Henstedt-Ulzburg/Lüneburg. Hermann Dossmann pendelt zwischen seiner Praxis und dem Henstedt-Ulzburger Eigenheim, wo er im Keller seine Songs aufnimmt.

Was für eine Vorstellung: Da geht man als geplagte Kreatur zum Arzt, um sich untersuchen und heilen zu lassen – und eines Tages erscheint die Krankheitsgeschichte als musikalischer Beitrag auf einer CD. Das ist nicht ausgeschlossen, wenn der behandelnde Arzt Dr. Hermann Dossmann heißt. Aber ernsthafte Befürchtungen sollen gar nicht erst aufkommen: Der in Henstedt-Ulzburg lebende und in Lüneburg praktizierende Arzt lässt sich durch Patientengespräche höchstens anregen, um neue Lieder zu schreiben. Aber niemals gibt er irgendwelche ärztlichen Geheimnisse preis. Die Schweigepflicht wird nicht angetastet.

Hermann Dossmann – viele Hen­stedt-Ulzburger werden ihn noch als leitenden Oberarzt und kommissarischen Chefarzt der Paracelsus-Klinik kennen – lebt in höchst unterschiedlichen Welten. Von Montag bis Freitag praktiziert er als Internist, Gastroenterologe und Hausarzt in seiner Lüneburger Gemeinschaftspraxis an der Straße Vor dem Bardowicker Tore, an den Wochenenden musiziert er im Keller seines Henstedt-Ulzburger Reihenhauses. Und manchmal steht er auch auf der Konzertbühne in Clubs oder Veranstaltungsräumen in ganz Deutschland.

Im Keller ist er von seinen Instrumenten umgeben: 19 Saiteninstrumente (Gitarren, Banjo, Mandoline), elektrisches Schlagzeug, Keyboard, Blasinstrumente. Dazu modernstes Equipment, um das Gespielte aufnehmen und abmischen zu können. Natürlich hält er sich nicht immer dort auf, weil in den oberen Räumen schließlich die Familie auf den Ehemann und Vater wartet.

In Henstedt-Ulzburg hat der musizierende Arzt schon seit Jahren ein festes Publikum: Als Hando Man hat er die Besucher des Kunst- und Kulturfestivals (KuKuHU) bestens unterhalten. Der Alleinmusiker mit der tragbaren Bigband genießt einen gewissen Kultstatus. Aber diese Zeiten sind vorbei: Hando Man ist in den Ruhestand gegangen, es lebe Hermann Dossmann, der unter seinem richtigen Namen das Album „Drehstuhlpilot“ herausgegeben hat.

Der Unterschied zu früher: Hando Man hat hauptsächlich gecoverte Songs gespielt, Hermann Dossmann spielt selbst Erdachtes – mal erdig-kernig, mal rockig, mal schräg, mal betont bluesig, mal als Reinhard-Mey-Verschnitt mit verschachtelten Texten. Aber immer virtuos und mit angenehm jugendlich klingender Stimme.

Arzt, Vater, Komponist und Arrangeur in einer Person

Überhaupt ist der Mediziner mit seinen 61 Jahren ein rundherum jung gebliebener Typ, der beim Gitarrespielen lässig sein Käppi aufsetzt. Nicht um seinen kahlen Kopf zu verstecken, sondern um das Schlaraffia-Emblem zu zeigen. Denn Hermann Dossmann gehört zu der 1859 in Prag gegründeten Vereinigung zur Pflege von Freundschaft, Kunst und Humor. Diese Vereinigung verhilft ihm zu Auftritten in ganz Deutschland. „Ein bis zwei Konzerte im Monat, mehr schaffe ich nicht“, sagt Hermann Dossmann, der sein Henstedt-Ulzburger Mittelreihenhaus geschickt in einen seiner Songs untergebracht hat. Schließlich ist er Arzt, Familienvater, Komponist, Texter, Arrangeur und Produzent in einer Person – das muss erst mal unter einen Hut gebracht werden. Er gastiert in Clubs, bei Kulturfestivals oder auch mal bei einer privaten Feier.

Die Leidenschaft für die Musik liegt ihm ebenso im Blut wie die Leidenschaft für die Medizin. Mit einer seiner früheren Bands „(Trock’n Doc“) schaffte er es einst sogar in die Radio-Charts. In Hen­stedt-Ulzburg ist er noch in der Rockband Holly-Days aktiv, in der Sohn Lino (19) das Schlagzeug bedient.

Das Gitarrespielen hat Hermann Dossmann bei den Pfadfindern gelernt und später in Jazzkursen verfeinert. Studiert hat er an der Christian-Albrecht-Universität in Kiel und der Ruhr-Universität Bochum, wo er auch promoviert hat.

Als „singender Doc“ hat er beide Lebensziele geschickt miteinander verbunden, wobei ihm die Gespräche mit Patienten eine Inspirationsquelle für recht anspruchsvolle Texte sind. Nicht nur, aber auch.

Die aktuelle CD des Musikers heißt „Drehstuhlpilot“

Er befasst sich in seinem Songs mit zumeist anspruchsvollen Themen, mit Alltagserfahrungen in der Hotline-Warteschleife, mit herbstlichen Stimmungen und zärtlichen Gefühlen. „Die Leute sollen bei meinen Konzerten zuhören.“ Oder auch mal mitgrooven, aber bitte dezent. „Schüttel das Ei“ ist so ein absurd geschütteltes Lied, das zum Mitzucken veranlasst. Wenn sich Hermann Dossmann eines Tages aus Altersgründen aus seiner Praxis zurückziehen muss, kann er sich immer noch seiner Musik widmen und ohne Rücksicht auf Dienstzeiten voll durchstarten. Auf inspirierende Gespräche mit Patienten wird er verzichten müssen, aber vermutlich wird ihm auch ohne diese Anregungen genügend Gereimtes einfallen.