Gudow. 21 Menschen in Sicherheit gebracht – davon zehn mit dem Coronavirus infizierte. 32-jähriger Bewohner als Tatverdächtiger festgenommen.

 Ein 32-Jähriger steht unter dringendem Tatverdacht, am Sonnabend eine Asylbewerberunterkunft in Gudow vorsätzlich angesteckt zu haben. „Wir ermitteln gegen den Bewohner des Flüchtlingsheims wegen versuchten Mordes und schwerer Brandstiftung“, bestätigte Oberstaatsanwältin Dr. Ulla Hingst, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Lübeck. Das Holzhaus brannte vollständig aus. Ein Bewohner verletzte sich auf der Flucht vor den Flammen leicht,  ein Feuerwehrmann erlitt einen Schwächeanfall. 21 Bewohner mussten anderweitig untergebracht werden.

Der Großbrand war gegen 21.30 Uhr bemerkt worden. Als die Feuerwehr ausrückte, waren schon von Weitem orangerote Flammen zu sehen, die aus dem Holzhaus in der Straße Kaiserberg in den Nachthimmel züngelten. „Bei Eintreffen der ersten Kräfte stand das Dach des hinteren Gebäudes, ein zweistöckiges Holzhaus, bereits im Vollbrand“, berichtet Thomas Grimm, Sprecher der Feuerwehr des Kreises Herzogtum Lauenburg, vor Ort.

Flüchtlingsunterkunft in Gudow abgebrannt - 32-Jährigen festgenommen

Sofort forderte die Feuerwehr Verstärkung an, erhöhte auf Alarmstufe „Feuer 4“. Denn zunächst ist unklar, ob und wie viele Menschen sich noch im Haus befinden. Doch ein Mann mit einem Messer versperrt den Rettern den Weg. „Die Rettungsarbeiten gestalteten sich anfänglich schwierig“, so Feuerwehrsprecher Grimm:  „Weil sich noch eine Person vor dem Gebäude befand, die die anrückenden Einsatzkräfte mit einem Messer bedroht hat. Der Mann musste von der Polizei erst einmal unter Kontrolle gebracht werden.“

Der Mann mit dem Messer wird festgenommen. Es handelt sich um den mutmaßlichen 32-jährigen Brandstifter. Er habe die Feuerwehrleute nicht konkret bedroht, sagt später die Polizei. Der Bewohner der Unterkunft habe mit dem Messer „herumgefuchtelt“, sei wohl in einer „psychischen Ausnahmesituation“ gewesen. Denn offenbar hatte er das Feuer bewusst gelegt. Zumindest behauptet er dies in einer Kurzmitteilung, die er an die Leitung des Asylbewerberheims versendete.

Alle Bewohner der Flüchtlingsunterkunft konnten den Flammen entkommen

Das Dach der Asylbewerberunterkunft brennt, eine Fläche so groß wie ein Handballfeld. Die Feuerwehr löscht von der Drehleiter aus und mit Atemschutztrupps im Außenangriff. Mehr als 160 Helfer waren im Einsatz. Statiker sollen nun die Standfestigkeit des Holzhauses prüfen.
Das Dach der Asylbewerberunterkunft brennt, eine Fläche so groß wie ein Handballfeld. Die Feuerwehr löscht von der Drehleiter aus und mit Atemschutztrupps im Außenangriff. Mehr als 160 Helfer waren im Einsatz. Statiker sollen nun die Standfestigkeit des Holzhauses prüfen. © Unbekannt | Unbekannt

Glücklicherweise konnten alle Bewohner rechtzeitig den Flammen entkommen. Zehn von ihnen sind mit dem Coronavirus infiziert und standen unter Quarantäne. Alle 21 konnten für die Nacht in einem nahen Ferienheim der Berufsfeuerwehr Hamburg untergebracht werden – die Covid-19-Patienten im Untergeschoss, die restlichen Bewohner in höheren Bereichen. „Dadurch konnten komplizierte Krankentransporte unter Infektionsschutz-Bedingungen verhindert werden“, so Grimm. Nach Auskunft des Kreises verbleiben die Infizierten dort. 13 gesunde Personen wurden am Sonntag in der Jugendherberge Ratzeburg untergebracht und sollen kurzfristig auf Städte und Gemeinden im Kreis verteilt werden. Landrat Dr. Christoph Mager lobte ausdrücklich die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung in Gudow, die „bereits in der Nacht und am Sonntagvormittag Kleidung und Decken für die Betroffenen spendete“.

Die Löscharbeiten von einer Drehleiter aus und mit mehreren Atemschutztrupps gestalteten sich als langwierig und kräftezehrend.  Erst gegen Mitternacht war der Brand weitgehend unter Kontrolle. Aber immer wieder flackerten Glutnester im Dach auf, das großflächig abgedeckt werden musste. Insgesamt waren mehr als 160 Helfer von Feuerwehren, Rettungsdienst, der Polizei und dem Technischen Hilfswerk im Einsatz. Die Polizei  beziffert den Schaden auf etwa 350.000 Euro. Das Haus wurde durch den Brand möglicherweise vollständig zerstört. Der Brandort wurde beschlagnahmt. Bevor Experten dort mit der Spurensicherung beginnen können, müssen Statiker erst die Standfestigkeit des möglicherweise einsturzgefährdenden Gebäudes prüfen.

Keine Anhaltspunkte für einen politischen Hintergrund

Der mutmaßliche Brandstifter, dessen Nationalität die Staatsanwaltschaft nicht mitteilen wollte, wurde noch am Sonntag einem Haftrichter vorgeführt. Über die Motivation der Brandstiftung habe man noch keine Erkenntnisse, so Oberstaatsanwältin Dr. Ulla Hingst. Anhaltspunkte für einen politischen Hintergrund gebe es nicht. „Der Mann hat sich noch nicht zur Sache eingelassen. Wir stehen erst ganz am Anfang der Ermittlungen.“