Norderstedt. 147 qm? Käufer erlebt böse Überraschung beim Nachmessen. Architekt, Makler und Verkäufer sehen sich nicht in der Verantwortung.

„Das sah alles sehr gut aus, und der Preis war auch in Ordnung“, sagt Steffen Rode. Also hat er zusammen mit seiner Frau für das Reihenendhaus in Norderstedt mitgeboten und schließlich den Zuschlag bekommen. Im September 2021 haben die beiden das Haus am Steindamm gekauft. Sie konnten einziehen, ohne Pinsel oder Säge in die Hand nehmen zu müssen. Das Haus, 1967 gebaut, war frisch renoviert.

Immobilien Norderstedt: Hauskäufer fordert Schadensersatz

Doch dann sollte der selbstständige IT-Berater für die Steuererklärung die Raumgrößen angeben. Zwar waren die Flächen Teil des Makler-Exposés, doch Rode griff sicherheitshalber nochmals selbst zum Zollstock – und erlebte eine böse Überraschung: Die Gesamtfläche entsprach nicht der vom Makler angegebenen Gesamtfläche. 147 Quadratmeter waren dort genannt, der neue Eigentümer kam nur auf knapp 122 Quadratmeter.

Allerdings hatte sich der Architekt, der die Größe der Räume für den Makler berechnet hatte, nicht vermessen. Rode stolperte über einen Rechenfehler: „Laut Wohnflächenverordnung darf die Terrasse nur mit einem Faktor von 0,25 in die Berechnung einfließen“, sagt Rode. Selbst bei „besonderer Beschaffenheit“, die hier aber kaum gegeben sein dürfte, darf die Fläche nur zu 50 Prozent angerechnet werden. In den Unterlagen des Maklers hat der Architekt zwar den Faktor 0,5 zugrundegelegt, dann aber die volle Quadratmeterzahl von 33,87 zu den anderen Raumflächen addiert.

Eine Terrasse darf nur mit dem Faktor 0,25 einfließen

„Für mich war klar: Wir haben zu viel bezahlt und wurden betrogen“, sagt Rode, der nach dieser erschreckenden Erkenntnis nun versuchte, einen Teil des Kaufpreises von gut 611.000 Euro wiederzubekommen. Einschließlich Nebenkosten wie Maklergebühr, Grunderwerbssteuer, Notar- und Gerichtskosten stünden ihnen rund 130.000 Euro zu, hat Steffen Rode ausgerechnet, 400 Euro Kreditbelastung weniger im Monat. Also hat er sich aufgemacht, den Schadenersatz einzutreiben – vergeblich. Der einst stolze Hausbesitzer blitzte bei allen am Verkauf beteiligten Parteien ab.

„Mir tut das Ehepaar Rode Leid“, sagt Makler Marten Pfahl, der von Rode wegen des Berechnungsfehlers eine schlechte Bewertung im Internet hinnehmen musste. Er sei vom Verkäufer mit der Vermittlung der Immobilie beauftragt worden und habe die Berechnung der Wohnfläche dem Architekten Andreas Kumpart überlassen, ein „guter und erfahrener Fachmann“, wie der Makler betont. Pfahl sieht sich nicht in der Verantwortung, er habe die Berechnung nicht geprüft, das müsse er auch nicht, sondern er habe die Unterlagen des Architekten an die Kaufinteressenten weitergegeben.

„Nicht unser Mandant hat das Reihenendhaus an das Ehepaar Rode verkauft, sondern der ehemalige Eigentümer, der für die Vermittlung noch separat einen Makler beauftragt hat“, sagt Anwalt Heiko Löhr, den Architekt Kumpart mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen beauftragt hat. Es existiere folglich kein rechtliches Verhältnis zwischen den Eheleuten Rode und Herrn Kumpart, das zum Schadensersatz berechtigen würde.

Anwalt: Kaufpreis nicht nur durch Fläche bestimmt

Im notariellen Kaufvertrag sei keine bestimmte Wohnfläche verkauft worden. Der Kaufpreis bilde sich typischerweise aus diversen Parametern wie Lage, Größe, Zustand, Ausstattung und werde nicht nur von Quadratmeterflächen bestimmt. Ob juristisch überhaupt ein Schaden entstanden ist, hänge nicht von der Wohnflächenberechnung des Architekten ab, sondern vom objektiven Wert der Immobilie. „Wenn die Eheleute Rode zum üblichen Marktpreis gekauft hatten, wäre objektiv auch kein Schaden entstanden“, teilt Anwalt Löhr weiter mit. Er weist darauf hin, dass die Haftpflichtversicherung des Architekten diese Auffassung teile.

Auch Voreigentümer Alfred Knoth verweigert einen Schadenausgleich. In einer knappen Mail an Steffen Rode verweist er auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 6. November 2015 (VZR 78/14). Danach müsse die Größe der Wohnfläche Teil des notariellen Kaufvertrags sein, um bei fehlerhafter Angabe im Nachhinein Schadenersatz verlangen zu können. Oder der Verkäufer müsse vorsätzlich falsche Angaben gemacht haben. „Dennoch denke ich, dass Sie noch rechtzeitig zu einem interessanten Preis vor Beginn der Inflation gekauft haben“, schreibt Knoth.

„Leider haben wir die Quadratmeterzahl nicht in den Kaufvertrag hineingenommen“, sagt Steffen Rode, der sich ebenfalls juristischen Rat geholt, einen Anwalt und den Experten der Verbraucherzentrale eingeschaltet hat. Das niederschmetternde Ergebnis: Beide haben die Auffassungen von Kumparts Anwalt und des Verkäufers bestätigt. „Wir müssten dem ehemaligen Eigentümer oder dem Architekten schon arglistige Täuschung nachweisen, und das zu beweisen, ist so gut wie unmöglich“, sagt Rode.

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Wohnfläche sollte im Kaufvertrag aufgeführt sein

Immerhin hat er Strafanzeige wegen Betrugsverdachts bei der Polizei gestellt. „Ich bin an die Öffentlichkeit gegangen, damit anderen nicht das gleiche teure Missgeschick passiert“, sagt der Norderstedter. Er rät allen Immobilienkäufern beziehungsweise Kaufinteressenten, sich nicht unter Druck setzen zu lassen und einen eigenen, unabhängigen Notar hinzuzuziehen. Ganz wichtig: Vor der Unterschrift unter den Kaufvertrag alle Unterlagen verlangen und eingehend prüfen. Die Wohnfläche sollte im notariellen Kaufvertrag aufgeführt werden.