Geesthacht/Reinbek. Fahrende Klavierlehrer und Bierpreisbremsen-Anhänger konkurrieren mit versteckten Kommunisten und Wasserstoff-Fans.

Zehn Direktkandidaten treten am 26. September zur Bundestagswahl im Wahlkreis 10 (Herzogtum Lauenburg/Stormarn Süd) an. Neben den sechs im aktuellen Bundestag vertretenen Parteien (SPD, CDU, FDP, Grüne, Die Linke, AfD), deren Kandidaten wir gesondert vorgestellt haben, bieten auch vier sogenannte „Sonstige“ Direktkandidaten auf.

„Die Partei“ geht mit Satire auf Stimmenfang

Für DIE PARTEI (Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative), die 2004 von Redaktionsmitgliedern der Satirezeitung Titanic gegründet wurde, tritt Arne Schönfelder an. Überspitzt und provokativ ist nicht nur das Wahlprogramm der Satire-Partei, das zum Beispiel eine Bierpreisbremse vorsieht und Wirecard für alle fordert. In seiner persönlichen Vorstellung behauptet Schönfelder (Jahrgang 1970) in den Sozialen Netzwerken von sich, Freischwimmer, Abiturient und Zimmerermeister zu sein. „Da ich meinen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, brauche ich nen neuen Job“, so der Großhansdorfer auf Facebook und Twitter.

„Das Haus, in dem ich wohne, wird demnächst abgerissen, da käme mir ein Büro in Berlin gerade recht. Mein Schlafsack liegt jedenfalls im Kofferraum bereit.“ Da er auf der Landesliste nur auf Platz acht steht, trete er zusätzlich als Direktkandidat im Wahlkreis 10 an. „Neben der Unterstützung unserer sehr guten Landesspitze habe ich mir vorgenommen, mit dem Bollerwagen voll Propagandamaterial durch den Kreis zu wandern und mit den Menschen dort Gedankenaustausch zu betreiben“, so Schönfelder.

Der „Kommunist“ will Parteispenden von Unternehmen verbieten

Weit weniger öffentlichkeitswirksam gibt sich der 1955 geborene Peter Johannes Schlüter aus Ahrensburg. Er kandidiert für die DKP (Deutsche Kommunistische Partei) im Wahlkreis. Wer mit seinem Namen eine Online-Suche startet, erfährt zunächst nur, dass der gelernte Mediengestalter 2018 bei den Wahlen zum Stormarner Kreistag in Ahrensburg als Direktkandidat sowie auf Listenplatz 1 kandidiert hatte. Selbst die Infos unter Abgeordnetenwatch.de sind auf das absolute Minimum begrenzt. Das Portal, das zu den Wahlen allen Kandidaten auf den Zahn fühlen will, vermeldet zu Schlüter nur, dass er sich im Bundestag für effektive Transparenzregeln einsetzen wolle.

Dazu zählen das Verbot von Unternehmensspenden an Parteien, die Einrichtung einer unabhängigen Kontrollinstanz für Abgeordnete wie auch ein wirksames Lobbyregister, in dem Lobbyisten ihre Kontakte zur Bundesregierung wie auch zu Abgeordneten dokumentieren sollen. 2022 tritt das Lobbyregister in Kraft, in dem sich Lobbyisten zwar eintragen, aber nicht mitteilen müssen, mit wem sie in Kontakt stehen. Schlüter selbst sage zu, so Abgeordnetenwatch, „nach der Wahl Treffen mit Lobbyist*innen offenzulegen“. Dazu zählt er neben Repräsentanten von Unternehmen und Verbänden auch solche von Nichtregierungsorganisationen.

Ein fahrender Klavierlehrer tritt für „die Basis“ an

Weitaus mehr von sich Preis gibt Matthias Micklich, Direktkandidat von die Basis. Der 58-Jährige Geesthachter bezeichnet sich selbst als „Fahrender Klavierlehrer“ beziehungsweise „Visionär im Vorstand Kreis Herzogtum Lauenburg“. In der Region präsent ist er bislang vor allem durch gelegentliche musikalische Auftritte.

Micklich sagt von sich selbst, er sei Parteimitglied geworden, „um dem Corona-Wahnsinn organisiert entgegenzutreten“. Neben dem Ende der Corona-Maßnahmen liegen ihm nach eigenem Bekunden Gemeinschaftsbildung und das Wir-Prinzip besonders am Herzen, außerdem Volksabstimmungen und die Einrichtung von Bürgerräten. Für seine Arbeit im Bundestag hat er sich die „Anbindung der Masse an die Macht“ zum Ziel gesetzt.

Der „freie Wähler“ setzt auf Wasserstoff

Die Freien Wähler spielen auf Bundesebene bisher keine große politische Rolle, auf Landesebene aber, im Gegensatz zu den anderen drei „Sonstigen“, schon. So sind die Freien Wähler seit den Landtagswahlen 2018 in Bayern als Juniorpartner der CSU mit in der Regierung vertreten. Sie stellen drei Minister, mit Hubert Aiwanger sogar den stellvertretenden Ministerpräsidenten. Auch im Landtag in Rheinland-Pfalz sind sie seit den Wahlen vom März dieses Jahres (5,4 Prozent) mit sechs Mandaten vertreten. In Norddeutschland dagegen werden noch kleine Brötchen gebacken. Hier kandidiert Christian Runge, Jahrgang 1978, im Wahlkreis 10 für den Einzug in den Bundestag. Als Beruf gibt der Schwarzenbeker „Techniker“ an. Der zweifache Familienvater setzt auf dem Portal Abgeordnetenwatch darauf, Probleme – wie etwa die Klimaerwärmung – mit technischen Innovationen wie dem Ausbau der Wasserstoffnutzung zu begegnen, statt mit Verboten. Zudem solle die Digitalisierung auf breiter Ebene vorangebracht werden.

Auf die Frage eines Nutzers, ob er sich im Bundestag für einen besseren Hochwasserschutz für Lauenburg und Geesthacht einsetzen wolle, möchte Runge das Geld anders einsetzen: Natürliche Überflutungsflächen – „die Rückgewinnung der naturnahen Ufer unserer Flüsse“ – sollten bundesweit gefördert werden.