Geesthacht/Lauenburg. Wie Unternehmen im Lauenburgischen die Krise mit neuen digitalen Wegen meistern. Verband rechnet mit Rückgang von Dienstfahrten.
Die Corona-Pandemie verändert vieles. Auch in der Arbeitswelt. So arbeiten aktuell mehr Menschen im Homeoffice als vor der Pandemie – und das vermutlich auch in Zukunft. Doch auch beim Thema Dienstreisen gibt es einen Wandel. Wir haben bei Firmen im Herzogtum Lauenburg nachgefragt. Viele von ihnen rechnen nicht mit einer baldigen Rückkehr zur Normalität. Veranstaltungen, Messebesuche und Konferenzen wurden weitestgehend ins Internet verlegt. Manches Unternehmen schätzt sogar, dass die Zahl der Dienstreisen nie wieder das Niveau vor der Krise erreichen wird.
Interessante Zahlen dazu hat der Geschäftsreiseverband VDR in der Geschäftsreiseanalyse 2020 zusammengefasst. Demnach rechnen nach einer Verbandsumfrage nur noch 8,6 Prozent der Reise-Manager mit einer Rückkehr zum Vorkrisenniveau. Außerdem wollen drei von vier Firmen wieder verstärkt auf das Auto setzen.
Schleswig-Holsteins Dehoga-Chef hofft auf eine rasche Normalisierung
Noch kurz vor der Pandemie reisten die Manager so viel und so kostspielig wie noch nie: Nach Berechnungen des VDR gaben die deutschen Firmen 2019 insgesamt 55,3 Milliarden Euro (plus 3,5 Prozent) für 195,4 Millionen Trips (plus 3,1 Prozent) ihrer Mitarbeiter aus. Pro Tag und Reisendem habe der Aufwand 162 Euro betragen. Nun rechnet der Verband mit einem Rückgang der Reisetätigkeit von Geschäftsleuten von bis zu 30 Prozent in der Zeit nach Corona.
Ganz so düster blickt der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands Dehoga Schleswig-Holstein, Stefan Scholtis, nicht in die Zukunft. „Natürlich sind die Zahlen der Geschäftsreisen im vergangenen Jahr enorm eingebrochen. Doch es gibt auch Firmen, die Glück hatten, und während des ersten und jetzt auch des zweiten Lockdowns, immerhin Geschäftsleute unterbringen durften“, so Scholtis. Er persönlich gehe davon aus, dass sich der Bereich der Dienstreisen wieder normalisieren werde. „Man kann doch nicht ewig nur auf Videokonferenzen setzen“, meint er. Es gebe sicher einen Nachholbedarf. „In Schleswig-Holstein wird die Nachfrage am Anfang vermutlich sehr unterschiedlich sein. Je nach Standort der Unterkunft.“
Sensient in Geesthacht setzt vermehrt auf digitale Medien
Die Corona-Krise hat auch bei der Firma Sensient in Geesthacht, ein Zulieferer für die Lebensmittelindustrie, für Anpassungen in den Tätigkeitsfeldern gesorgt. Nina Borth, verantwortlich für das Marketing im Bereich Food Colors bei der Firma Sensient, sagt: „Während wir einen klaren Fokus auf die proaktive und fortlaufende Kommunikation mit unseren Kunden legen, hat die Bedeutung der digitalen Medien stärker zugenommen.“ Zwar habe man bereits vor 2020 eine breite digitale Präsenz gehabt und den Kunden verschiedene Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme angeboten, doch die Corona-Krise habe diese Relevanz erhöht. „Zeitgleich haben wir auch die Möglichkeit von Videokonferenzen und Ähnlichem genutzt“, so Borth.
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Auch Annika Kunze, Leitung der Unternehmenskommunikation bei E.H. Worlée & Co in Lauenburg, kann von Veränderungen berichten. „Dienstreisen wurden auf das Minimum reduziert. Auslandsdienstreisen haben im vergangenen Jahr gar nicht stattgefunden.“ Als Rohstofflieferant habe man mit Kunden auf der ganzen Welt Kontakt, somit habe die Corona-Krise das Reisen stark eingeschränkt. „In solchen Zeiten muss man eben flexibel sein und neue Wege finden“, so Kunze. Und diese habe man gefunden. „Durch die Durchführung von Video- und Telefonkonferenzen haben wir es geschafft, trotzdem mit unseren Kunden engen Kontakt zu halten. Selbst für Audits in unseren Werken wurden digitale Wege gefunden, diese durchführen zu können.“
Unterschiedliche Zeitzonen als neue Herausforderung bei Videokonferenzen
Die Pandemie brachte auch für die Sweet Tec GmbH in Boizenburg Veränderungen. Sonja Schindler sagt: „Bei uns gehörten Dienstreisen zum Standard.“ Die Corona-Krise habe das Unternehmen zum Umdenken gezwungen. Oliver Schindler, Geschäftsführer der Sweet Tec: „Wir haben unsere Dienstreisen auf nur notwendige Termine im gesamten Unternehmen reduziert.“ Vieles lasse sich digital abstimmen, aber eben nicht alles. „Eine Maschine wird immer vor Ort beim Hersteller abgenommen und auf Fehler geprüft. Eine digitale Abnahme ist hier schwierig umzusetzen“, so Schindler. Auch beim Schwesterunternehmen Ragolds GmbH wurden ganz neue Techniken eingesetzt. So werden potenziellen Neukunden die süßen Leckereien in 3-D-Animationen gezeigt, damit man sich das Design eines Produktes besser vorstellen kann.
„Das kann zwar nur bedingt den persönlichen Kontakt, wie auf einer Messe, ersetzen, aber hilft zumindest im internationalen Geschäft.“ Unterschiedliche Zeitzonen und sprachliche Barrieren seien die neuen Herausforderungen.
Zwei Drittel der Betten im Hotel Elbblick sind belegt
Doch es gibt auch Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter nach wie vor auf Reisen schicken müssen. So seien es vorrangig Vertreter und Arbeiter auf dem Bau, die aktuell im Hotel Elbblick in Geesthacht untergebracht sind. „Von unseren 23 Zimmern sind immerhin zwei Drittel belegt“, sagt die Chefin des Hauses, die gemeinsam mit ihrem Mann in dem Haus wohnt und alle anfallenden Aufgaben übernimmt. Das gesamte Personal befindet sich nämlich in Kurzarbeit. „Wir können zum Glück ziemlich viel selbst“, sagt sie. Das Ehepaar sei froh und dankbar darüber, dass sie trotz Lockdowns Dienstreisende aufnehmen dürften. „Man nimmt, was man kriegen kann“, fasst sie die Situation zusammen.