Lauenburg. Redakteurin Elke Richel testet den neuen Coworking-Space im Stadtzentrum. Wie es sich in guter Gesellschaft arbeiten lässt.

So viel Aufmerksamkeit hat man als Redakteurin selten, wenn ein Artikel entsteht. Ich sitze auf der Terrasse des Coworking-Containers auf der Freifläche an der Berliner Straße in Lauenburg – also mitten auf dem Präsentierteller. Eigentlich hatte ich ja einen der beiden Arbeitsplätze im Inneren des Containers gebucht, aber die Sonne scheint gerade, sodass ich mich anders entscheide. Das große Sonnensegel spendet genügend Schatten, um am Laptop arbeiten zu können.

Neuer Coworking-Container steht im Stadtzentrum von Lauenburg

Die Internetverbindung steht ruckzuck. Ehrlich gesagt war das meine größte Sorge. „Guter Kaffee und starkes WLAN ist doch das Wichtigste, wenn man vernünftig arbeiten will“, sagt Silke Schippman lachend. Sie ist die Community-Managerin des Projektes, um das die Stadt Lauenburg sich beworben hatte. Der Container wird von der Genossenschaft CoWorkLand bereitgestellt. Initiator ist die Heinrich-Böll-Stiftung, die 2019 erstmals mit dem Projekt Pop-up-Coworking in die ländlichen Räume im Norden ging.

Aus Großstädten wie Hamburg und Berlin kennt man es schon lange: Menschen, die beruflich eigentlich nichts miteinander zu tun haben, treffen sich an einem dafür eingerichteten Arbeitsort, klappen ihre Laptops auf und gehen ihrem Tagwerk nach. Oft entstehen daraus neue Sichtweisen – und manchmal sogar gemeinsame Projekte. Coworking Space nennen sich diese Räume. Zukunftsforscher räumen dieser Arbeitsform gerade auch im ländlichen Raum große Zukunftschancen ein.

Coworking-Arbeitsplätze im Zentrum wecken vorsichtiges Interesse

Redakteurin Elke Richel hat auf der Terrasse des mobilen Bürocontainers im Lauenburger Stadtzentrum ihren Arbeitsplatz eingerichtet.
Redakteurin Elke Richel hat auf der Terrasse des mobilen Bürocontainers im Lauenburger Stadtzentrum ihren Arbeitsplatz eingerichtet. © Elke Richel | Elke Richel

Die ungewöhnliche Holzkonstruktion mitten im Stadtzentrum erregt Aufsehen. Viele Leute bleiben stehen, und manche wagen sogar einen neugierigen Blick ins Innere des Containers. Andere schütteln den Kopf und gehen weiter. „Es braucht einige Zeit, bis sich die Idee in Lauenburg durchsetzen wird“, ist Silke Schippmann überzeugt. In den vergangenen Jahren hätten viele Menschen die Vorteile des Homeoffice kennengelernt. „Ich bin früher Tag für Tag zur Arbeit nach Hamburg gefahren, so wie viele andere Lauenburger auch. Aber manchmal fehlt es allein im Homeoffice auch an Inspiration“, weiß die Social-Mediaberaterin. Am ersten Arbeitstag bleibe ich die Einzige, die hier ihren Laptop aufgeklappt hat – aber wohl der Beweis, dass es funktioniert.

Ein Mann, Mitte 30, schaut herein. Seine Mutter sei dement, er könne sie nicht lange allein lassen, erzählt er. Seine Hamburger Firma habe ihm zwar gestattet, zu Hause zu arbeiten, aber da falle ihm oft die Decke auf den Kopf. „Ein paar Stunden hier in Ruhe arbeiten, das wäre es doch“, überlegt er laut.

Die Koordination der Termine hat Sabine Kaufmann von der Initiative CoWorking Lauenburg übernommen. Mehr als zehn Buchungen hat sie mittlerweile angenommen. Einen Link dafür gibt es auf der Seite www.coworkland.de

Highspeed-Internet, Klönschnack und Bambi im Goldrahmen

Wer mag, kann hier mit Leuten ins Gespräch kommen, die über den Platz spazieren. Wer Ruhe zum Arbeiten braucht, schließt einfach die Tür. Selbst für eine ungestörte Videokonferenz ist gesorgt. Silke Schippmann nennt das kleine Kabuff mit Klapptisch und Ohrensessel liebevoll „unsere Telefonzelle“. An den lindgrünen Wänden hängen Blumen- und Landschaftsmotive. Ein fast provokanter Kontrast dazu: die abgeschrammte Bürolampe aus den frühen 70er-Jahren und ein Rehkitz im fetten Goldrahmen.

Wenn in vier Wochen der Container wieder abgebaut wird, wissen die Initiatoren, ob es in Lauenburg einen Bedarf für Coworking gibt. Sabine Kaufmann ist optimistisch. „Die Stadt wächst derzeit enorm. Viele Menschen aus Hamburg wählen hier ihren neuen Lebensmittelpunkt. Der Bedarf an mobilem Arbeiten wird steigen“, ist sie überzeugt. Natürlich wird das dann kein Container sein, denn der hat durchaus auch seine Grenzen. Weil die Arbeitsplätze im Inneren nur über eine Treppe zu erreichen sind, kann von Barrierefreiheit keine Rede sein. Und zum Glück gibt es eine öffentliche Toilette in der Nähe.

Trotzdem, nach vier Stunden an diesem ungewöhnlichen Arbeitsplatz kann ich sagen: Es lohnt sich. Kaum irgendwo ist man in Lauenburg so mittendrin im Geschehen. Selten habe ich so lange gebraucht, um einen Artikel zu schreiben, aber nie habe ich an einem Tag so viele Lauenburger Geschichten gehört. Und wenn eine Windböe gegen den Container drückt, schwankt er leicht – fast wie ein Boot...

  • Coworking im ländlichen Raum

In den letzten Jahren sind auf dem Land immer mehr Coworking-Angebote entstanden, wie aus der neuen Studie „Coworking im ländlichen Raum“ der Bertelsmann Stiftung hervorgeht. „Der ländliche Raum wird oft als rückständig und abgehängt bewertet. Wir wissen jedoch: Die Zukunft der Arbeit hat auf dem Land schon begonnen“, heißt es in der Studie. Schon vor Corona zeichnete sich in Umfragen ab, dass viele Deutsche sich einen Wohnort im Grünen abseits des Stadtlebens wünschten. Coworking-Angebote auf dem Land würden eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Wohnortwunsch ermöglichen.