Norderstedt. Elke Christina Roeder (SPD) ist seit drei Jahren Oberbürgermeisterin in Norderstedt. Sie zieht eine positive Halbzeitbilanz.
"Drei Jahre OB Roeder in Norderstedt" – so lautete jüngst die Überschrift des Berichts zu meiner Halbzeitbilanz als Norderstedter Oberbürgermeisterin. Kalendarisch richtig, aber wer fair und ehrlich ist, wird feststellen, dass wir über eine Bilanz der Arbeit von zwei Jahren sprechen können – denn dann kam Corona.
Die vergangenen zwölf Monate sind sicherlich in keiner Weise nach normalen Maßstäben zu werten. Und dennoch möchte ich, in ganz dicken Anführungsstrichen wegen der Dramatik der Lage, von einer guten Arbeit der Stadtverwaltung unter meiner Führung während der allgegenwärtigen Corona-Pandemie sprechen: Zu einem sehr frühen Zeitpunkt haben wir beispielsweise eine sogenannte Lagerunde (Krisenstab) einberufen; zu einem sehr frühen Zeitpunkt haben wir ein „Bürgertelefon“ installiert, um den Menschen der Stadt mit Rat zur Seite zu stehen. Und wir haben erfolgreich dafür gekämpft, ein eigenes Impfzentrum nach Norderstedt zu bekommen, was zum 1. März seine Arbeit aufnimmt.
Für mich sind die vergangenen drei Jahre wie im Fluge vergangen. Ich bin weiterhin gerne als Oberbürgermeisterin dieser Stadt tätig. Trotz der teils massiven Kritik aus Reihen der Politik habe ich weiterhin Lust auf diese Aufgabe. Wenn ich dann von Politikern lese, die sagen, in drei Jahren sei ja Schluss … so entgegne ich: „Challenge accepted“ – Herausforderung angenommen! Ich bin mit meinen Ideen und Plänen für Norderstedt noch lange nicht am Ende!
Eine Sozialdemokratin folgte auf einen Christdemokraten
Der Wechsel, der durch meine Wahl als Oberbürgermeisterin vollzogen wurde, war einschneidend: Eine Frau folgte einem Mann auf dem Chefsessel; eine externe Bewerberin folgte einem altgedienten, erfolgreichen Amtsinhaber, der Jahrzehnte lang gewirkt hatte; eine Sozialdemokratin folgte einem Christdemokraten. Manche haben dies bis heute nicht akzeptiert beziehungsweise überwunden …
Nicht zu vergessen: Innerhalb von nur einer Amtsperiode wurden beziehungsweise werden alle Dezernenten der Stadtverwaltung ausgetauscht. Im zweiten Jahr meiner Amtszeit habe ich den langjährigen Baudezernenten Thomas Bosse verabschiedet und seinen Nachfolger Dr. Christoph Magazowski begrüßt. Und zum Ende dieses Jahres verlässt uns unsere langjährige Sozialdezernentin Anette Reinders.
Zu Beginn habe ich immer wieder, das ist nachzulesen, allen Fraktionen, Vereinen, Initiativen, allen Gruppen den offenen und konstruktiven Dialog zum Wohle der Stadt angeboten. Nicht alle haben davon Gebrauch gemacht – vergessen wir nicht, dass ich in den Reihen der Politik gleich einer ganzen Reihe von Vertretern verschiedener Fraktionen gegenübersitze, die selbst den Posten an der Verwaltungsspitze besetzen wollten.
Apropos Dialog: Ich habe von Beginn an gezielt das Gespräch mit möglichst vielen Menschen gesucht und deshalb auch erstmals das Angebot einer „Bürgersprechstunde“ eingeführt, das sehr gut angenommen wird. Ein Mehr an Information und Kommunikation bieten wir zudem, seit wir eigene Kanäle in den sozialen Medien bespielen.
Digitalisierung vorangetrieben
Nochmals zurück zum Anfang – zum Erbe, welches ich angetreten habe. Die Stadt war (und ist!) gut aufgestellt, die Kurve der wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung zeigte stetig nach oben. Aber es war nicht alles Gold …
Verschiedene Themen, die schlagzeilenträchtig zum „Skandal“ stilisiert und mir persönlich angelastet wurden und werden, hatten ihren Ursprung lange Zeit vor meinem Amtsantritt. Der „Müllberg Gieschen“ ist nicht erst in den vergangenen drei Jahren entstanden. Der Streit mit dem WZV zum Thema Recyclinghof rührt aus einer Zeit lange vor 2018. Die Struktur und das Führungspersonal in städtischen Unternehmen habe ich ebenfalls geerbt. Mit allem Wohl und Weh – und mit allem Eigenleben, das einige Verantwortungsträger bei den Töchtern und Söhnen wohl als eine Art Gewohnheitsrecht im Verhältnis zur „Mutter Stadt“ entwickelt hatten. Trotz dieser, sagen wir herausfordernden Ausgangslage, haben wir unter meiner Führung in den vergangenen Jahren einiges erreicht. Das reicht von internen organisatorischen Umstrukturierungen der Verwaltung zur Verbesserung der Zusammenarbeit der Dezernate und der Schaffung wichtiger neuer Stellen wie der „Stabsstelle Ehrenamt“ und der „Stabsstelle Digitalisierung“ bin hin zur Realisierung von wichtigen Projekten, die Strahlkraft über die Stadtgrenze hinaus haben. Nennen möchte ich den Bau und die Fertigstellung des Norderstedter Hospizes und der nördlichen Verkehrsspange der Oadby-and-Wigston-Straße. Wir haben, ebenfalls gegen Widerstände, eine neue „Marke“ und mit „Zusammen. Zukunft. Leben.“ einen neuen, modernen Slogan eingeführt.
Wir treiben die Digitalisierung auf vielen Feldern voran. Zum Beispiel auch, indem wir innerhalb der Verwaltung dabei sind, komplett auf die E-Akte umzustellen. Mitten im laufenden Betrieb übrigens.
Realisiert wurde ein „Sportentwicklungsplan“ für Norderstedt
Wir haben das neu ausgerichtete Amt für Kultur und Bildung unter der Leitung eines neuen Amtsleiters geschaffen – und arbeiten an einem „Kulturförderplan“. Bereits realisiert ist ein „Sportentwicklungsplan“ für Norderstedt. Es ist uns gelungen, die sogenannte PiA-Ausbildung nach Norderstedt zu holen, um vor Ort den dringend benötigten Nachwuchs auf dem Sektor der Erziehung und Pädagogik heranzuziehen.
Angetreten war ich zum Beispiel auch mit dem Ansinnen, die Straßenausbaubeiträge (nach KGA) abzuschaffen, was realisiert worden ist, und Verbesserungen beim innerstädtischen Verkehrsfluss zu erwirken. Dazu haben wir verschiedene Bausteine umgesetzt, die hoffentlich in Zukunft noch weiter ineinandergreifen: Verbesserung von Radwegen, Ausbau der E-Mobilität, verbesserte Ampelschaltungen. Und in den Verhandlungen mit dem Kreis und dem Land haben wir erreicht, dass Norderstedt für weitere fünf Jahre den fließenden Verkehr in Eigenregie überwachen darf.
Wir arbeiten an ganz vielen Stellen daran, die Lebensqualität für die Menschen dieser Stadt hoch zu halten oder sogar auszubauen. Das ist übrigens auch, was ich mit dem viel zitierten „Flair“ meinte und meine. Setzen Sie Flair = Lebensqualität, und die allermeisten werden dem zustimmen.
Für eine größere Zahl Norderstedterinnen und Norderstedter macht sich Lebensqualität auch am Ausmaß des Flugverkehrs fest. Als erste Oberbürgermeisterin der Stadt stehe ich der Fluglärmschutzkommission vor. Dieser Kommission ist es gelungen zu erreichen, dass Flüge in den späten Abendstunden reduziert wurden.
Es gibt einige Großprojekte, bei denen wir – trotz Corona – im Großen und Ganzen im vorher abgesteckten Zeitplan sind – wenn wir auch zuletzt weniger öffentlich dazu berichtet haben. Beispiele sind das Bildungshaus Garstedt und der Um- und Neubau des Schulzentrums Süd.
Und ja, mit einigen wichtigen Vorhaben und Planungen wäre auch ich gerne ein Stück weiter. Das gilt zum Beispiel für die Gespräche darüber, den Schienenverkehr (ÖPNV) von Norderstedt-Mitte in Richtung Norden auszubauen, für den Einsatz eines autonomen Busses in Norderstedt und für die dringend erforderliche Sanierung und Erweiterung des Rathauses.
Das „Lokale Bündnis für Wohnen“ ist nicht gescheitert
Neuen Schwung müssen wir in das „Lokale Bündnis für Wohnen“ bringen, von dessen Wichtigkeit und Potenzial ich weiterhin fest überzeugt bin, und das ich keineswegs als „gescheitert“ ansehe. Es ist uns zum ersten Mal gelungen, die Akteure aus den verschiedensten Gruppen an einen Tisch und ins Gespräch zu bringen. Dann aber sind Teile der Norderstedter Politik auf eine Linie eingeschwenkt, die die Vertreterinnen und Vertreter der Wohnungsbauwirtschaft überrascht und teils brüskiert hat. Da wurde einiges Porzellan zerschlagen und Misstrauen erzeugt. Aber natürlich werden wir das „Lokale Bündnis für Wohnen“ wieder zusammenbringen!
Und mit diesem Schlagwort vom „Zusammenbringen“ wünsche ich mir, in den kommenden drei Jahren und darüber hinaus im konstruktiven Miteinander von Politik und Verwaltung und vor allem im Zusammenspiel mit möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern Norderstedt nachhaltig voranzubringen.
Manches ist anders als früher. Aber das heißt ja nicht, dass es schlecht ist. Mein Wunsch und mein Appell lautet: Mehr Vertrauen, weniger Misstrauen!