Bad Segeberg. Toni Köppen ist seit einem halben Jahr Bürgermeister in Bad Segeberg. Das Hamburger Abendblatt befragte ihn nach seinen Erfahrungen.
Von der Piratenpartei, deren stellvertretender Landesvorsitzender er war, über die WI-SE (Wählerinitiative Kreis Segeberg) direkt auf den Chefsessel im Segeberger Rathaus: Seit einem halben Jahr ist Toni Köppen (39) Bürgermeister in Bad Segeberg. Die Mehrheit der Segeberger Wähler traut dem früheren IT-Manager aus dem Baubeschlagshandel zu, die Verwaltung zu führen, die anstehenden Probleme zu lösen und der Kreisstadt darüber hinaus neue Impulse zu geben. Wie geht es Toni Köppen nach rund 180 Tagen als Bürgermeister? Kann er seine Pläne verwirklichen? Ist er im Rathaus angekommen? Das Hamburger Abendblatt traf sich zu einem Gespräch mit dem Verwaltungschef der Kreisstadt.
Wie geht es Ihnen, Herr Köppen? Haben Sie das Rathaus erobert?
Toni Köppen: Gerade die Anfangszeit war für mich – holprig will ich jetzt nicht sagen – interessant. Im Vergleich zur vorherigen Tätigkeit ist es ja etwas gänzlich Neues. Innerhalb der Verwaltung wurde ich mit Argusaugen beobachtet: Womit mussten die Mitarbeiter rechnen? Die Anfangszeit war also ein Herantasten von beiden Seiten. Ich musste durchschauen, wie die Verwaltung arbeitet, wo es sofortigen Handlungsbedarf gibt. Es war eine sehr spannende Anfangszeit, aber ich wurde ganz schnell aus der Experimentierphase herausgeholt und in den Arbeitsalltag eines Bürgermeisters gestoßen.
Haben Sie das Verwaltungsgeschehen schon bis ins Letzte durchschaut?
Ich glaube, bis ins Letzte wird man es nie durchschauen können, dafür sind die Prozesse zu vielfältig. Gleichwohl bin ich kein Fremdkörper mehr in der Verwaltung. Ich bin integriert, ich bin im Bilde, was wie und wo funktioniert, wie Verwaltung tickt und arbeitet. Es ist ja nicht nur die Verwaltung. Es kommt der Schulverband dazu, der Zweckverband Mittelzentrum, die Kalkberg GmbH, die eigenen Werke in der Stadt, Noctalis und viele Dinge, die man Kraft des Amtes ausüben, in die man sich einarbeiten und vertiefte Kenntnisse bekommen muss.
Haben Sie einiges an den Handlungsabläufen in der Verwaltung ändern können?
Ich bin ja angetreten, um mehr Digitalisierung in der Verwaltung und in der Stadt einzuleiten, und wir sind sehr schnell zu weitreichenden Entscheidungen gekommen. So bekommen wir zum Beispiel Bewerbungen heute digital, wobei die Bewerbungsgespräche natürlich in Präsenz geführt werden. Zum Jahresende werden wir den digitalen Haushalt etablieren. Wir sind auch an den sogenannten weichen Faktoren dran: Empfangsbestätigungen bei E-Mails, telefonische Erreichbarkeit, Online-Terminvergabe und anderes. Das sind die ersten Schritte, aber viele Dinge sind langfristig angeordnet.
Im Wahlkampf hatten Sie zugesichert, dass Parkgebühren in Bad Segeberg bald digital abgerechnet werden können. Konnten Sie diesen Plan verwirklichen?
Ja, es hat dreieinhalb Monate gedauert, um das umzusetzen. Seit Mitte Oktober läuft es in der Stadt. Im nächsten Jahr machen wir den Folgeschritt und werden die Parksensorik einführen, damit die Nutzer erkennen können, wo es freie Parkplätze gibt. Das geschieht auch im Hinblick auf die Karl-May-Saison.
Wie funktioniert das digitale Parken eigentlich?
Wer will, kann mit Kleingeld an der Säule bezahlen, es besteht jetzt aber die Möglichkeit, eine Park-App zu nutzen. Der Vorteil ist, es wird minutengerecht abgerechnet. Für diesen Dienst haben wir einen großen Anbieter gewählt. Diese Park-App kann übrigens auch bundesweit genutzt werden.
Es gab viele Beschwerden über die Parkplatzsituation während der Karl-May-Spiele. Es hat sich auch eine Bürgerinitiative gebildet. Was können Sie ändern?
Wir werden das Parkleitsystem ausprobieren, womit wir glauben, dass wir dieses Problem tatsächlich etwas in den Griff bekommen werden. Nach der nächsten Karl-May-Saison, die hoffentlich 2022 stattfinden wird, wollen wir evaluieren, wie es funktioniert hat und an welchen Stellschrauben wir noch drehen müssen. Wir werden das natürlich zusammen mit der Bürgerinitiative thematisieren.
Welche größeren Themen wollen Sie in Zukunft angehen?
Der Tourismus hat für mich einen großen Stellenwert, weil wir neben den Karl-May-Spielen noch etwas anderes haben müssen. Deshalb war es mir wichtig, dass wir uns im touristischen Bereich personell verstärken, um uns auch ein Stück weit neu zu erfinden. Die Stadtvertretung hat dazu einen entsprechenden Beschluss gefasst. Ich hätte gerne neue Standbeine, die auch bundesweit bekannt werden. Durch den landschaftlichen Flair und viele kulturelle Einrichtungen werden wir touristisch einen großen Mehrwert haben. Das gilt es zu bündeln, miteinander zu verknüpfen und dann gut zu vermarkten. Wir müssen auch die Chancen nutzen, die wir zum Beispiel durch eine feste Fehmarnbelt-Querung bekommen oder auch perspektivisch durch den Weiterbau der A 20. Wir müssen da auch mal neue Wege gehen, wobei neue Ideen eigentlich nicht zerredet werden sollten.
Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit der Politik im Ort gemacht?
Ich bin mir sehr sicher, dass ich ein gutes Verhältnis zur Politik pflege. Das ist vielleicht auch dem Umstand geschuldet, dass ich schon mal auf der Seite der Politik gesessen habe. Im Kreistag habe ich ja acht Jahre aktiv Politik betrieben. Ich kann also Sorgen und Nöte aus Sicht der Politik nachvollziehen. Auch wenn ich bei der Bürgermeisterwahl nicht von allen Fraktionen unterstützt wurde, glaube ich, dass wir auf einem sehr guten Weg miteinander sind. Es gibt eine gute Grundstimmung zwischen Politik und Verwaltung, das war in der Vergangenheit nicht immer so. Jede Fraktion ist für mich gleichermaßen wichtig, es gibt keine Vorzüge für die eine oder andere.
Einer Ihrer Pläne war es, einen Podcast für Jugendliche zu etablieren. Wie weit sind Sie damit gekommen?
Ich überlege noch, mit welchem Medium ich in die Öffentlichkeit gehe. Die technischen Möglichkeiten haben wir inzwischen. In der Stadtbücherei gibt es technische Voraussetzungen für alles Mögliche. Konkret werde ich damit im nächsten Jahr weiter voranschreiten und etwas in dieser Form etablieren, um auch die Jugendlichen zu informieren und ihnen mitzuteilen, was in der Stadt läuft. So können auch Missverständnisse ausgeräumt werden. Wenn wir darüber reden, dass die Seepromenade nachts mal bestreift werden soll, weil es dort Vandalismus gibt, denken viele Jugendliche, die Stadt wolle sie dort verjagen. Das ist aber nie der Ansatz gewesen, die können dort feiern. Ich werde mich mit den Mitarbeitern der offenen Jugendarbeit abstimmen, um zu klären, wie ich die jungen Leute erreichen kann.
Sind Sie noch Herr Ihres Terminkalenders?
Zu 70 Prozent nein, zu 30 Prozent kann ich Einfluss nehmen. Aber ich habe im Vorzimmer eine sehr aufmerksame Mitarbeiterin, die mir entsprechende Freiräume gibt.
Sie nehmen viele Termine auch abends wahr. Was sagt Ihre Familie dazu?
Früher war ich mit meinem alten Beruf und der ehrenamtlichen politischen Tätigkeit auch viele Abende unterwegs. Ich habe meiner Familie gesagt, dass es sich nicht verändert. Als Bürgermeister habe ich einen Beruf für alles. Aber es ist in den Hochphasen schon so, dass man sieben Tage in der Woche tätig und zu Hause auch noch gedanklich mit der Arbeit beschäftigt ist. Das wirkt sich natürlich auf das Familienleben aus. Ich war zwei Jahre im Homeoffice und immer sichtbar, jetzt bin ich durch Termine fremdbestimmt. Ich muss mir bewusste Auszeiten mit der Familie einplanen, was nicht immer einfach ist. Vor der Kandidatur gab es klare Familienverhandlungen, die hauptsächlich von meinen beiden Töchtern geführt wurden. Die erwarteten als Ausgleich ein Pferd. Dagegen hatte ich mich jahrelang gewehrt, aber jetzt waren sie in der besseren Verhandlungsposition – es hat also ein Pferd gegeben.