Grosshansdorf. Monika (68) und Claus Lorenzen (69) wollten ein Tier aus dem Heim aufnehmen. Doch wegen ihres Alters bekamen sie eine Absage.
Monika und Claus Lorenzen aus Großhansdorf sind empört. „Wir wollten doch etwas Gutes tun“, sagen sie. Das Ehepaar wollte eine Katze aus dem Großhansdorfer Tierheim aufnehmen, doch das ein Jahr alte Tier, das sie sich ausgesucht hatten, wurde ihnen verwehrt. Die Begründung: Die Eheleute seien mit 68 und 69 Jahren zu alt. Eine Katze könne ein Alter von bis zu 20 Jahren erreichen, deshalb sollten Menschen in fortgeschrittenem Lebensalter lieber ein älteres Tier zu sich nehmen. „Das habe ich als verletzend empfunden“, sagt Monika Lorenzen.
Bis vor wenigen Jahren hat die Großhansdorferin noch als Lehrerin an der Grundschule Wöhrendamm unterrichtet. Gemeinsam mit ihrem ebenfalls pensionierten Mann führt sie einen kleinen Verlag und ist regelmäßig auf Messen zu Gast. Beide fühlen sich nach eigenen Angaben „topfit“. Umso mehr habe sie überrascht, dass ihr Alter nun plötzlich ein Ausschlusskriterium sein solle. „Ich hatte die Katze auf der Internetseite des Tierheims gesehen und mich sofort in sie verguckt“, sagt die 68-Jährige. Gern wollte das Ehepaar dem ein Jahr alten Tier ein Zuhause bieten.
Das Ehepaar hat langjährige Erfahrungen mit Katzen
Die Bedingungen schienen optimal. Die Lorenzens haben langjährige Erfahrung mit den Vierbeinern. „Wir hatten eigentlich immer eine Katze“, sagt Claus Lorenzen. Auch das vorangegangene Tier, das vor fünf Jahren starb, hätten sie aus dem Heim geholt. „Wir haben einen großen Garten, der viel Auslauf bietet, und wohnen in ruhiger Lage.“ Außerdem seien sie beide im Ruhestand, hätten deshalb Zeit, sich um ein Tier zu kümmern. Ihre Tochter habe selbst eine Katze, könne im Ernstfall übernehmen.
„Also habe ich beim Tierheim angerufen und zunächst schien auch alles zu passen“, sagt Claus Lorenzen. Doch dann sei, für ihn aus heiterem Himmel, die Frage nach dem Alter gekommen. „Wenn Sie beide über 80 sind und sterben, was wird dann aus der Katze?“, habe die Mitarbeiterin des Tierheims gefragt. Die Tiere stünden im Vordergrund und nicht die Menschen, habe die Dame am anderen Ende der Leitung betont. Daraufhin habe er das Gespräch beendet.
Claus Lorenzen fühlt sich diskriminiert
„Ich empfinde das als diskriminierend“, sagt Claus Lorenzen, „auch wenn ich dem Heim keine böse Absicht unterstelle.“ Es gebe viele einsame Menschen, für die ein Tier gerade im Alter ein wichtiger Gefährte sei. „Sollen die alle kein Haustier mehr bekommen?“ Das Tierheim habe doch die Absicht, Tieren ein neues Zuhause zu vermitteln. „Auch bei älteren Menschen, die sich liebevoll kümmern, geht es ihnen doch besser als in einem Käfig“, meint der 69-Jährige und fügt hinzu: Bei uns hätte es die Katze gut gehabt.“
„Wir möchten niemanden verletzen“, sagt Monika Ehlers vom Vorstand des Tierheims in Großhansdorf. Die Mitarbeiterin habe sich am Telefon misslich ausgedrückt. Für die Pfleger stehe jedoch das Wohl des Tieres im Mittelpunkt. Ziel sei es, ihnen ein bestmögliches Zuhause zu vermitteln. Ob ein Tier zum Halter passe, sei nicht ausschließlich vom Alter abhängig. Doch in diesem Fall handele es sich um eine noch sehr junge Katze. „Sie werden bis zu 20 Jahre alt, da ist es schon eine sinnvolle Überlegung, ob ein älteres Tier nicht besser passt“, sagt Ehlers. Dabei wolle sie gar nicht bestreiten, dass die Lorenzens fit genug seien, um die Katze zu versorgen.
Viele Tiere werden nach Tod der Halter zurückgebracht
„Darüber hinaus schauen wir auch auf weitere Kriterien“, betont die Tierschützerin. „Etwa ob es sich um eine Wohnungskatze oder einen Freigänger handelt, und ob sie Einzelgängerin ist oder einen Gefährten braucht.“ Ehlers: „Im Optimalfall machen wir uns bei einem persönlichen Treffen ein Bild.“
„Das Alter ist schon ein wichtiges Kriterium, aber nicht das entscheidende“, sagt Heike Reher vom Tierheim Bad Oldesloe. „Wir schauen beispielsweise auch, ob es Angehörige im Hintergrund gibt, die das Tier im Zweifelsfall übernehmen würden.“ Hier gehe es jedoch darum, im Einzelfall zu entscheiden. Reher: „Wir haben aber die Erfahrung gemacht, dass viele Tiere nach dem Tod ihrer Halter zu uns zurückgebracht werden, selbst wenn es Kinder gibt, die sie eigentlich aufnehmen wollten.“ Oft passe es dann plötzlich doch nicht.
Auch in Reinbek wird auf das Alter der Interessenten geachtet
„Für die Tiere ist es eine traumatische Erfahrung, wenn sie schon einmal im Heim waren und dann zu uns zurückgebracht werden“, sagt Karen Schönbrodt vom Tierheim Einhorn in Reinbek. „Deshalb wollen wir sie möglichst so vermitteln, dass sie lebenslang bei ihren neuen Haltern bleiben.“ Auch sie lehnt eine Abgabe besonders junger Tiere an Menschen im fortgeschrittenen Lebensalter deshalb meist ab. Doch auch an sehr junge Leute vermittle sie in der Regel keine Tiere.
„Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass sich, wenn man 25 ist, noch Vieles im Leben schnell ändern kann und eine Katze dann plötzlich nicht mehr passt“, sagt Schönbrodt. Ein neuer Job, der Umzug in eine Wohnung oder eine Trennung führten oft dazu, dass die Vierbeiner wieder im Tierheim landeten.
Das Ehepaar möchte nun keine Katze mehr aufnehmen
Rechtlich gesehen gebe es keine Altersbegrenzung für das Halten von Tieren, sagt Frank Brinker, Leiter des Veterinäramtes beim Kreis. „Wer ein Tier aus einem Tierheim erhält, muss aber seine Versorgung sicherstellen können“, sagt er. Dazu zählten eine angemessene Ernährung und Pflege sowie eine artgerechte Unterbringung. Tierheime seien nicht verpflichtet, ihre Schützlinge an jeden Interessenten abzugeben.
Bei Monika und Claus Lorenzen hat das Großhansdorfer Tierheim einige Tage später erneut angerufen, um die Wogen zu glätten. Die Mitarbeiterin habe ihnen eine ältere Katze angeboten. „Die würde eher zu uns passen und wir könnten in unserem ‚fortgeschrittenen‘ Alter besser mit ihr umgehen als mit einem jungen wilden Tier“, sagt Monika Lorenzen. Die beiden hätten abgelehnt. „Für uns wäre diese Katze jetzt immer gedanklich mit unserem Lebensende verbunden gewesen“, sagt sie. Das Ehepaar möchte nun keine Katze mehr bei sich aufnehmen.
So gehen Tierheime und Tierschutzorganisationen im Kreis Segebergmit dem sensiblen Thema um
Junge Katzen zu jungen Leuten, alte Katzen zu alten Menschen – das scheint das Motto des Tierheims Großhansdorf zu sein, wenn es um die Vermittlung seiner Tiere geht. Aber wie gehen Tierschutzorganisationen und Tierheime im Kreis Segeberg mit dem Thema um?
„Das Alter der potenziellen Halter spielt bei uns nicht die entscheidende Rolle. Vielmehr muss sichergestellt sein, dass sich im Krankheits- oder Notfall Verwandte oder aber andere Personenzuverlässig um das Tier kümmern können“, sagt Claudia Keck vom Norderstedter Verein Straßentiger Nord. „Wir gucken genau, ob bei einer Vermittlung Mensch und Katze auch wirklich zusammenpassen. Bei Seniorinnen und Senioren achten wir darauf, dass sie fit genug sind, um ein junges Tier auch ausreichend beschäftigen zu können“, sagt sie. Ein Zuhause, so betont Keck, sei aber immer besser als ein Leben im Tierheim – auch wenn es nur für eine begrenzte Zeit sei. Straßentiger Nord vermittelt jährlich gut 150 Katzen. Durch einen Schutzvertrag verpflichtet sich der Norderstedter Verein in Zwangslagen zur Rücknahme – zwei bis drei Tiere werden pro Jahr zurückgebracht, etwa weil die Halter versterben.
Tierschutzvertrag sollten auch Verwandte unterschreiben
„Katzen können bis zu 20 Jahr alt werden, da ist es für sie traumatisch, wenn sie im Alter ihr Zuhause verlieren“, gibt Anja Steffen vom Verein Tierschutz Bad Segeberg zu bedenken. Allerdings möchte auch sie nicht pauschalieren, sondern die Einzelumstände bei einer Vermittlung betrachten. Sie betont allerdings: „Menschen, die nicht möchten, dass die Katze vor ihnen stirbt, sind egoistisch. Oftmals ist es besser, ein altersentsprechendes Tier aufzunehmen; wir beraten dabei gerne.“
Wenn rüstige Senioren eine Katze oder einen Hund zu sich holen möchten, legt Katja Vogel vom Tierheim Henstedt-Ulzburg Wert darauf, dass sich auch Kinder, Verwandte oder Nachbarn vorstellen und sogar den Tierschutzvertrag mit unterschreiben, um die Versorgung des Tieres in Notfällen sicherzustellen. „Ein Tier darf auf keinen Fall zum Wanderpokal werden“, betont die Leiterin des Tierheims, das jährlich etwa 300 Katzen und 200 Hunde vermittelt