Geesthacht/Ratzeburg. In Bayern werden hunderttausende Impfstoffdosen Sondermüll. Im Herzogtum gibt es andere Probleme: viele verpasste Impftermine.

In einigen Bundesländern schrillen Alarmglocken. Vorbehalte gegen Impfstoffe, der zunächst wenig gesteuerte Zufluss verschiedener Vakzine und aktuell die Urlaubszeit, verbunden mit erkennbarer Impfmüdigkeit, haben die Lager anschwellen lassen. In Bayern drohen fast 300.000 Impfdosen zu Sondermüll zu werden, weil das Haltbarkeitsdatum überschritten wird. Im Kreis Herzogtum Lauenburg und Schleswig-Holstein sind die Probleme andere.

Corona-Impfstofflieferungen nur noch auf Bestellung

Spenden des für den Einsatz in heißen Regionen gut geeigneten Vakzins von Astrazeneca an Dritte-Welt-Länder sind kurzfristig keine Lösung, weil sie von der Zustimmung der Hersteller abhängig sind. „Der Umgang damit muss zwischen Bund und Ländern abgesprochen werden“, sagt Marius Livschütz, Sprecher des Kieler Gesundheitsministeriums. Und: „Bund und Länder haben sich verständigt, dass Impfstofflieferungen nur noch auf Bestellung erfolgen.“

Verantwortliche tun viel, um Impfquote voranzutreiben

Vor-Ort-Impfungen durch mobile Teams, die Aufhebung der Priorisierung verbunden mit Angeboten, sich in Impfzentren ohne Voranmeldung impfen zu lassen – die Verantwortlichen tun viel, um die Quote voranzutreiben. Um eine vierte Welle zu verhindern, müssten nach Expertenmeinung etwa 85 Prozent der Gesamtbevölkerung geimpft sein, einschließlich Kindern bis 12 Jahren, Schwangeren und Erkrankten, die nicht geimpft werden dürfen. Schleswig-Holstein liegt zwar gut im Rennen mit rund der Hälfte komplett geimpfter Bürger und zwei Dritteln, die zumindest eine Erstimpfung haben.

Vor rund einer Woche bezifferte das Gesundheitsministerium die Zahl der noch notwendigen Komplett-Impfungen mit rund einer halben Million, dazu 490.000 Schleswig-Holsteiner, die eine zweite Spritze benötigen.

Herzogtum Lauenburg: Probleme mit verpassten Impfterminen

In den Impfzentren Geesthacht und Alt-Mölln liegen keine überzähligen Astrazeneca-Impfdosen, sagt Karsten Steffen, zuständig für das Impfzentrum Geesthacht und aktuell Sprecher des Kreises. „Sonntag vor einer Woche haben wir die letzten Dosen ins Landeszentrallager zurückgeliefert, nur eine dreistellige Zahl.“ Am 18. April waren die letzten Erstimpfungen mit AZ erfolgt, zwölf Wochen später Zweitimpfungen. Nur für diejenigen, die keine Kreuzimpfung mit anderen Vakzinen wollten, seien einige Ampullen vorgehalten worden.

Diese Corona-Impfstoffe sind in Deutschland zugelassen

  • Biontech/Pfizer: Der erste weltweit zugelassene Impfstoff gegen das Coronavirus wurde maßgeblich in Deutschland entwickelt. Der mRNA-Impfstoff, der unter dem Namen Comirnaty vertrieben wird, entwickelt den vollen Impfschutz nach zwei Dosen und ist für Menschen ab zwölf Jahren zugelassen. Laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat er eine Wirksamkeit von etwa 90 Prozent – das heißt, die Wahrscheinlichkeit, schwer an Covid-19 zu erkranken, sinkt bei Geimpften um den genannten Wert. Ebenfalls von Biontech stammt der erste für Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren zugelassene Impfstoff in Deutschland.
  • Astrazeneca: Der Vektorimpfstoff des britischen Pharmaunternehmens wird unter dem Namen Vaxzevria vertrieben. Aufgrund von seltenen schweren Nebenwirkungen empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko), den Impfstoff nur für Patienten zu verwenden, die älter als 60 Jahre sind. Offiziell zugelassen ist der Impfstoff aber für Menschen ab 18 Jahren. Vaxzevria weist laut BMG nach zwei Impfdosen eine Wirksamkeit von bis zu 90 Prozent in Bezug auf schwere Erkrankungen auf.
  • Moderna: Der von dem US-Unternehmen entwickelte mRNA-Impfstoff mit dem Vertriebsnamen Spikevax ist für alle ab 12 Jahren zugelassen, die Stiko empfiehlt aufgrund eines erhöhten Risikos schwerer Nebenwirkungen aber, ihn auf die Altersgruppe der über 30-Jährigen zu beschränken. Der Moderna-Impfstoff hat laut BMG eine Wirksamkeit von bis zu 90 Prozent in Bezug auf schwere Erkrankungen, wenn der volle Impfschutz nach zwei Impfdosen erreicht worden ist.
  • Johnson&Johnson: Das US-Unternehmen hat einen Vektorimpfstoff entwickelt, der bereits nach einer Impfdosis Schutz vor dem Coronavirus entwickelt. Er wird unter dem Namen Covid-19 Vaccine Janssen vertrieben. Das Präparat hat laut BMG eine Wirksamkeit von bis zu 70 Prozent bezogen auf schwere Erkrankungen – zudem ist die Zahl der Impfdurchbrüche im Vergleich zu den anderen Impfstoffen erhöht, daher empfiehlt die Stiko für mit Johnson&Johnson Geimpfte schon nach vier Wochen eine zusätzliche Impfdosis mit Comirnaty oder Spikevax, um den vollständigen Impfschutz zu gewährleisten.
  • Novavax: Das US-Unternehmen hat den Impfstoff Nuvaxovid entwickelt. der mitunter zu den sogenannten Totimpfstoffen gezählt wird. Er enthält das Spike-Protein des Covid-19-Erregers Sars-CoV-2. Dabei handelt es sich aber genau genommen nicht um abgetötete Virusbestandteile, die direkt aus dem Coronavirus gewonnen werden. Das Protein wird stattdessen künstlich hergestellt. Das menschliche Immunsystem bildet nach der Impfung Antikörper gegen das Protein. Der Impfstoff wird vermutlich ab Ende Februar in Deutschland eingesetzt und soll laut BMG in bis zu 90 Prozent der Fälle vor Erkrankung schützen.
  • Weitere Impfstoffe sind in der Entwicklung: Weltweit befinden sich diverse Vakzine in verschiedenen Phasen der Zulassung. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA prüft derzeit das umstrittene russische Präparat Sputnik V sowie die Impfstoffe der Hersteller Sinovac, Sanofi und Valneva. Der deutsche Hersteller CureVac hat seinen Impfstoff vorerst aus dem Zulassungsverfahren zurückgezogen.

Probleme bereiten weiter verpasste Impftermine – das Land lässt die Gründe von den Kreisen ermitteln – sowie empfindliche Vakzine. Steffen: „Ist eine Biontech-Fiole angebrochen, kann sie nur maximal sechs Stunden im Kühlschrank gelagert werden.“ Komme kurz vor Feierabend ein Impfwilliger, werde schon mal gefragt, ob er nicht morgens wiederkommen könne, „wenn er in der Nähe wohnt“.

Impfstoffflasche Moderna kann 19 Stunden aufbewahrt werden

Aktuell wird in Geesthacht, anders als in Alt-Mölln, zu den Terminen Moderna verimpft, wie Biontech ein mRNA-Vakzin – mit einem wichtigen Unterschied. Steffen: „Eine angebrochene Impfstoffflasche Moderna kann 19 Stunden aufbewahrt werden.“