich. Allerdings wurden über den Winter nicht die Voraussetzungen für einen ruhigen Sommer 2021 geschaffen.
Zwar wurde wiederum im Frühjahr ausführlich über die Möglichkeit eines Betriebes mit einem Caterer, sanitären Anlagen und Eintrittsgeld debattiert – Vorbild war der Itzstedter See. Die Amtsverwaltung in Itzstedt unterstützte das Ansinnen aktiv, auch finanzielle Hilfe wurde zugesagt.
Doch Tangstedt kam in Zeitnot. Ohne Ausschreibung, Gebührensatzung oder baurechtlicher Klärung war keine der Ideen umsetzbar. „Die Gemeinde hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht“, sagt Heino Meyer. „Dabei ist der See überregional interessant. Allein die Tangstedter Kleinstaaterei kann es nicht sein.“
60.000-Euro-Zaun und ein Sicherheitsdienst
Was blieb, war der Zaun für etwa 60.000 Euro. Und ein neuer Sicherheitsdienst, das Lübecker Unternehmen Vitense. „Schrecklich, was hier gemacht worden ist“, so die Meinung der „Kiesa“-Freunde zu der Baumaßnahme. „Als ich den Zaun gesehen habe, kamen mir fast die Tränen. Das Paradies wird verschandelt“, sagt Stephan Leß, ein FKK-Freund, der aus Wandsbek mit dem Fahrrad nach Tangstedt fährt.
Der Zaun sorgt für Stress, teilweise wurde schon versucht, ihn zu demontieren. Davon kann Raymund Haesler zur Genüge berichten. Dabei ist der frühere SPD-Gemeindepolitiker und heutige Archivar erst seit ein paar Wochen der offizielle „Kiesa“-Koordinator, bestellt von der Gemeindevertretung.
Katz-und-Maus-Spiel zwischen Besuchern und Security
Regelmäßig erhält er nun zum Beispiel die Berichte der Security-Leute. „Am letzten Sonnabend war es heftig. Keine aggressiven Leute, aber eine Masse.“ Mutmaßungen gehen von rund 200 Personen aus, die zum See wollten. Teilweise sei gewartet worden, bis Vitense abends die Schicht beendet hatte, ehe sich größere Gruppen zum Strand aufmachten. Der Sicherheitsdienst kehrte zurück – und scheuchte die Menge auf.
Auf Nachfrage schildert die Segeberger Polizei die Situation gelassener. „Es waren wenige Menschen, die sich nicht daran halten. Die werden vom Sicherheitsdienst angesprochen. Wir wurden hinzugerufen, um die Platzverweise vernünftig durchzusetzen“, sagt Polizeisprecher Holger Matzen.
Tangstedter genervt von Badegästen
Als Gefahrenpunkt gilt zudem der Firmenbereich von Eggers, jenem Unternehmen, dem die meisten Flächen an der „Kiesa“ gehören. „Das ist zu einer illegalen Badestelle geworden“, so Jürgen Lamp. „Eggers muss dort von ihrem Hausrecht Gebrauch machen. Bei Temperaturen von 30 Grad kommt es sonst zum Katz-und-Maus-Spiel.“ Die Firma äußerte sich auf Anfrage nicht.
Wer sich äußert, das sind die Tangstedter. So rief eine Frau in der Redaktion an, um ordentlich Dampf abzulassen. Sie moniert beispielsweise, dass Autos in Wilstedt-Siedlung auf den Randstreifen parken. „Aus Norderstedt und Hamburg kommen die Chaoten, machen hier ihren Mist. Und wir sammeln die Flaschen ein. Wenn der Sicherheitsdienst weg ist, dann ist Remmidemmi.“ Sie fordert: Die größeren Parkplätze an der Harksheider Straße und am Kringelweg sollten für immer geschlossen bleiben. Dann könnte man nur noch mit dem Fahrrad oder zu Fuß kommen.
Badeaufsicht ist für diesen Sommer noch nicht geregelt
Raymund Haesler stellt aber klar: „Wir öffnen die Parkplätze wieder, wenn der Badebetrieb losgeht.“ Vitense wäre bereit, den Einlass zu kontrollieren – maximal 750 Besucher wären gestattet. Doch eine Bedingung muss erfüllt sein: Die drei offiziellen Strände müssen von Rettungsschwimmern überwacht werden. Das soll die DLRG Norderstedt übernehmen.
Allerdings besagt das Badesicherheitsgesetz seit diesem Jahr, dass stets mindestens zwei Aufsichtspersonen vor Ort sein müssen. Vermutlich ist sogar mehr nötig, wie ein Ortstermin mit der DLRG und der Amtsverwaltung jetzt ergab. „Wir müssen auch einen Nichtschwimmerbereich eingrenzen.“ Aufgefallen ist zudem: „Der Pegel ist gegenüber Ende Mai um ungefähr einen Meter gefallen. Es war sehr trocken, und die Firma Eggers baggert weiter. Der Strand wird dadurch zwar länger, aber ich bin als Schwimmer schneller in der Tiefe.“
Ziel: Badebetrieb ab Ende Juli
Was momentan bleibt, ist, die Menschen irgendwie davon abzubringen, auch nur nach Tangstedt zu kommen. Deswegen hat der stellvertretende Bürgermeister Jens Kleinschmidt (FDP), selbst Busfahrer, mit Genehmigung der VHH Hinweisschilder an den ZOBs in Norderstedt-Mitte und Glashütte aufgehängt, mit denen auf das Betretungsverbot der Costa Kiesa hingeweisen wird. „Die Leute sollen gar nicht erst in den 378er-Bus steigen“, so der Liberale.
Wie lange die „Kiesa“ noch abgeschottet werden soll? „Ich habe keine Glaskugel“, sagt Jürgen Lamp. „Es bleibt das Ziel, den Badebetrieb bis Mitte, Ende Juli freizugeben. Aber versprechen kann ich es nicht.“