500.000 Hefte verlassen die Druckerei Mero wöchentlich. Dafür sind 100 Tonnen Papier nötig – und eine Menge Bananenkartons.

Geesthacht. So ähnlich dürfte es am Hamburger Großmarkt aussehen, dort, wo die Südfrüchte lagern. Wohin das Auge auch blickt in der großen Lagerhalle von Mero Druck in Geesthacht: Überall stehen zur Überraschung des Besuchers Bananenkartons, sie nehmen fast die gesamt Fläche ein, gestapelt zu zwölf Stück übereinander.  „Für uns das beste Transportmittel“, sagt Betriebsleiter Patrick Bähr und schmunzelt. Die Kartons eignen sich von den Maßen her ideal für die Hefte des Kelterverlages, die am Standort in der Düneberger Straße gedruckt, aus- und angeliefert werden. Mitgebracht werden sie von den Speditionen und Grossisten, und umsonst sind sie auch noch, ökonomischer geht es nicht.

Bis 2018 an der Mühlenstraße

Petra Groth stellt Druckvorlagen unter speziellem Licher her.
Petra Groth stellt Druckvorlagen unter speziellem Licher her. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

„Mero“ steht für „Melchert Roman“, das Verlagshaus wurde 1938 als Martin Kelter Verlagshaus in Leipzig gegründet. 1945 begann der Wiederaufbau in Hamburg durch Otto Melchert, mittlerweile hat die Enkelgeneration das Unternehmen in drei Geschäftsbereiche aufgeteilt. Oliver Melchert ist Geschäftsführer für die Einrichtung in Geesthacht. Der Auf- und Ausbau der verlagseigenen Druckerei begann hier 1957, bis 2018 war es an der Mühlenstraße. Das Verlagshaus selbst ist in Hamburg. 

Der Rätselleidenschaft hat die grassierende Pandemie nicht geschadet, hat Patrick Bähr festgestellt. Während sich die heile Welt der gedruckten Arzt-, Heimat- und Adelsromane im Umbruch befindet und die Auflage auch durch das Internet unter Druck geraten ist, sind die Rätselhefte eine heile Welt geblieben. „Unsere Rätseltitel laufen sehr stabil, unter den Corona-Bedingungen wird sogar ein leichter Anstieg verzeichnet. Die Leute können schließlich nicht 24 Stunden lang Fernsehen schauen“, vermutet Patrick Bähr.

Letzte Innovation Sudoku

Versuche habe es durchaus gegeben, die Rätsel den Ratenden auch digital schmackhaft zu machen, „aber die liefen online überhaupt nicht, da war der Bedarf nicht da“, sagt er. Was es Neues in Sachen Rätseln auf dem Markt geben könnte, wird im Lektorat sondiert. „Zurzeit sind aber keine Neuerungen zu erwarten. Die letzte Innovation war Sudoku“, berichtet Patrick Bähr. Das war 2006 der Hit des Jahrs. Eine digitale Neuerung  haben die Rater aber doch angenommen. „Früher gab es einen großen Markt für Lösungsbücher für Kreuzworträtsel. Die sind komplett vom Internet abgelöst worden.“

500.000 Hefte verlassen wöchentlich den Betrieb in Geesthacht, die Rätseltitel nähern sich allmählich der Hälfte der Auslieferung an. 100 Tonnen Papier fallen wöchentlich an. Die Druckerfarbe wird in 500-Kilo-Behältern angeliefert, auf schwarz entfällt eine Tonne in der Woche. „Der Rest ist zu vernachlässigen“, sagt Patrick Bähr, der Drucker gelernt hat. Denn bunt sind die Hefte nur im Umschlag, drinnen herrschen die Buchstaben. Es gibt drei Druckstrecken, gedruckt wird in drei Schichten quasi rund um die Uhr.

Flaggschiff Dr. Norden

Das Flaggschiff bei den Romanen ist nach wie vor „Dr. Norden“ mit einer Auflage von 20.000 Stück, Zeitschriften wie „Mein Gewissen“ mit Schicksalsgeschichten erreichen sogar eine Auflage von 40.000 Stück. „Bei den Rätseln gibt es keinen klaren Favoriten“, sagt Patrick Bähr.  In der Roman-Sparte stehen neue Serien in den Startlöchern, „es wird geschaut, was im TV angesagt ist“, verrät Patrick Bähr.

Wie zum Beispiel „Spin offs“, das bedeutet, dass Charaktere aus laufenden Titeln ausgegliedert werden. So, wie es die ARD mit der beliebten Krankenhaus-Serie „In aller Freundschaft“ gemacht hat. Davon gibt es zwei Ableger, ein Vorbild auch für „Dr. Norden“ oder Adelstitel.

In der Regel wird eine Reihe von nur einem Autor betreut. Die zum Schluss ältere Dame, die Dr. Norden schrieb, hat die Reihe mittlerweile an die Tochter ihres Enkelsohnes weitergegeben.

Umschlag wird abgerissen

Drei Lebenszyklen sind für die Hefte vorgesehen. Zunächst gehen die Neuerscheinungen als Einzelhefte über die Grossisten an die Verkaufsstellen wie Kioske. Was dort nicht abgesetzt wurde, kommt zurück nach Geesthacht. Nun beginnt der zweite Kreislauf. Die Rückläufer werden automatisch mittels eines QR-Codes nach Genre sortiert, der Umschlag wird abgerissen und die Hefte zusammengefasst.

Mit neuem Titel versehen geht es als Dreier- oder Fünfer-Sammelband zurück ins Geschäft, etwa 450.000 Stück sind es pro Woche. Danach bekommen die nicht verkauften Bände eine dritte Chance. Sie werden erneut abgesammelt und wandern ins Kaufhausgeschäft zu Woolworth, KiK oder Netto. Das sind dann noch 50.000 Bände.

Zweiter Zyklus Sammelband

„Es dauert etwa zwei Wochen, bis die neuen Titel wieder bei uns sind. Hier lagern sie bis zu einem halben Jahr, bis sie im Sammelband ihren zweiten Zyklus ansteuern. Sie verbleiben vier Wochen im Handel, bis sie zurückkommen. Mindestens ein Jahr dauert es, bis sie dann im Kaufhaus verkauft werden“, erklärt Patrick Bähr. Dieses Geschäftsmodell dürfte in der zweiten Jahreshälfte auslaufen. Weil es unwirtschaftlich geworden ist, sollen nur noch spezielle Titel in den erneuten Kreislauf gehen. Ein Einzelheft kostet 2,20 Euro, der Dreier-Band 4,20 Euro und der Fünfer-Band 5,50 Euro.

Professor Hartwig kämpfte gegen das Coronavirus. Geschrieben wurde die Serie von einem „echten“ Mediziner.
Professor Hartwig kämpfte gegen das Coronavirus. Geschrieben wurde die Serie von einem „echten“ Mediziner. © Kelter Verlag | Kelter Verlag

Auch ansonsten wird bei Mero Druck auf eine nahezu perfektes Recycling gesetzt. Die Papierstreifen, die beim Zuschnitt der Seiten erfolgen, werden in großen Ballen für eine Papiermühle gesammelt. Selbst der Papierstaub, der beim Glätten der Heftrücken für die Klebung zu Sammelbänden entsteht, wird abgesaugt und zu grauen Zylinderklötzchen gepresst. Er lässt sich verbrennen, etwa im Kamin. In der Woche fallen 300 Kilo an. „Auch die Druckplatten aus Aluminium werden recycelt, unser Abfall ist verschwindend gering“, sagt Patrick Bähr.

Corona hat keinen Platz

Auf die Corona-Situation wurde im vergangenen Jahr übrigens schnell mit einer Mini-Serie reagiert. „Professor Hartwig – Dieser Chefarzt gibt nicht auf“ behandelte seine Patienten über acht Folgen und ist nun abgeschlossen. Der Autor heißt Dr. Peik Volmer und ist selbst Mediziner. „Diese Geschichten könnten noch einmal in einem Sammelband auftauchen“, sagt Patrick Bähr. Eine Fortsetzung soll es nicht geben. „Die Leute wollen eher unsere heile Welt“, meint er. Und da hat Corona keinen Platz.