Geesthacht. Weihnachten könnte es brenzlig werden, befürchten der Ärztliche Direktor und der Leiter der Intensivstation der Geesthachter Klinik.

Die Kliniken in Deutschland arbeiten in der vierten Corona-Welle am Anschlag. Das Johanniter-Krankenhaus Geesthacht hat in dieser Woche wieder ein Besuchsverbot verhängen müssen. Wir haben mit dem Ärztlichen Direktor, Dr. Timo Rath, und dem Leiter der Intensivstation, Dr. Rouven-Alexander von Holten, über die aktuelle Situation gesprochen.

Wie ist aktuell die Lage im Johanniter-Krankenhaus?

Timo Rath: November bis Februar sind schon in normalen Zeiten unsere arbeitsreichsten Monate wegen der anderen Infektionskrankheiten und vielen witterungsbedingten Knochenbrüchen nach Stürzen. Dazu kommt Corona.

Wie viele Covid-Patienten müssen Sie derzeit behandeln?

Timo Rath: Wir haben wie schon in den vergangenen Tagen drei Patienten auf der Intensivstation und drei auf der Isolierstation.

Wird diese Zahl noch zunehmen?

Timo Rath: Wir haben derzeit im Kreis um die 300 Neuinfektionen pro Woche. Von diesen landen statistisch 0,8 Prozent (also zwei Patienten, die Red.) mit Verzug auf den Intensivstationen. Wer sich in dieser Woche infiziert, liegt Weihnachten hier. Erschwerend kommt hinzu, dass Corona-Patienten im Schnitt drei bis vier Wochen auf der Intensiv liegen. Bei ,normalen’ Patienten sind es im Schnitt drei Tage.

Was für Corona-Patienten kommen derzeit zu Ihnen?

Timo Rath: Das sind hauptsächlich Ungeimpfte – auch junge Leute. Zwei der aktuellen Patienten sind 28 und 30 Jahre alt. Wer glaubt, dass Corona einen selbst nicht betreffen kann, irrt. Bei den Impfdurchbrüchen sind es vor allem Risikopatienten, solche mit einer Immunschwäche oder die Impfung liegt schon lange zurück. Das betrifft vor allem Ältere, die zuerst geimpft wurden.

Wie viele Intensivbetten haben Sie im Haus und kommen Sie damit auf Sicht aus?

Timo Rath: Derzeit betreiben wir acht Betten, die wir auch alle beatmen können. Ausschlaggebend ist die Personal-Untergrenzenverordnung, die besagt, dass eine Intensivpflegekraft im Tagdienst zwei und im Nachtdienst drei Patienten betreuen darf. Sechs weitere Betten können wir als Notfallreserve aktivieren, wenn es brenzlig wird. Das könnte Weihnachten durchaus der Fall werden. Dann müssen wir Personal aus anderen Bereichen abziehen. Intensivpflegekraft wird man aber nicht im Schnellkursus. Das ist eine dreijährige Ausbildung.

Haben Sie eigentlich in der Pandemie auch Personal verloren, das von dem Beruf die Nase voll hatte?

Rouven-Alexander von Holten: Die Divi (Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, die Red.) hat in dieser Woche gewarnt, dass bis 2030 180.000 Pflegekräfte fehlen. Das können wir bestätigen. Unser Personal ist nach 1,5 Jahren hoher Beanspruchung und Belastung kaputt und fühlt sich nicht wertgeschätzt. Dabei sind die Mitarbeiter extrem leidensfähig. Auch bei uns sind Kräfte abgewandert. Das konnten wir zum Teil mit eigenen Auszubildenden auffangen.

Durchschnittlich verdient eine nach Tarif bezahlte Intensivpflegekraft etwa 4000 Euro? Ist das angemessen?

Timo Rath: Für die Tätigkeit und die Verantwortung, die eine Intensivpflegekraft leistet und trägt, ist da noch Luft nach oben. Die Kollegen sind 24/7 im Schichtdienst, haben genauso viele Tag-, Spät- und Nachtdienste – auch an Feiertagen. Dazu kommt eine hohe physische und psychische Belastung, denn unter Kittel und Maske mit schwerkranken Menschen zu arbeiten, ist eine schweißtreibende Angelegenheit.

Beschreiben Sie mal: Wie sieht eine Schicht auf der Intensiv derzeit aus?

Rouven-Alexander von Holten: Corona-Patienten sind sehr pflege­intensiv. Beatmete Patienten mit den ganzen Schläuchen zu lagern, ist sehr aufwendig. Da können drei bis vier Leute schon mal zwei Stunden mit einem Patienten beschäftigt sein. Danach kommt man abgekämpft aus dem Zimmer, trocknet den Schweiß ab. Erst dann kann man auch was trinken. Dann ,verkittelt‘ man sich erneut und geht zum nächsten Patienten. Vor allem bindet Corona Ressourcen – das ist so fordernd für uns. Wir haben ja auch noch einen Versorgungsauftrag für normale Patienten.

Haben Sie sich schon dabei ertappt, dass Sie sich ärgern, wenn Sie einen Ungeimpften behandeln müssen?

Rouven-Alexander von Holten: Da sind wir professionell. Wir behandeln jeden, das ist auch bei Rauchern oder Übergewichtigen nicht anders. Ganz persönlich verstehe ich es einfach nicht, warum man sich nicht impfen lässt.

Was schlagen Sie als Fachleute vor, wodurch sich die Bedingungen bessern könnten?

Rouven-Alexander von Holten: Das ist eine politische Diskussion….

Also muss man die Krankenhäuser wieder verstaatlichen?

Timo Rath: Das haben Sie jetzt gesagt.

Letzte Frage: Wie lange wird die Belastung der vierten Welle in den Krankenhäusern andauern?

Timo Rath: Die erste und dritte Welle hat bis zum Frühjahr angehalten, wir hoffen, dass durch ein breites Impfangebot die vierte Welle frühzeitiger gebrochen wird.