Geesthacht. Politiker aus dem Wahlkreis 35 diskutieren über aktuelle Themen. Dabei gehen die Meinungen weit auseinander – wie beim Thema Wohnen.
Am 8. Mai wird in Schleswig-Holstein ein neuer Landtag gewählt. Der Wahlkreis 35, Lauenburg-Süd, ist der südlichste im nördlichsten Bundesland – und fliegt bei der Landespolitik mitunter unter dem Radar. Das wissen die Direktkandidaten, die sich um die Nachfolge des Mandats von Kathrin Bockey (SPD, jetzt Bürgermeisterin der Elbmarsch) bewerben.
„Der Blick von Kiel muss auch deutlich mehr nach Süden gehen“, sagte etwa die SPD-Direktkandidatin Anika Pahlke bei der Podiumsdiskussion unserer Redaktion am Montag im Geesthachter Oberstadttreff. 35 Interessierte waren live vor Ort, weitaus mehr verfolgten die Diskussion im Netz.
Podiumsdiskussion zur Landtagswahl
Den Fragen der Moderatoren Stefan Huhndorf und André Herbst stellten sich zudem die Landtagsabgeordnete Andrea Tschacher (CDU), Knut Suhk (Grüne, alle aus Aumühle), Martin von Zech (FDP, Mölln) sowie Holger Stienen (AfD, Wentorf). Klaus Euteneuer-Treptow (Die Linke) hatte abgesagt.
Auf der Tagesordnung standen Themen wie Digitalisierung, Kita-Reform, Siedlungsdruck, Verkehrsthemen wie die Geesthachter Elbbrücke oder der Bahnanschluss an Hamburg, aber auch der fehlende Hochwasserschutz für Lauenburg.
Digitalisierung des Schulunterrichts
Knut Suhk (Grüne) ist der Ansicht, dass es an der Umsetzung der Digitalisierung hapere. „Wir müssen die Reihenfolge einhalten. Erst müssen wir die Lehrer digital ausbilden, dann für die Infrastruktur sorgen, dann für die Geräte, und dann das Arbeiten“, sagte er. Martin von Zech hob hervor, dass die FDP 2017 noch belächelt worden sei, als sie das Thema in den Bundestagswahlkampf gehoben hatte. „Bei Digitalisierung geht es aber nicht nur um die Technik, es geht auch um digitale Kompetenz und diese zu vermitteln, etwa Fake News zu erkennen.“
Andrea Tschacher lobte die Digital-Offensive der Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP in Kiel. Aber: „Das ist nur ein Anfang. Deshalb führen wir den Informatik-Unterricht ab Schuljahr 2022/23 ein und werden ihn zu einem Pflichtfach machen.“ Derweil hob Holger Stienen hervor, dass für die AfD Digitalisierung nicht das einzige Instrument sei, um Bildung zu vermitteln. „Technische Fächer wie Mathe müssen wieder stärker in den Mittelpunkt gerückt werden.“
Kita-Reform
„Wir hatten die höchsten Gebühren und einen Dschungel an Fördertöpfen“, sagte Tschacher. „Wir sind noch nicht am Ende angekommen. Aber unser wichtigstes Anliegen, die Elternbeiträge zu deckeln, haben wir erreicht.“ „Jamaika“ habe laut Pahlke Versprechen gemacht, die andere halten müssten. „Fragen sie mal die Kommunen. Alle SPD-geführten Länder im Norden schaffen es, die Kita kostenlos zu machen. Das wären 20 Millionen Euro fürs Land. Das muss uns gute Betreuung wert sein.“
Knut Suhk, ehrenamtlicher Bürgermeister von Aumühle, bestätigte: „Aumühle hat 2018 rund 200.000 Euro in die Kita-Betreuung gesteckt, heute sind wir bei über 700.000 Euro. Das ist eine Menge Geld.“ Schleswig-Holstein als heterogenes Land lasse sich in Kita-Fragen nicht über ein Modell regeln, was alle gleich mache. Das größte Fachproblem sei jedoch der Fachkräftemangel. Martin von Zech widersprach: „Es ist mitnichten so, dass alle Kommunen mehr zahlen müssen. Bei ihnen ist richtig viel Geld angekommen.“ Der letzte Satz löste Kopfschütteln bei Knut Suhk aus. Holger Stienen wollte bei der Kita-Frage die Tagesmütter oder das Elternhaus als drittes Standbein der Erziehung nicht vergessen wissen.
Siedlungsdruck und Stadtflucht
Bei diesem Thema brachte Anika Pahlke eine Mietpreisbremse ins Spiel. Martin von Zech ist strikt gegen sie („War in Berlin ein Desaster“) und auch gegen eine Erhöhung der Grunderwerbssteuer, weil diese eins-zu-eins auf die Mieter umgelegt würde. Für Knut Suhk geht es nur über günstigen kommunalen Wohnraum. Andrea Tschacher sagt, das Land könne gegen die Wohnungsnot nur steuernd eingreifen, indem es „baue, baue, baue“. Holger Stienen sagt: „Wir als AfD sind dafür, in den nächsten fünf, zehn, 15 Jahren keine Flächen in der Fläche mehr zu verbauen und sehen uns daher als die eigentliche grüne Partei in Deutschland.“
Zuschauerin Bettina Boll aus Geesthacht brachte die Erstellung eines Leerstand-Katasters ins Spiel, weil sie so viel Leerstand sehe, also Wohnraum bereits vorhanden sei. Ein Aspekt, der bei Anika Pahlke auf Zustimmung stieß. Knut Suhk gab jedoch zu bedenken, dass vorher das Land den Kommunen den rechtlichen Rahmen geben müsse. Rechtsanwalt von Zech warnte vor wohlfeilen Vorschlägen und mahnte, dass es bei einer wie auch immer gelagerten Enteignung nie ohne Entschädigung gehen könne.
Um Bewegung auf den Immobilienmarkt zu bringen, müsse über eine Absenkung der Grunderwerbssteuer nachgedacht werden. Das würde nur dazu führen, dass Grundstücke durch noch mehr Hände gehen, warf Suhk ein.
Verkehr und Bahnanschluss
Um Planungen von Straßenbauprojekten zu beschleunigen müsse, so von Zech, das Planungsrecht entrümpelt werden, sich alle gesellschaftlichen Gruppen frühzeitig am Prozess beteiligen. „Am besten spricht man schon vor der Planung mit den Betroffenen, um zu sehen, wo der geringste Widerstand ist“, sagte Suhk. Außerdem gebe es in Verwaltungen die Tendenz, Problemen aus dem Weg zu gehen. In die gleiche Kerbe schlug von Zech. Es müsse mehr Mut geben, Entscheidungen zu treffen. „Wer einen Fehler macht, darf nicht gleich zur Schlachtbank geführt werden.“
Suhk und Pahlke sprachen sich eindringlich für einen Bahnanschluss Geesthachts an Hamburg aus. Tschacher wertete es als Erfolg, dass das Projekt im Nahverkehrswegeplan aufgenommen ist, wenn auch mit geringer Priorität. Von Zech betonte, Geesthacht sei der Wirtschaftsmotor im Kreis: Bau und Betrieb der Bahnstrecke müssten jedoch ergebnisoffen geprüft werden, allein im Verkehrssektor gebe es viele konkurrierende Projekte. Holger Stienen fordert, Mittel für den verworfenen Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals in den Bahnanschluss umzuleiten. Touristen aus Hamburg am Wochenende könnten die Nutzerzahlen erhöhen.
Das Thema Hochwasserschutz für Lauenburg – seit der Elbeflut 2013 gefordert – hatten die Kandidaten nicht richtig auf dem Schirm. Sie versprachen aber, sich in Kiel für die Finanzierung stark zu machen.
Die vollständige Podiumsdiskussion aus Geesthacht finden Sie auf unserer Facebook-Seite zum Selbstanshauen.